Kaufen, spenden, geniessen

Die verrückte Weinsammlung

Text: Rudolf Knoll

40000 Flaschen mit reifen deutschen Weinen waren es vor einem Jahr, inzwischen sind die Vorräte deutlich geschrumpft, weil VINUM-Leser und Fans alter und älterer Gewächse begeistert die Offerte mit «Wein-Wundertüten» annahmen und fleissig orderten. Aber noch sind Bestellungen möglich.

Vor der Ernte konnten Fans reifer Weine im August im Weingut Schloss Sommerhausen in Franken noch mal so richtig geniessen. Hausherr Martin Steinmann öffnete unter anderem eine 1995er Riesling-Spätlese von Andreas Laible aus Baden, eine1992er Muskateller-Auslese von Theo Minges aus der Pfalz, einen 1986er Riesling trocken vom Karthäuserhof an der Ruwer sowie einen 1984er Riesling-Kabinett von J. J. Prüm von der Mosel. Es waren Weine aus der Sammlung von Luise und Wolfgang Koegel, die in 40 Jahren rund 40 000 Flaschen aus deutschen Landen zusammengetragen und in einem grossen Kellerin Würzburg eingebunkert hatten. VINUM berichtete vor einem Jahr in Ausgabe 11/2015 über die «verrückteste deutsche Weinsammlung» und erlebte mit der Wundertüten-Offerte an die Leser eine nie erwartete Resonanz auf das Motto «Wein trinken und dabei Gutes tun». Nach dem letzten Stand der Dinge wurden über 2100 Sechser-Kartons mitzufällig zusammengestelltem Inhalt verkauft. Der Erlös wurde dem Verein Wine saves life in Wiesbaden zur Verfügung gestellt, der seit 2001Spenden rekrutiert, um bedürftigen Kindern und Jugendlichen in Deutschland und aller Welt (vor allem in Afrika) zu helfen. Joachim Binz, Gründer des gemeinnützigen Vereins, ist dankbar für die Einnahmen durch die VINUM Aktion und hadert nur mit dem Finanzamt: «Diese Behörde hält leider die Hand auf.» Ein wichtiger Partner ist Cargo Human Care e.V. (CHC), ein humanitäres und medizinisches Hilfsprojekt, das von Mitarbeitern der Lufthansa Cargo in Zusammenarbeit mit deutschen Ärzten ins Leben gerufen wurde. Im Rahmendes Projekts wird gewährleistet, dass die Hilfegezielt dorthin gelangt, wo sie gebraucht wird.

Bestellungen kamen aus ganz Europa

Mitglieder von CHC brachten sich auch praktisch mit einem Team von Wine saves life beim Verpacken der Weine im Lager von Schloss Sommerhausen ein. Denn Martin Steinmann, der den Bestand vor einigen Jahren von den Koegels als Schenkung übernommen hatte, kam mit den Bestellungen, die via VINUM über Monate hinweg einliefen, kaum nach und war auf solche Unterstützung angewiesen. Das soziale Netzwerk trug offenbar ebenfalls zur Nachfrage bei. Der ersten Bestellung einer in München lebenden Chinesin folgten in den Monaten danach etliche Bestellungen anderer Weinfans mit chinesischen Namen aus ganz Deutschland. Pakete wurden ausserdem nach Italien, Österreich, Holland, in die Türkei und die Schweiz verschickt. Ein Zürcher Gastronom avancierte zum besten Kunden. Miguel Ledesma, Hausherr von «Maison Manesse» in der Hopfenstrasse, orderte allein 720 Flaschen auf einen Schlag. Auf das Motiv angesprochen, meinte er nur: «Wir haben experimentierfreudige Gäste, die sich gern auf solche ungewöhnlichen Weine einlassen.» Sein deutscher Sommelier Jochen Mevissen probiert vor, muss seltenaussortieren und kann dann die reifen Weine zu den fantasievollen Menüs von Küchenchef Fabian Spiquel offerieren. «Das ist auch für uns wahnsinnig spannend», lacht Mevissen. Andere Absatzwege sind die regelmässigen Verkostungen, zu denen Martin Steinmann in Sommerhausenbittet (siehe Kasten). Eva Raps und Urban Kaufmann vom Weingut Hans Lang in Hattenheim im Rheingau laden gemeinsam mit der Winzergenossenschaft Rauenthal immer wieder mal zur speziellen «Reifeprüfung» ein, bei der maximal zehn Käufer einer Wundertüte eine Flasche mitbringen, die dann gemeinsam verkostet wird. Hinterher darf für Wine saves life gespendet werden. So schwinden die Bestände der Fans reifer Gewächse und wird ein Nachkauf notwendig…Der ist immer noch möglich. Steinmann hat zwar einiges aussortiert, weil die Koegels gelegentlich Literflaschen kauften, deren Inhaltselten gut erhalten war. Aber es gibt noch genügend Vorräte aus den 80er und 90er Jahren, auch von Topgütern. Schade nur, dass Luise Koegel den Erfolg der Aktion kaum mehr miterleben konnte. Sie verstarb im Juni 2016 im Alter von 90 Jahren.

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