20 originelle Vinotheken in Deutschland
Text: Eva Maria Düllingen und Axel Biesler
Sie sind elegant, frech, minimalistisch oder vollkommen schräg: Deutschlands Vinotheken werden zunehmend abgefahrener, denn das Auge trinkt mit. Weingutsbesitzer gestalten ihre Probierstätten mit Naturmaterialien, Designmöbeln und raffinierten Lichtkonzepten. Mal liegt der Akzent auf dem Traditionellen, mal auf dem Futuristischen. Doch so viel Glanz sie auch ausstrahlten, als Blendwerk haben wir keine der getesteten Verkostungssphären akzeptiert. Unsere 20 Top-Adressen bringen zudem 1 A Qualität in die Gläser, haben gute Events auf der Agenda und verströmen ungebrochene Wohlfühl-Atmosphäre.
1 Aussergewöhnlich
Krass, wie viel coole Schönheit in dem Verkaufsraum des fränkischen Spitzenweinguts steckt. Rainer Sauer und Sohn Daniel erschufen mit der komplett umgestalteten Vinothek ein Kunstwerk. Eine riesige Bronzekugel hängt symbolisch für die Sonne im Eingangsbereich. Vom Parterre steigt man über massive Stufen aus Muschelkalk hoch in die lichtdurchflutete Verkostungshalle: Holzdielen und Bänke korrespondieren mit gemütlichen Lederschwingern, eingerahmt von Bruchsteinmauern. Die Hälfte der 14 Hektar Rebfläche im windgeschützten Talkessel belegt der Silvaner – darunter das Grosse Gewächs aus dem Escherndorf am Lumpen mit feiner Textur und viel Tropenfrucht.
Rainer Sauer, Franken, Bocksbeutelstr. 15
97332 Volkach, Mo–Fr. 9–12 Uhr, 13–18 Uhr, Sa. 10–17 Uhr
www.weingut-rainer-sauer.de
2 Rassig-nüchtern
Alles Gute kommt zusammen, prangt als Slogan an einer der Glastüren. Sprüche wie diese provozieren zum genauen Hingucken. Funktional gibt sich der Probierraum des 1740 gegründeten Weinguts: Stahlbeton in Sichtqualität, raumhohe Verglasung mit Blick in die Reblandschaft und sensibles Lichtkonzept – Konzentration auf die Hauptattraktion «Wein» ist hier konsequent erwünscht. Kompromisslos verfolgt das Team um die Besitzer Erivan und Helga Haub auch den Respekt vor der Natur: Der gesamte kubusförmige Gebäudekörper mit einem Fassadenkleid aus Corten-Stahl wird über CO2-neutrale Energie versorgt und man verzichtet auf chemisch-synthetische Pflanzenschutz- und Düngemittel ebenso wie auf genveränderte Hefen. Unter die Jahresproduktion von rund 140 000 Flaschen fällt primär der Spätburgunder mit 35 Prozent. Den Rest teilen sich elf weitere Rebsorten.
Weingut Abril, Baden, Am Enselberg 1, 79235 Vogtsburg-Bischoffingen im Kaiserstuhl
Mo.–Fr. 8–12 und 13–18 Uhr Sa. 9–12.30 Uhr, www.weingut-abril.de
3 Puristisch
Abgesehen von ein paar Spät- und Weissburgundern ist die Vinothek ein «Home of Riesling». Nahe-Winzer Martin Tesch bietet seine Kollektion in spartanischer Kulisse feil: Dielen und Verkostungstheke – beides aus einer einzigen alten Ulme – beherrschen die 30 Quadratmeter. Der Baum stand dort, wo sich heute das Kelterhaus befindet. Den Link vom Ursprünglichen zum Zeitgeistigen zeigt sich auch im Sortiment: Markant und trocken gebärden sich die Gewächse.
Vom Rotliegenden bis zum verwitterten Sandstein reicht die Bodenvielfalt, die sich entsprechend über den Gaumen verteilt. Hier entscheidet man gerne, ob die Papillen eher der Lage Karthäuser oder Löhrer Berg zugetan sind.
Weingut Tesch, Naheweinstrasse 99, 55450 Langenlonsheim
Mo.–Fr. 8–18 Uhr, Sa. 11–16 Uhr
www.weingut-tesch.de
4 Charmant
Önologe Philipp Weisbrodt leitet das Bio-Weingut. Seine Schwester Eva bringt die Tropfen an die Leute: Vis-à-vis zum Deidesheimer Hof haben sie die «Weinbar 1911» eröffnet. Lediglich Weine des elf Hektar grossen Guts alias Das Duell oder Der Rebell werden ausgeschenkt und verkauft. Mit Blick auf den mittelalterlichen Marktplatz kann man zu Pinot Rosé Brut bis zur Riesling Spätle- se pfälzische Tapas wie Weichkäse und Salami der Region schnabulieren. «Wir schliessen die Lücke zwischen Sternegastronomie und Weinstube», sagt Eva. Partys mit Sound-Mix aus der Konserve oder vom DJ-Pult sind in dem stilvoll gestalteten Laden Usus.
Die Weinbar 1911, Pfalz, Marktplatz 5, 67146 Deidesheim
Do. 17–ca. 23 Uhr, Fr. 17–ca. 1 Uhr, Sa. 15–ca. 1 Uhr
So. 15–ca. 23 Uhr, www.weingut-weisbrodt.de
5 Natürlich
Romanée Conti, Rebholz, Kühn – alle Topleute haben irgendwann auf biodynamisch umgestellt, und es funktioniert. Ecovin-Winzer Erik Riffel lebt die Methode mit jeder Körperfaser. Und überträgt sie auf seinen Verkostungsturm. Hinter dem gelbgoldenen Gemäuer lauern Säulen, offen liegende Natursteinmauern und Liebe zum Detail. Schmecken kann man die vor allem in seinen Terroir-Trägern wie dem fruchtig-salzigen Silvaner vom Scharlachberg. Auf Flusskiesel und Quarzit gedeihen seine Chardonnays, Weissburgunder und Rieslinge in Grossen Lagen. Wenn das kein Grund zum Feiern ist: Pop, Soul und R&B lieferte die Band «Waterproof» auf dem letzten Sommerfest des 16-Hektar-Weinguts. Für eingefleischte Wein-Freaks stehen immer wieder Jahrgangs-Vertikalen an, etwa die der Binger Scharlachberg-Rieslinge von 2008 bis 2015. Outstanding: der Scharlachberger Sylvaner 2016 mit Duft von zerstossener, gefrorener Himbeere.
Weingut Riffel, Rheinhessen Mühlweg 14 A, 55411 Bingen
Mo.–Fr. 10–12 und 14–18 Uhr
Sa. 10–16 Uhr, www.weingut-riffel.de
6 Kunstaffin
Eine Vinothek, gestützt von vier Meter hohen, mit Kanneluren ausgeschlagenen Retrosäulen – und dazwischen die Bronzeskulpturen der Winzer-Gattin Malgarzota Chodakowska. Wer hier am Fusse der Rysselkuppe, am Pillnitzer Königlichen Weinberg verkostet, liebt die Kunst. Die der Grauburgunder, Rieslinge, Weissburgunder ebenso wie die der bildenden. Man lässt die Atmosphäre auf sich wirken, während man die biodynamischen Weine über die Zunge rollen lässt – mitten im Weinberg und mit Blick auf die Elbe. Die Spontis des 58-jährigen VDP-Winzers Klaus Zimmerling tragen eine unverkennbare Handschrift. Der Hammer ist der zitronen-durchsetzte Riesling von der Grossen Lage Königlicher Weinberg.
Weingut Zimmerling, Sachsen, Bergweg 27 01326 Dresden
Fr. 11–18 Uhr, Sa. 10–13 Uhr, www.weingut-zimmerling.de
7 Komplex
Rund 66 000 alte Jahrgänge schlummern in den Regalen des historischen Reifekellers. Die begehbare Schatzkammer birgt 46 000 weisse und 20 000 rote Raritäten ab dem Jahrgang 1942. Ausgangspunkt für den Trip zu rund vier Jahrzehnten Achkarrer Winzergenossenschaft-Weine ist die Vinothek: Ein riesiges «A» aus Kunststoff prangt an der Glasfassade, hinter der ein hoher, lichter Saal auf Liebhaber von Muskateller, Riesling, Silvaner oder Spätburgunder wartet. Mobile Sitzgelegenheiten wie Würfel werden von Hubwagen abgeholt, wenn hier Veranstaltungen stattfinden. Für Meinklang etwa, eine Synthese aus Weingenuss, Schmankerln und Live-Musik der Kongo-Band Body & Soul. Der Blick von hier oben geht über den Rhein in das Elsass bis zu den Bergen der Vogesen. Am besten mit der engmaschigen Trockenbeeren-Auslese Achkarrer Schlossberg 2015 Ruländer auf der Zunge.
Schlossbergstr. 2, 79235 Vogtsburg-Achkarren
März–Dezember: Mo.–Fr. 8.00–17.30 Uhr durchgehend,
April–Dezember: Sa. 9–13 Uhr, www.achkarrer-wein.com
8 Geliebt
Es war die Sekt-Marke in der DDR. Nicht nur auf Flügen der Arbeiter- und Bauernstaat-Airline «Interflug» ploppten die Korken des «Sachsengold». Schloss Wackerbarth atmet Geschichte seit August der Starke hier sein Lustschlösschen unterhielt. Kehrt man in der von Panoramafenstern eingefassten Vinothek ein, blickt man auf die barocke Garten-Anlage. Rund 35 000 Flaschen Wein und 25 000 Flaschen Sekt produziert das Weingut jährlich: 15 Schäumer, wie sie eleganter kaum sein können, stehen in der Radebeuler Verkostungshalle bereit. Sachsens älteste Sektmanufaktur fährt starke Perlen auf mit dem Brut-Rosé Gräfin Cosel.
Schloss Wackerbarth, Sachsen, Wackerbarthstr. 1, 01445 Radebeul
Mo.–So. 10–18 Uhr, www.schloss-wackerbarth.de
9 Taktgefühl
Wenn ausgebildete Opernsänger eine Vinothek haben, darf man sich über einen Flügel mitten im Raum nicht wundern. Friedrich Bastian, Winzer mit Operndiplom, legt in seinem Bacharacher Weinladen Wert auf Schöpferisches. Natürlich auch bei seinen eleganten Rieslingen und samtigen Spätburgundern aus ausgewählten Flurstücken. «Ich bin ein notorischer Spätfüller, lasse lange auf der Hefe liegen. Gut, dass ich ein fauler Hund bin, dem Wein tut es nicht gut, wenn man zu viel an ihm rumfummelt», so Bastian. Anerkennendes Lüften der Augenbrauen erntet immer wieder sein ananasdominierter, reintöniger Riesling vom Heyles’en Werth, der sieben Hektar grossen Rheininsel gegenüber von Bacharach, auf der der 48-Jährige bei Outdoorevents sein Bariton zu Heinezyklen von Schubert schmettert. Für Kunst- und Weinaffine ist die stilvolle Vinothek vis-à-vis zum alten Gutshof eine mehr als lohnenswerte Adresse!
Friedrich Bastian, Mittelrhein, Koblenzer Str. 1, 55422 Bacharach
Fr.–So. 11–18 Uhr www.weingut-bastian-bacharach.de
10 Prickelnd
Das Deutsche Museum für Wein steht seit rund vier Jahren in Hattenheim. An der Quizwand lassen sich die Bausteine drehen, um die richtige Antwort auf eine Frage zu erhalten. «Wie viele CO₂-Bläschen befinden sich in einer 0,75-Liter-Sektflasche?» Drückt man die Holztafel nun herum, erscheint auf seiner Rückseite die Antwort: «100 000 000» (als flüssiges Beispiel sei an dieser Stelle der weinige 2011er Hattenheim Schützenhaus Riesling brut nature genannt). Für Tageslicht in der Vinothek sorgen drei Dachluken, deren Positionen sich an den Grossen-Gewächs-Lagen des Weinguts orientieren: mit dem Wisselbrunnen in östlicher, der Hassel in nordöstlicher und der Schönhell in nordwestlicher Ausrichtung.
Wein- und Sektgut Barth, Hattenheim Rheingau,
Mo.–Fr. 14–18 Uhr, Sa. 11–16 Uhr
www.weingut-barth.de
11 Bezaubernd
Als königlich-preussische Weinbaudomäne 1902 gebaut, tritt man heute auf handgeschlagene Fliesen unter riesigen Industrielampen. Gebäudesockel aus dem Porphyrgestein der Umgebung runden optisch ab. Überhaupt hat der Verkostungssaal, in dem 60 Leute auf 160 Quadratmetern Platz finden, ein spezielles Flair – eine Synthese aus Gründerzeit und Retro. Genauso adrett ist die Panoramaterrasse mit bezauberndem Blick auf den – klar – Hermannsberg. 95 Prozent Riesling werden auf rund 30 Hektar angebaut. Zu dreigängigen Menüs und Weinschmecker-Wochenenden findet die weisse Sorte regelmässig kulinarischen Dialog. Nicht nur die Gästeküche, auch das Gästehaus ist verlockend. Elf Zimmer und Suiten vom Elegantesten laden nach dem Genuss von Tropfen wie dem exotisch angehauchten Riesling Grosses Gewächs 2016 vom Niederhäuser Hermannsberg zur seligen Nachtruhe.
Weingut Hermannsberg Nahe, 55585 Niederhausen-Nahe
März–Oktober: Di.–Fr. 10–18 Uhr; Sa., So., Feiertage: 12–18 Uhr
www.gut-hermannsberg.de
12 Erleben
Einst wohnten «unverheiratbare» Frauen im Kloster Engelthal. Aus dem Kloster wurde eine Mühle. Diese wurde zurückgebaut, das Gebäude vergessen. 2009 begannen die Umbauarbeiten. Sie sollten gut drei Jahre dauern. Wenn hier von Vinotheken im Speziellen die Rede ist, handelt es sich bei den Wasems um eine Wein-Erlebnis-Welt. Dabei wurde sensibel darauf geachtet, das Erscheinungsbild des Klosters aus dem zwölften Jahrhundert so wenig wie möglich zu verändern. Wo früher Verzicht das oberste Gebot war, darf heute nach Herzenslust probiert, gegessen und gefeiert werden. Wenn das die «Unverheiratbaren» wüssten. Vom exzellent gereiften 2013er Ingelheimer Frühburgunder erst gar nicht zu reden.
Weingut Wasem, Rheinhessen, Edelgasse 5, 55218 Ingelheim, Mo.–Fr. 7.30–18.30 Uhr
Sa. 9.30–18 Uhr, So. 12–17 Uhr www.wasem.de
13 Tugendhaft
«Die Mönche haben den Wein zu uns gebracht und wir haben uns hier ein Kloster für Weine gebaut», erklärt Sommelière Saskia Wörthwein den Namen der 1937 gegründeten Kooperative. «Konvent» heisst «Kloster» und so ist es kein Wunder, dass Gewächse aus der Lage «Klosterberg» zum Probieren im Refektorium landen. Auf einem uralten Kelterbaum kommen klassische Sorten der Region zu Tapas oder Vesper-Platte zur aromatischen Entfaltung. Vom Eichenfass gereiften Trollinger bis zum Cabernet Sauvignon dürfen in gestylt-entspannter Architektur bis zu 80 diverse Weine degustiert werden. Darunter der Divinus Lemberger 2014 mit herrlichem Rauch- und Beerengerüst.
Weinkonvent Dürrenzimmern, Württemberg
Meimsheimer Str. 11, 74336 Brackenheim
Mo.–Fr. 9–18 Uhr, Sa. 9–13 Uhr
www.weinkonvent-duerrenzimmern.de
14 Entspannt
Wow, ist das Erste, was einem angesichts der Vinothek entschlüpft. Wow, das Zweite, wenn man die Burgunder probiert. Markus Klumpp und sein Bruder Andreas haben ein Händchen für Design und Wein. 150 Jahre alte Eiche dominiert die Optik der Probierstätte, modern interpretiert, nahezu japanisch inspiriert. Statt an einer Theke wird an einer Verkostungsinsel degustiert. Bei Gourmet-Menüs an der endlos langen Holztafel können Burgunder-Freaks die Wine & Food-Kombis ebenso antesten wie beim «Walking Dinner», wo bis zu acht Gänge aus der Sterneküche mit Doppelmagnums und älteren Jahrgängen gekreuzt werden. Ein drittes Wow übrigens für den Rothenberg Grauburgunder wegen Toffeearomen und herrlicher Struktur.
Weingut Klumpp, Baden, Heidelberger Str. 100 76646 Bruchsal,
Mo.–Fr. 9–12 Uhr und 14–18 Uhr
Sa. 9–13 Uhr, www.weingut-klumpp.com
15 Verbindend
Der Hochmoselübergang steht kurz vor seiner Fertigstellung. Wer Johannes Schmitz besucht, kann sich von ihm sowohl technisch als auch politisch auf den neuesten Stand bringen lassen. Aus dem führenden Mitglied der letztlich erfolglosen Bürgerinitiative Pro Mosel tönt viel Groll, aber auch eine gewisse Faszination für Technik. Geradezu lachhaft mutet es da an, welchen Gegenwind Schmitz vor rund acht Jahren bekam, als er seine neue Produktionsstätte nebst Vinothek inmitten des Ürziger Würzgartens eröffnete. Mit der trockenen 2016er Riesling Spätlese aus dem Erdener Treppchen lässt sich der monströse Hochmoselübergang nicht schöntrinken, ihre fragile Präzision lässt den Blick nur noch genauer werden.
Rebenhof Riesling Manufaktur, Hüwel 2–3, 54359 Ürzig,
nach Vereinbarung, www.rebenhof.de
16 Kulissentreu
Im Jahr 2013 heimste der Mosel-Winzer den «Architekturpreis Wein» für seine Vinothek ein. Rund 15 Jahre vorher hat Markus Molitor damit begonnen, das Gesamtgebäude aus dem beginnenden 19. Jahrhundert zu kernsanieren. Dem historischen Stil ist der treu geblieben: Parkettböden, Flügeltüren und bogenförmige Fenster verströmen Weingutsgeschichte. In dieser Kulisse Molitors Ockfener Bockstein Kabinett mit einem Aromenspektrum von Ananas bis getrocknetem Zitronengras zu verkosten, bleibt im Gedächtnis kleben. Allerding auch seine Weinpartys, auf denen Gosset-Champagner fliesst und ein Fünf-Stationen- Gourmetmenü den Hunger wegzaubert.
Weingut Molitor, Mosel Haus Klosterberg 1 54492 Zeltingen-Rachtig
Mo.–Fr. 10–17 Uhr www.markusmolitor.com
17 Originell
Bei 65 Prozent Hangneigung fangen die Steillagen des Oberweseler Familienbetriebs an. Handarbeit in Grossen Lagen wie Oelsberg scheut das Winzerpaar Lanius so wenig, wie eine Wohlfühl-Atmosphäre für den im Retrostil gestalteten Verkostungsraum hinter Bleiglasfenstern zu schaffen. Selbst Japaner und US-Amerikaner lockt es in die «Hinterwelt» am Mittelrhein, um den naturnah angebauten Weltklasse-Rieslingen auf den Zahn zu fühlen. Souvenir-Versessene aus Übersee nehmen aus dem elf Hektar VDP-Weingut nebst Weinen gern die Design-Handtasche mit Weinvokabeln mit zurück in die Heimat. Und selbstredend den harmonischen Riesling aus der Grossen Lage Oberweseler Oelsberg.
Weingut Lanius Knab, Mittelrhein, Mainzer Str. 38 55430 Oberwesel,
Mo.–Sa. 9–18 Uhr, www.lanius-knab.de
18 Solide
Alexander Stodden ist ein Hüne. Da kann schon mal etwas leicht aus der Balance geraten, wenn er sich dagegen lehnt. Stodden machte deshalb keine halben Sachen und liess seine Verkostungstische aus reiner Grauwacke bauen. Gut 500 Kilo wiegt so ein Stück. Schiefer und Eiche sind weitere Materialien, die den Raum, das Weingut und Stoddens Weine prägen. Wo der wächst, erfühlt der Gast regelrecht, wenn er einen Tunnel durchschreitet, der zu Stoddens zweiter Vinothek führt, und dabei gleichzeitig einen kleinen Spaziergang in seiner Spitzenlage Recher Herrenberg an einem Spätsommertag unternimmt. Da darf es dann auch mal ein Glas vom grandiosen 2015er Spätburgunder Flaggschiff Alte Reben sein.
Weingut Stodden, Ahr, Rotweinstr. 7–9 53506 Rech,
Mo.–Fr. 9–12 Uhr und 13.30–17.30 Uhr, Sa. 10–13 Uhr, www.stodden.de
19 Anarchistisch
Vermutlich hat sie immer noch einen Koffer in der Bundeshauptstadt. Ihr vinologisches Standbein hat die gebürtige Berlinerin Bettina Schumann aber eindeutig am Kaiserstuhl. Sie lässt die Verkostungspuppen in unprätenziöser Umgebung tanzen: In knatschrote Sofas versunken lässt man sich die im Eichenfass spontan vergorenen Burgunder über das Zünglein rinnen. Mit Berliner Schnauze markiert Schumann eine neue Generation der Vinotheken: zwischen Barriques und kleinen Edelstahltanks verkosten, während schon mal Kellerarbeit drum herum stattfindet. Der Rosé Mittenmang haut komplex auf die Zungenmitte.
Weinhaus Bettina Schumann, Baden, Lilienstr. 9, 79353 Bahlingen am Kaiserstuhl
Proben nach Vereinbarung, www.schumann-wein.com
20 Reloaded
Waßmers neue Vinothek scheint so etwas wie ein lebendiger Organismus zu sein, wenn es darum geht, etwas harmonisch wachsen zu lassen. Wer die ehemalige Scheune betritt, wird sofort von einer mondänen Gemütlichkeit eingehüllt. Das mag im Winter auch an dem XXL-Kamin liegen, der keinerlei Mühe hat, die riesige Räumlichkeit mit einer anheimelnden Wärme zu fluten. Freilich ist Waßmers 2015er XXL Spätburgunder in dieser Wohlfühlatmosphäre ein sicherer Tipp. Wer es weniger kraftvoll mag, dem sei der formidable Gutswein aus gleichem Jahr empfohlen.
Weingut Fritz Waßmer, Baden Lazariterstr. 2, 79189 Bad Krozingen, Mo.–Fr. 9–18 Uhr Sa. 10–16 Uhr
In der Spargelsaison: Mo.–So. 8–20 Uhr www.weingutfritzwassmer.de