Auf Entdeckungsreise durchs Veneto
Vom Lago in die Lagune
Text: Christian Eder
Wir entführen Sie in acht Etappen auf eine Reise vom Lago di Garda bis in die Lagune von Venedig – hier findet man nicht nur einzigartige Kunstschätze, sondern auch grossartige Weine: Einige besondere Spezialitäten und die dazu passende Küche haben wir für Sie ausgewählt.
Zwischen den Ufern des Gardasees und den Monti Lessini, zwischen der Adriaküste und den steilen Hängen des Etschtals prägen zahlreiche Rebberge das Landschaftsbild. Ob ein charmanter Lessini-Durello oder ein Prosecco Superiore di Conegliano Valdobbiadene als Aperitif, ein blumiger Soave zur Pasta, fruchtiger Valpolicella zum Gegrillten oder ein süsser Recioto zum Dessert: Alle diese Weine kommen aus dieser einzigartigen Region Italiens.
Der Weinbau im Gebiet hat eine Jahrtausende alte Geschichte: Schon die Römer haben die Weine aus dem Raeticum getrunken, die süss vergoren und daher transport- und lagerfähig waren. Im 4. Jahrhundert beschreibt Cassiodorus, ein Minister des Gotenkönigs Theoderich, einen durch Austrocknung der Trauben gewonnenen Wein aus Valpolicella (übersetzt: das Tal der vielzähligen Keller) als Acinaico. Seit damals hat dieser Wein, der Recioto, einen legendären Ruf. Er galt lange als Inbegriff der hohen Kunst des Kelterns.
Den Recioto gibt es heute noch: Er wird im Valpolicella-Gebiet im Norden von Verona in einer roten Version gekeltert und etwas weiter östlich, rund um die Städte Soave und Gambellara, in einer weissen Variante. Der Recioto zählt zur Familie der Passiti, der Weine aus angetrockneten Trauben, und im Spätherbst sind die frutaii – die Fruchtlager – der Täler rund um Verona gefüllt mit Kisten von antrocknenden Trauben. Heute dienen aber viele davon nicht mehr der Produktion eines Recioto, sondern der des Amarone: Dieser wird aus denselben Trauben wie der Recioto gewonnen, aber zu Ende vergoren, und wird deshalb trocken und amaro, bitter. Lange Jahre stand er im Schatten seines süssen Verwandten, bis vor wenigen Jahrzehnten sein Siegeszug begann.
Einfache, klare und fruchtige Rotweine aus Corvina, Rondinella und Molinara findet man dafür im nahen Bardolino am Gardasee. Hier ist auch die Heimat des Bardolino Chiaretto, eines Rosé-Weins, der hervorragend zur Fischküche des Gardasees passt. Und zeigt, wie wandlungsfähig die wohl wichtigste Traubencuvée Italiens ist. Dieselben Traubensorten wie in Bardolino harmonieren im Valpolicella-Gebiet perfekt mit der dortigen Küche, mit gekochtem Rindfleisch, Pilzen und Trüffeln.
Immer bedeutender werden auch die Weissweine: Das beginnt beim mineralischen Lugana oder der fruchtig-frischen Traubencuvée des Custoza im Süden des Gardasees und führt über die vor allem aus Garganega gekelterten Weine des Soave-Gebietes. Die Schaumwein-Perlen sind inzwischen ein Aushängeschild der Region: Während der Prosecco Superiore DOCG in einem klar abgegrenzten Gebiet rund um die Gemeinden Valdobbiadene und Conegliano in der Provinz Treviso produziert wird, erstreckt sich das Gebiet des Prosecco DOC über weite Teile des nordöstlichen Italiens – das historische Gebiet, in dem die Glera-Traube, die Basis des Prosecco, seit Jahrhunderten heimisch ist. Eine lange Tradition im Veneto haben auch die roten Bordelaiser Merlot und Cabernet, die zum Teil schon seit mehr als 100 Jahren im Veneto heimisch sind und – nicht zu vergessen – die weissen Rebsorten Pinot Grigio, Chardonnay und Sauvignon Blanc.
Entdeckungsreise Veneto
Etappe 1
Dolce Vita am Lago di Garda
Am Gardasee tummeln sich Cabrio-Fahrer ebenso wie Gourmets und Windsurfer. Leicht wie das Lebensgefühl sind auch die Weine: Weisse Lugana und Custoza passen ebenso zur lokalen Fischküche wie ein nach Rosen duftender Bardolino oder Valtènesi Chiaretto.
Neuester Trend am grössten See Italiens ist ein Garda DOC: ein Schaumwein, der dieses Lebensgefühl in Weiss oder Rosé auf den Tisch bringen soll. «Ein Garda DOC kann in den Rebbergen des Soave-Gebietes ebenso hergestellt werden wie in Custoza, in Bardolino oder im Valtènesi», erklärt Carlo Alberto Panont, Direktor des Konsortiums Garda DOC. «Er soll ein Lebensgefühl symbolisieren, das Leichtigkeit, Stil und Schönheit kombiniert.» Ein Garda DOC eignet sich als Aperitif gleichwohl wie als Begleiter für Fischgerichte. Das beweist auch Leandro Luppi, Patron im «Vecchia Malcesine», einem der renommiertesten Lokale am See: Er serviert einen Garda DOC zum Lavarello, einem typischen Seefisch, den er mit Knoblauch, Olivenöl und Peperoncino zubereitet. Der feine Geschmack des Lavarello harmoniert bestens mit der feinen Fruchtigkeit des Schaumweines.
Aber natürlich ist der Gardasee auch wegen seiner anderen Weine bekannt. Wie des Bardolinos, dessen Trauben auf den Moränenhügeln rund um die gleichnamige Stadt gedeihen: Hier ergeben dieselben Rebsorten wie im Valpolicella – Corvina, Rondinella oder Molinara – leichte, fruchtige Rotweine. Eine besondere Spielart ist der Chiaretto, die Roséversion, die man zu Fleisch und Fisch gleichermassen geniessen kann. Je nach seinem Ursprung stammt er aus den Hügeln im Südosten (als Bardolino Chiaretto) oder im Südwesten des Lago di Garda (als Valtènesi Chiaretto).
Der weisse Custoza kommt hingegen nur aus den Moränenhügeln im Südosten des Sees. Das Dörfchen Custoza ist der Kern des Anbaugebietes. Und obwohl sich die Zone über neun Gemeinden erstreckt, liegen einige der schönsten Rebberge rund um dieses geschichtsträchtige Dorf. Hier haben sich zwei entscheidende Schlachten in den Zeiten der italienischen Unabhängigkeitsbewegung (1848 und 1866) abgespielt, und noch immer ranken sich eine Reihe von Legenden um die Kämpfe, die zwischen Österreichern und Italienern ausgefochten wurden (und die beide Male die Österreicher gewannen): So zum Beispiel die des Tamburino Sardo, des Trommlers eines sardischen Bataillons, der, auch als er bereits schwer verletzt war, immer noch die Nachrichten zwischen den einzelnen Bataillonen überbrachte.
An die Kriege erinnern auch zahlreiche Monumente: Das imposanteste ist das Ossario, das sich mit seinem Turm über Custoza erhebt: Hier sind die sterblichen Überreste von Soldaten aller Herren Länder aufgebahrt, Knochen und Schädel zu einem schaurig-ergreifenden Mahnmal gegen den Krieg aufgetürmt, der so niemals wieder in Europa stattfinden sollte. Unweit des Ossario hat sich eine der blutigsten Kriegsschlachten zugetragen: Wo sich einst die Leichen türmten, liegen heute die Rebberge von Cavalchina, dem Weingut der Familie Piona, das mit dem Custoza Superiore Amedeo einen der schönsten Weine des Anbaugebietes keltert. Aber den Custoza an sich gibt es nicht, weiss Luciano Piona: «Fast jeder Winzer keltert seine eigene Interpretation eines Custoza. Die Weine leben von dieser Cuvée unterschiedlicher Rebsorten: Garganega, Trebbiano, Trebbianello, Fernanda und auch internationale Rebsorten. Die einzelnen Trauben gehen eine Liaison ein, verbinden Mineralität mit Charakter, Eleganz mit Fruchtigkeit.»
Gaumenfreude
Vecchia Malcesine
Via Pisort 6
I-37018 Malcesine
Tel. +39 045 740 04 69
www.vecchiamalcesine.com
Grandiose Seeküche mit Blick über den See und auf die Bergwelt dahinter: eines der besten Restaurants am gesamten Lago di Garda, versteckt in einer kleinen Gasse neben der Kirche. Reservieren Sie einen der Panoramaplätze am Fenster und lassen Sie sich den Lavarello con Aglio, Olio e Peperoncino servieren, am besten mit einem Glas Garda DOC.
Der Wein
Cavalchina
Custoza DOC Superiore Amedeo 2015
17.5 Punkte | 2019 bis 2024
Perfekt getunte Cuvée aus Garganega, Fernanda, Trebbianello und Trebbiano, fermentiert in slawonischer Eiche: einladendes Bouquet, perfekt ausbalanciert am Gaumen, hervorragende belebende Säure, mit viel Eleganz und Schliff im Finale. Luciano Piona gelingt es, einen Custoza zu kreieren, der Riesling-Charakter mit mediterranem Flair verbindet. Hervorragend ist das Alterungspotenzial: Wir haben auch 2006 und 2009 probiert, beide sind zeitlos frisch, mit viel Mineralität und überraschender Komplexität.