GRAUBURGUNDER-PREIS 2017
Graue Wunder aus Baden
Text: Eva Maria Dülligen
In Deutschland steht Baden flächenmässig an der Spitze mit seinem Grauburgunder. Eine lange Tradition umgibt ihn in der Region, die touristisch kaum attraktiver sein könnte. Mit dem Internationalen Grauburgunder-Preis und einer breitgefächerten Burgunder-Präsentation schiebt das Weinbaugebiet die Rebsorte weiter nach vorn.
Umgeben von 66 000 Flaschen alter Jahrgänge sitzen wir am Vollholztisch in einem historischen Reifekeller. Das älteste Etikett trägt das Datum 1942: ein Ruländer, dessen Label so vollgedruckt ist, dass einem, ohne einen Schluck getrunken zu haben, schwindelig wird. «Den können wir leider nicht probieren», sagt Denis Kirstein, Geschäftsführer der Winzergenossenschaft Achkarren, «aber dafür die Auslese von 1976». Die Rarität sieht aus wie ein Orange Wine, hat bräunliche Reflexe und schmeckt nach gedörrtem Apfel und Waldhonig. Ruländer, das ist Grauburgunder der alten Schule. Aus sehr reifen bis edelfaulen Trauben entsteht ein schwerer Wein mit fett-süssem Geschmacksprofil. In Baden, das mit etwa 1850 Hektar Platz 1 der deutschen Anbaufläche für Grauburgunder innehat, ist diese barocke Variante immer noch ein Publikumsliebling. Der Rest der Welt blickt verstärkt auf Badens trockene ausgebaute Grauburgunder. Auch daran mangelt es der WG nicht. Ein weiterer Grund dafür, dass die Sieger-Weine des Grauburgunder-Preises hier – mitten im Vulkangebirgszug Kaiserstuhl – am Vortag präsentiert wurden.
Vom Ruländer bis zum Sponti
Optisches Kontrastprogramm stand nach dem historischen Kellergewölbe im Freiburger Konzerthaus an. Die diesjährige Burgunderpräsentation ging als Multiplikator des Internationalen Grauburgunder-Preises bei tropischer Hitze über die Bühne. Auf asymmetrischer Grundfläche, von Säulen getragen und mit Panoramafronten versehen, umrahmte die Stadtloggia 41 Ausstellertische. Neben jenen, die mit Pokalen für ihre Grauburgunder belohnt wurden, reihten sich ebenso renommierte Produzenten wie Andreas Stigler, Hannes Pix oder Hubert Lay. «Wir konnten nichts einschicken, weil unsere Weine unfiltriert sind und spontan vergoren. Das ist für den Grauburgunder-Preis noch Zukunftsmusik. Aber der Event ist eine Plattform, um den Grundstein für weitere Kategorien zu legen», so der Bioland-Winzer Matthias Höfflin. Die vier Kategorien des Wettbewerbs sehen unter anderem trocken und fruchtig ausgebaute Grauburgunder mit oder ohne Holzeinfluss, Selektions- und Premiumweine der Rebsorte bis hin zum edelsüssen Ruländer vor. Blind verkostet von Sommeliers, Kellermeistern und Journalisten schafften es zehn Betriebe an die Spitze von insgesamt 479 angestellten Gewächsen. Doch das Kräftemessen in einer Region, die quasi ein Synonym für diese Rebsorte darstellt, hat Luft nach oben. Weingutleiterin Eva-Maria Köpfer vom Ecovin-zertifizierten Weingut Abril lobte den Wettbewerb, hielt aber dagegen, dass man durchaus tiefer in den trockenen Stil gehen könnte. «Die Leute sollen den Unterschied merken zwischen den Kategorien. Mit regionalen Ikonen alias Dr. Heger oder Andreas Laible können wir uns weit aus dem Fenster lehnen.» Senkrechtstarterin Bettina Schumann vom gleichnamigen Weinhaus bewertete das Potenzial des Events ähnlich: «Dass wir hier sind, beweist, dass Baden sich Richtung Zeitgeist bewegt.» Die ausgebildete Önologin aus Berlin sorgte mit generationenübergreifenden Etiketten von «Dit is der Clou vont Janze» bis «Famose Schose» für Gedränge an ihrem Stand. Berliner Schnauze und vinologischer Durchblick provozierten Aufmerksamkeit. Ihre im Eichenfass spontan vergorenen Burgunder schnitten mit viel Substanz am Gaumen so gut ab wie die von etablierten Winzern an den Nachbarständen.
Grauburgunder international
Parallel zur Präsentation moderierten Weinexperten die «Masterclass Grauburgunder» im Nebensaal. Statistiken über wachsende Flächen für Grauburgunder in den USA oder Charakterisierungen überseeischer Pinot Gris wurden durch Degustationen im Publikum und auf der Bühne untermauert. Den blind verkostenden Teilnehmern fühlte man auf den Zahn, wenn sie etwa Grauburgunder vom Bodensee von einem aus dem australischen Clare Valley sensorisch unterscheiden sollten. Wie bei einem Wissensquiz stimmte man per Handzeichen über die jeweilige Herkunft der Gewächse ab und kam den richtigen Ergebnissen erstaunlich nahe. Zwischen den Flights floss Wissenswertes rund um die Mutation des Blauen Burgunders ein: vom Einfluss der Trauben-Halbierung auf die Aromen-Ausprägung bis zu völlig unterschiedlichen Stilen, denen Granit Verwitterungsböden oder kalkgeprägter Terrassenboden Vorschub leisten. Auch der deutsche Grauburgunder selbst fiel durch die Kaiserstühler Veranstaltungen auf fruchtbaren Boden.