VINUM-PROFIPANEL Schaffhausen
Schaffhausen ist erwacht
Text: Benjamin Herzog, Fotos: Hans-Peter Siffert
Noch vor wenigen Jahren hätte sich das VINUM-Profipanel beim Degustieren der besten Schaffhauser Blauburgunder durch allerlei extraktsüsse Landweine und überextrahierte Holzbomben kämpfen müssen. Doch den Grossteil der hier verkosteten Top-Blauburgunder bezeichneten unsere Verkoster als elegante Pinot Noir – die Qualität der Schaffhauser Hauptsorte hat ein neues Niveau erreicht.
Die Entwicklung der Weinregion Schaffhausen ist einzigartig. Noch in den 90er Jahren machten die meisten Kellereien ihr Geld mit einfachen Landweinen und dachten gar nicht daran, dies zu ändern – schliesslich liess sich der unkomplizierte Beerliwein recht leicht verkaufen. Die guten und vor allem ambitionierten Pinot Noir aus der Region konnte man an einer Hand abzählen. Michael Meyer und Ruedi Baumann gehörten zu den Ersten, die das Potenzial erkannten. 1994 kreierten sie ihr Gemeinschaftswerk Zwaa, das noch heute als Massstab für einen Schaffhauser Spitzenwein gilt. 1999 erreichte Thomas Stamm mit seiner Thaynger Spätlese zum ersten Mal überregional Beachtung. Die Bezeichnung Blauburgunderland für die Weinregion wurde 2002 von der Branche selbst eingeführt. Das war ein Wendepunkt, die Winzer begannen im Bereich des Marketings, aber auch in der Produktion enger zusammenzuarbeiten. Die Schaffhauser Weinproduzenten fanden Freude am Experimentieren und Optimieren und schafften es so, die Qualität gerade bei den Spitzenprodukten zu steigern. Immer wieder feierten Winzer Erfolge. 2009 wurde etwa Stefan Gysel «Winzer des Jahres» beim Grand Prix du Vin Suisse. Trotzdem: Schaffhausen als Ganzes schaffte es nie wirklich, den Ruf des einfachen, weichen und zuweilen auch restsüssen Blauburgunders in der Schweizer Weinszene ab zu streifen.
Bis heute. Denn diese Verkostung beweist, dass das Blauburgunderland seiner Bezeichnung mehr und mehr gerecht wird. 20 der 22 verkosteten Gewächse wurden vom VINUM-Profipanel mit 15.5 Punkten und mehr bewertet, sechs Weine schafften es sogar auf mehr als 17 Punkte. Qualitätsmässig bewegen sich die Schaffhauser Spitzen-Pinots also auf internationalem Niveau. Und wie steht es um den Stil der Weine? Das VINUM Profipanel versuchte in Bezug auf die Weinstile, bei jedem Wein einen Konsens zu finden. In neun Fällen waren sich die Panelisten einig, dass es sich um elegante Pinot-Noir-Typen nach burgundischem Vorbild handelt, eindeutig als einfache Land- oder üppige Überseeweine wurden nur je drei Gewächse bezeichnet.
20 Jahre ist es her, dass der Zwaa von Michael Meyer und Ruedi Baumann zum ersten Mal auf den Markt kam und bewies, dass die Region Schaffhausen eigentlich optimale Bedingungen für den Anbau von Spitzen-Pinot-Noir mit sich bringt. Baumann steuert für diesen Wein ein Gewächs aus Oberhallau bei, das auf schweren, tiefen Lehmböden wächst und die Kraft für den Zwaa liefert. Meyers Osterfinger wächst auf Kalk und Kies und besticht durch seine Eleganz. Gerade die kalkhaltigen Lagen am Randen, einem Ausläufer des Jura, bieten beste Voraussetzungen für die Produktion von harmonischen, ausdrucksstarken Weinen. Dass das Potenzial der Region erst 20 Jahre nach der Lancierung der ersten Spitzenweine allgemein anerkannt ist und auch immer häufiger Ausdruck in den Weinen findet, liegt in erster Linie an der Struktur der Schaffhauser Weinwirtschaft. Während andere Regionen von Selbstkelterern – Winzern mit eigenen Reben – dominiert werden, sind in Schaffhausen die Kellereien vorherrschend, also Betriebe, die Trauben von vielen kleinen Traubenproduzenten kaufen und daraus Weine produzieren.
Noch heute werden viele dieser Traubenproduzenten nach Mostgewicht und Kilogramm bezahlt. Zwar sind Zuckerwerte und Erntemenge längst reglementiert, und Spitzenweine kommen aus den besten Lagen, doch lässt einen als aussenstehenden Beobachter der Wunsch nach mehr Kompromisslosigkeit nicht los. Ausdrucksstarke Terroirweine entstehen nur mit Zurückhaltung – in Rebberg und Keller. Das wird besonders deutlich, wenn man mit dem Verkostungssieger dieser Degustation spricht. Markus Ruch orientiert sich an ganz anderen Parametern als an den Zuckerwerten oder der Verkaufbarkeit der Produkte und schafft es so, natürlich harmonische Terroirweine auf die Flasche zu bringen. Ganz offensichtlich können sich viele andere Produzenten von der Öchslejagd der Vergangenheit noch immer nicht ganz lösen und ernten für ihre Spitzenweine Trauben mit rund hundert Grad Öchsle. Ohne Chaptalisieren und bei kompletter Vergärung würde man damit circa 13,8 Volumenprozent Alkohol erhalten. Einige Weine in dieser Verkostung erreichen sogar mehr. Der Wein von Markus Ruch wirkt aber elegant und überaus harmonisch bei gerade mal 12,5 Volumenprozent. Ruch zeigt mit diesem Wein, dass das Blauburgunderland tatsächlich ähnlich gute Voraussetzungen mit sich bringt wie das Burgund der 90er Jahre. Und so sind es zurzeit nicht der Zwaa oder die Barriqueweine von Thomas Stamm, die uns das Potenzial Schaffhausens vor Augen führen, sondern die kompromisslosen Gewächse von Markus Ruch oder dem zweitplatzierten Winzerkeller Strasser.
Resultat
Hedinger Sunneberg, Wilchingen, Barrique 2012
16.5 Punkte | 2015 bis 2020
Klare Nase mit eingelegten Kirschen, Tee- und Hopfenaromen, dazu auch Marzipan und frisches Holz. Im Ansatz saftig mit strukturierender Säure. Im Abgang ist eine leichte Extraktsüsse wahrzunehmen, die aber stimmig ins Gesamtbild eingebunden ist. Mittellang.
Preis ca. 22 Franken
Lindenhof, Osterfingen, 7 Cépages 2013
17 Punkte | 2015 bis 2022
Ein Schaffhauser Blauburgunder wie aus dem Bilderbuch. Sehr offene und einladende Aromatik mit perfekt reifen Kirschen, Cassis und herbalen Noten. Am Gaumen ein optimal ausbalanciertes Spiel zwischen Schmelz und Säure. Im Abgang ist der feine Gerbstoff , der für Spannung sorgt, spürbar.
Preis ca. 21 Franken
Bad Osterfingen, Osterfingen, Badreben 2012
16.5 Punkte | 2015 bis 2020
Klassische Nase mit Kirsch- und Gewürzaromen. Direkt nach dem Öffnen sind noch reduktive Noten wahrnehmbar, die aber schnell verschwinden. Am Gaumen relativ leicht und äusserst saftig. Ein unprätentiöser, ehrlicher Blauburgunder der eleganten Art.
Preis ca. 18.50 Franken
Markus Ruch, Neunkirch Hallau Haalde 2013
18 Punkte | 2016 bis 2025
Wirkt noch sehr jung und ungestüm, sollte unbedingt dekantiert werden. Die Grösse ist jetzt schon spürbar: natürlich wirkende Aromatik von Kirsche, dunklen Beeren und dezenter Würze. Zeigt viel Spiel im Glas. Am Gaumen elegant, fast karg, mit saftiger Säurestruktur. Langes, fruchtig-zimtartiges Finale.
Preis ca. 38 Franken
Trotte Löhningen, Löhningen, Pyrop 2013
15.5 Punkte | 2015 bis 2017
Typische Blauburgunderaromatik mit roten Beeren und Kirschen, etwas eindimensional. Am Gaumen leicht und trinkig, mit Rauchnoten im Finale. Ehrlicher, jedoch kein grosser Wein, gekeltert von der mehr als 60 Jahre existierenden Weinbaugenossenschaft Löhningen.
Preis ca. 17.50 Franken
WeinStamm, Thayngen, Genusswerte Nr. 9 2009
17 Punkte | 2015 bis 2020
Der Einfluss der Barrique ist in der Nase klar spürbar: Tabak, Leder, dazu süssliche und getrocknete Frucht, auch gedörrte Datteln und Aprikosen. Am Gaumen überraschend elegant und druckvoll mit straffer Säure und passender Extraktsüsse. Würzig im Abgang.
Preis ca. 45 Franken
Rötiberg Kellerei,Wilchingen, Réserve Noir 2011
16 Punkte | 2015 bis 2020
Klassische rote Beerenaromatik mit Graphit und Vanille. Der Holzeinfluss ist klar spürbar, wirkt aber gekonnt und stimmig. Am Gaumen straff mit verhältnismässig präsentem Tannin. Harmonisches Verhältnis von Schmelz und Säure. Mittellang.
Preis ca. 28 Franken
Baumann Weingut, Pinot Noir «R» 2012
16.5 Punkte | 2015 bis 2020
Recht verhalten, mit süsslich anmutender Kirschfrucht. Dazu Aromen von Graphit, Kräutern und sauberem Holz. Am Gaumen fällt die gute Säurestruktur auf, die zum Ende von einem spürbaren, aber reifen Tannin komplettiert wird. Im Finale sind Kräuternoten wie Lorbeer wahrzunehmen.
Preis ca. 34 Franken
Weingut Stoll, Wilchingen, Mühliwy 2013
15.5 Punkte | 2015 bis 2017
Recht reif wirkender, konzentrierter Typ. In der Nase reife dunkle Früchte, etwas Sojasauce und Kaffee. Am Gaumen dann überraschend geradlinig, jedoch mit wenig Spiel ausgestattet. Kein typischer Blauburgunderland-Vertreter.
Preis ca. 21 Franken
HWG Weine, Wilchingen, Pinot Noir Auslese 2013
16.5 Punkte | 2015 bis 2020
Zunächst recht verschlossen, braucht Luft, dann spielen Kirschen und Himbeeren die erste Geige im Aromenbild. Daneben Karamell und Gewürze. Am Gaumen recht leicht, etwas süsslich, jedoch mit stimmigem Säure undTanningerüst.
Preis ca. 19 Franken
Volg Weinkellereien, Winterthur, Pinot Noir Barrique Hallau 2013
16.5 Punkte | 2015 bis 2020
Noch jung. Ein Mix aus dunklen und hellen Beeren sowie Würznoten, durchaus elegant. Am Gaumen von einer präsenten Säurestruktur geprägt, dank dem Schmelz im Mittelteil aber recht harmonisch. Endet mittellang auf Gewürznoten.
Preis ca. 22.50 Franken
GVS Schachenmann AG, Gächlinger Auslese 2011
16 Punkte | 2015 bis 2018
In der Nase Aromen reifer Kirschen und Zwetschgen sowie Nadelholz. Am Gaumen auf der süsslichen Seite, dadurch recht breit und weich, jedoch in sich schlüssig und ausbalanciert. Moderner, vollreifer Blauburgunderstil.
Preis ca. 25.80 Franken
Weingut Baumann,Bad Osterfingen, Osterfingen und Oberhallau, Zwaa 2012
17 Punkte | 2015 bis 2021
In der Nase Aromen von Kirschen, Himbeeren sowie Tannen- und Eichenholz. Mit Luft auch Gewürze – vielschichtig und feinfruchtig. Elegant, sehr saftig und mit einer würzigen, stattlichen Länge ausgestattet. Eleganter Klassiker aus dem Blauburgunderland.
Preis ca. 34 Franken
Weinkellerei Schlatter, Hallau, Pinokrat 2011
15.5 Punkte | 2015 bis 2016
Wirkt bereits relativ reif. Aromen von Bittermandel, Rumtopf und eingelegten Kirschen. Am Gaumen recht wenig Frucht, mit Belüftung aber Gewürze wie Pfeffer. Recht weicher Gaumeneindruck. Sollte bald ausgetrunken werden.
Preis ca. 26.50 Franken
Gianini Weinbau, Hallau, Pinot Noir Barrique 2011
16 Punkte | 2015 bis 2020
Die Frucht ist hier eher im Hintergrund, das Bouquet ausbaugeprägt: Aromen von Zigarre, Eukalyptus, Nelke und auch Tannenholz. Dahinter versteckt sich ein klares Kirscharoma, das sich erst mit Belüftung zeigt. Am Gaumen druckvoll mit saftiger Säure und mittlerer Länge.
Preis ca. 22 Franken
Weinkellerei Rahm, Hallau, Selection Pierre 2013
16 Punkte | 2015 bis 2020
Expressives Bouquet. Aromen von Marzipan, Mon Chéri und Krokant. Zeigt aromatisch wenig Finesse, ist am Gaumen dann aber schön ausbalanciert, mit stimmigem Säuregerüst. Aromen von Nougat und Milchschokolade im frischen säuregeprägten Finale. Gute Länge.
Preis ca. 23.95 Franken
aagne, Hallau, Pinot Noir Barrique 2012
16 Punkte | 2015 bis 2018
Rote Johannisbeere, Zimt und Kirschkompott in der Nase. Im Ansatz recht süss, jedoch stimmig ausbalanciert von der Säure. Zeigt Kraft und eine anregende Herbe im Finale. Unkomplizierter und trinkiger Blauburgunderstil.
Preis ca. 24 Franken
Winzerkeller Strasser, Uhwiesen, Albi 2012
18 Punkte | 2015 bis 2022
Perfekt reife Kirschfrucht, ergänzt von präsentem, sauberem Holz. Wirkt wie ein deutscher Spätburgunder. Gut strukturiert mit fast atemberaubender, würziger Länge. Ein eleganter Burgunder, gewachsen in Gächlingen.
Preis ca. 22 Franken
aagne, Lindenhof, Rötiberg, WeinStamm, Element 5 2010
16.5 Punkte | 2015 bis 2018
Balsamisch wirkende Nase mit eingelegten Sauerkirschen, Zimt und vegetalen Noten. Wirkt gereift. Im Mund rund und ausbalanciert, jedoch von einer stimmigen Säure getragen. Gelungener Kollaborationswein von vier befreundeten Schaffhauser Betrieben.
Preis ca. 47 Franken
Richli Hirschen, Osterfingen, Osterfinger Barrique Spätlese 2012
17.5 Punkte | 2015 bis 2020
Feinfruchtige, kühle Kirschfrucht mit mentholartigen Noten, dazu Cassis und Pflaume. Am Gaumen durchwegs elegant mit perfekter Balance aus Säure und Schmelz. Holzwürze im Finale. Ein ehrlicher Schaffhauser der klassischen Art.
Preis ca. 20 Franken