VINUM-PROFIPANEL Silvaner
Pfälzer Silvaner-Sensation
Text: Carsten Henn, Fotos: Jana Kay
Es war als Wettkampf zwischen Franken und Rheinhessen gedacht – Deutschlands Silvaner-Hochburgen. Doch dann gewann sensationell ein Wein aus der Pfalz für gerade einmal 10,90 Euro. Es war nicht der einzige günstige Tropfen, der teure Grosse Gewächse in die Schranken verwies. Denn die Jury setzte auf Frische und Trinkfluss statt auf Fülle und Alkohol. Und kam zu dem Ergebnis: Silvaner ist eine der grossen Rebsorten des Landes.
Der Sieg des Pfälzer Weingutes Porzelt war sogar noch beeindruckender, als es die Siegerliste zeigt. Denn ausser Konkurrenz stand mit dem 500.1 (ausgebaut im 500-Liter-Fass) ein zweiter Silvaner des Gutes im Wettbewerb und landete auf dem dritten Rang. Dem fränkischen Weingut Weltner gelang ein ähnlicher Coup: Dessen Grosses Gewächs Hoheleite schaffte es inoffiziell auf Rang sechs. Weltner ist einer der Betriebe, die einen neuen, trocken-straffen Silvaner-Stil favorisieren. Die Weine vieler berühmter fränkischer Silvaner-Erzeuger, die ebenfalls am Test teilnahmen, schafften es dagegen nicht in die Top 15. Dr. Peter Henk, Franken-Verantwortlicher beim «Gault & Millau»-Weinguide, fasst es so zusammen: «Es gab wenige Weine der alten Schule: fett und überreif. Eleganz, Charakter und Länge setzten sich durch. Eigenständigkeit und internationale Klasse sind das Ziel.»
Für die Probe wurden die höchstbewerteten noch käuflich erwerblichen Silvaner aus Franken, Rheinhessen, der Pfalz, Baden, den Regionen Saale-Unstrut sowie Nahe und Österreich geordert. Die regionale Zuordnung fiel den Juroren schwerer als erwartet, vor allem da die Unterschiede häufig nicht entlang der regionalen Linien verliefen, sondern sich in der Frage modern oder traditionell manifestierten. Doch auch die Böden spielten eine wichtige Rolle, wie Jurorin Alice Gundlach betont: «Silvaner ist eine Mimose: er kommt nicht gut mit kargen Böden und Stress zurecht, ist dafür aber ein perfekter Anzeiger für die Bodenbeschaffenheit. Das kam auch bei dieser Probe heraus. Ob fruchtig von Lehmböden oder mineralisch geprägt vom Kalk, war oft klar. Aber vereinzelt zeigten sich die Probleme: Wenn er nicht gute Böden und die passende Lage bekommt, gerät der Silvaner neutral und wenig interessant. Silvaner sollte nur dann gemacht werden, wenn man es will – denn er braucht Aufmerksamkeit und läuft nicht nebenher. Was ihm an Säure fehlt, muss er durch Frische ausgleichen.»
Gerade auf Frische und Trinkfluss legte die Jury viel Wert, weswegen viele «kleine» Silvaner ihren mächtig-ausladenden Kollegen die Schau stahlen. Önologe Steffen Röll zieht nach der Probe das Fazit: «Länderübergreifend bilden sich diverse Silvaner-Interpretationen heraus, die sich zusammengefasst auf zwei Stilistiken reduzieren lassen: reduktiv-kräuterwürzig mit grünwürziger Kräuterspannung (meist aus dem Edelstahltank) oder cremig-fruchtiger Stil, der meist im Holzfass entsteht und beim Surlie-Ausbau durch eine süsslich-hefige Art im Mittelkörper und einen druckvollen Abgang ohne Restzucker gekennzeichnet ist.»
Das Holz war eines der am heissesten diskutierten Themen der Probe: Kann Silvaner damit umgehen? Oder verfälscht es den Sortentyp? Einig war man sich, dass die Subtilität des Holzeinsatzes bereits sehr gut geworden ist und den Silvaner plötzlich aromatisch und strukturell in die Nähe von französischem Viognier oder Meursault rückt, mit mineralischem Fundament, fein eingebundener, seidiger Säure und begeisternder Würze. Önologin Simone Renth-Queins hat ein Faible sowohl für die Terrassen- wie für die Spitzenweine aus der alten Rebsorte: «Ich verkoste viele eher leichtere, kräuterwürzige Silvaner, was mir auch sehr gut gefällt. Besonders spannend finde ich aber, wenn bei einem höherwertigen Silvaner diese vollreife, ganz klare Birnenfrucht mit Komplexität verbunden wird.»
Wer hat nun die Meinungsführerschaft bei Silvaner? Franken? Rheinhessen? Oder gar die Pfalz? Die Antwort ist einfach: Deutschland. Und obwohl die Rebsorte bekannt ist, wird sie gerade in Spitzenrestaurants zugunsten von Riesling und Burgundersorten eher selten eingesetzt. Rudi Knoll unterstreicht gerade ihre Fähigkeiten in diesem Bereich: «Ein sehr guter, vielseitiger Essensbegleiter». Einige Winzer berichten von Absatzproblemen beim Silvaner. Man kann sich nur an den Kopf packen bei den Qualitäten, die auf dem Tisch standen!
Resultat
Weingut Porzelt, Pfalz, Deutschland, Muschelkalk 2014
17.5 Punkte |2015 bis 2020
Was für ein herrlicher, ebenso vielschichtiger wie druckvoller Silvaner. Floral im Aroma, dazu Zitronenmelisse und Kräuter. Am Gaumen pur, klar und geradlinig, aber auch mit Saft und Kraft sowie spürbarer Animation, Länge und grossem Trinkfluss. Wirklich Grossartig!
Preis ca. 10,50 Euro
Weingut am Stein, Franken, Deutschland, Stettener Stein – Grosse Lage 2013
17.5 Punkte | 2015 bis 2022
Ein Bio-Silvaner mit hochfeiner, vielschichtiger Frucht, grün-würzig, am Gaumen säurebetont. Geradlinig, kernig, klassische, satte Art, vereint Saft, Kraft und Struktur, hat grosse Länge und Harmonie. Viel Trinkfluss. Straffer Franken-Silvaner!
Preis ca. 35 Euro
Weingut Weltner, Franken, Deutschland, Rödelseer Küchenmeister – Erste Lage 2014
17 Punkte | 2015 bis 2020
Frisch-duftige Nase, regelrecht blumig, aber auch – Überraschung! – Eisbonbon. Am Gaumen knackig-frische Südfrüchte wie Ananas. Doch trotz all der betörend-charmanten Aromen ein Silvaner mit Biss, Tiefe und Würze, anregend und trinkig.
Preis ca. 12 Euro
Winzerhof Stahl, Franken, Deutschland, Best Of 2014
16.5 Punkte | 2015 bis 2022
Wäre dieser Silvaner eine Farbe, dann klarstes Hellgrün. Kühl-kräuterwürzig ist die frische Nase mit fruchtigen Anklängen. Ein enorm sortentypischer und überzeugend trocken-mineralischer Wein. Am Gaumen saftig, herzhaft, mit grossem Potenzial und präsenter Säure. Rassig!
Preis ca. 17 Euro
Weingut Wechsler, Rheinhessen, Deutschland, Westhofen 2014
16.5 Punkte | 2015 bis 2018
Betörende Holunderblüte, Melone und Melisse im Bouquet, der angenehm füllige Körper besticht durch die saftige Frische von grünem Apfel und Birne. Sehr knackig im Abgang. Ein leicht und verspielt wirkender Silvaner mit grosser Feinheit.
Preis ca. 9,80 Euro
Weingut Dreissigacker, Rheinhessen, Deutschland, Kirchspiel 2013
16.5 Punkte | 2015 bis 2022
Ein biologischer Silvaner, der dank feinfühligem Holzeinsatz burgundische Cremigkeit und Struktur aufweist. Im Duft Steinobst, geschmeidigkomplex und lang am Gaumen mit Aprikose und Pfirsich. Mit 13,5 Vol.-% ein kräftiger Wein mit saftiger Frucht und guter Substanz.
Preis ca. 31 Euro
Weingut Wittmann, Rheinhessen, Deutschland, Silvaner 2014
16.5 Punkte | 2015 bis 2018
Dies ist der «kleine» Silvaner von Kult-Bio-Winzer Philipp Wittmann – und dann diese Platzierung! Ein Wein mit viel Trinkfluss und Animation. Im Duft Stachelbeere und Akazie. Am Gaumen knackig, mit kräftiger Säure, frisch, grün, sehr zugänglich und unkompliziert.
Preis ca. 8,95 Euro
Weingut Bickel-Stumpf, Franken, Deutschland, Kapellenberg Frickenhausen – Erste Lage 2013
16 Punkte | 2015 bis 2020
Ein ganz eigener, positiv-rustikaler Typ mit viel Kraft und deutlich schmeckbarer Restsüsse. Sehr sortentypisch mit würzigen Kräuteraromen und Pfeffer, mineralischer Struktur und intensiver Fülle, die aber mit Frische fein ausbalanciert wird.
Preis ca. 15 Euro
Weingut Hofbauer-Schmidt, Weinviertel, Österreich, Kögl 2013
16 Punkte | 2015 bis 2018
Ein günstiger Wein, der enorme Trinkfreude verspricht. Nase mit Kräutern, dazu Pfirsich und Aprikose. Klar und durchgängig, noch sehr jugendlich. Frucht und Restsüsse sehr präsent. Ungemein typischer Silvaner mit Kraft, Frische und feiner Länge.
Preis ca. 7 Euro
Zehnthof Luckert, Franken, Deutschland, Sulzfelder Creutz 2013
16 Punkte | 2016 bis 2024
«Dieser Wein stammt aus dem wohl ältesten Silvaner-Weinberg Deutschlands, bepflanzt um 1870 mit Gelbem, Blauem und Rotem Silvaner», so die Information des Weingutes. Ein faszinierender Wein mit viel Säurespannung und perfekter Kräuternote. Braucht noch Zeit.
Preis ca. 50 Euro
Weingut Bischel, Rheinhessen, Deutschland, Goldberg 2013
16 Punkte | 2015 bis 2020
Sehr gekonnt und fein wird der Holzausbau bei diesem Silvaner eingesetzt. Im Duft Melone, Birne, Mirabelle und Holunderblüte, am Gaumen dann saftig-füllig und samtig. Die hohe Reife und der niedrige Ertrag führen zu grosser Konzentration und Intensität.
Preis ca. 18,90 Euro
Weingut Keller, Rheinhessen, Deutschland, Feuervogel 2013
16 Punkte | 2015 bis 2022
Ein Kult-Silvaner aus Rheinhessen, der mehrheitlich ob seiner Reife und weichen Säure für einen Österreicher gehalten wurde. In der Nase floral, dazu Banane, aber auch Nougat. Am Gaumen samtig, mit grosser Länge, feiner Frische und Eleganz.
Preis ca. 25,90 Euro
Weingut Thörle, Rheinhessen, Deutschland, Probstey 2013
16 Punkte | 2015 bis 2022
Ungewöhnliche Aromatik, erinnert an Viognier, am Gaumen opulent-buttrig, mit Frische, vollmundig, der Alkohol ist präsent. Der Wein wurde in 500- Liter-Tonneaus spontan vergoren und verblieb bis zum Sommer nach der Ernte auf der Vollhefe. Einzelstück.
Preis ca. 20,90 Euro
Weingut Kampf, Rheinhessen, Deutschland, Flonheim 2013
15.5 Punkte | 2015 bis 2018
Das Etikett mag umstritten sein – der Wein ist es nicht. Ein Jurymitglied vergab das Prädikat «Terrassenwein». «Trinkig» schrieb ein anderes. Charmant-duftig in der Nase, mit floralen Noten, am Gaumen knackig und gelbfruchtig. Macht grossen Spass.
Preis ca. 11 Euro
Weingut Wirsching, Franken, Deutschland, Iphöfer Julius-EchterBerg – GG 2013
15.5 Punkte | 2015 bis 2022
Ein Wein, der Luft und Temperatur benötigt, um seine Grösse zu zeigen. Tropische Südfrüchte, viel Ananas, am Gaumen schmeckbare Restsüsse, viel Kraft und Stoff. Der Alkohol (13,5 Vol.-%) ist bei diesem Kraftpaket präsent.
Preis ca. 28 Euro