Österreich Dossier

Die Renaissance des Gemischten Satzes

Text: Rudolf Knoll 

  • Weingut Hajszan Neumann

Er ist keine im Weinkeller zusammengestellte Cuvée, sondern ein spezieller Cru von mehreren Rebsorten aus einem einzigen Weingarten. Die Bezeichnung Gemischter Satz gibt es nur in Österreich. Und die Weine davon werden immer besser!

Er ist von der Rebfläche her deutlich im Rückgang begriffen, macht aber gleichzeitig Karriere. 2009 standen 1041 Hektar für den Gemischten Satz in der Flächen-Statistik Österreichs; aktuell sind es nur noch knapp 660 Hektar. Dieser scheinbare Widerspruch ist schnell erklärt. Früher war die Sortenmischung aus einem einzigen Weingarten meist für die Erzeugung von süffigem Weisswein für den Ausschank im Heurigen gedacht. Das war so in Wien, der klassischen Heimat des Gemischten Satzes, aber auch in anderen Regionen, in denen diese Tradition noch gepflegt wurde. Doch in den letzten zehn Jahren hat sich enorm viel in Sachen Qualität getan. Einfache Weine sind nicht im Trend, also wurden Rebflächen entweder aufgegeben oder sortenrein bepflanzt.

Wien hat vorgemacht, dass der Gemischte Satz sich durchaus auf Augenhöhe mit erstklassigen Sortenweinen wie Grünem Veltliner und Riesling bewegen kann und salonfähig ist. Deshalb ist die Entwicklung in der «Welthauptstadt des Gemischten Satzes» deutlich anders als der Bundestrend. Die Landeshauptstadt hat 637 Hektar bepflanzte Rebfläche, davon entfallen 529 Hektar auf weisse Sorten inklusive 178 Hektar Gemischter Satz, mehr als Grüner Veltliner (137 Hektar) und Riesling (60 Hektar). «Die Tendenz ist stark steigend», kommentiert Gutsbesitzer Fritz Wieninger das flotte Wachstum.

Einige Ereignisse begleiteten die positive Entwicklung. Ende 2005 wurde die Vereinigung WienWein von sechs führenden Betrieben der Stadt gegründet. Obmann der ersten Stunde (und vermutlich auf Lebenszeit) wurde Wiens bekanntester Winzer Fritz Wieninger aus dem Stadtteil Stammersdorf, der damals die Parole ausgab: «Wir wollen dem Gemischten Satz als typischem Wein unserer Stadt zu einer Renaissance verhelfen, ohne Kompromisse in Sachen Qualität.» 2008 nahm die Vereinigung Slow Food den Gemischten Satz in die sogenannte «Arche des Geschmacks» auf, einer Heimat für existenzbedrohte, regional wertvolle Lebensmittel, Pflanzen und Nutztierarten. 2009 wurde die Bezeichnung in einer EU-Verordnung für Österreich geschützt (weshalb es zum Beispiel in Franken «Fränkischen Mischsatz» gibt).

2011 wurde dann eine Verordnung für den «Wiener Gemischten Satz» erarbeitet, in der festgelegt ist, dass in einem Weingarten mindestens drei verschiedene Rebsorten angebaut werden müssen. Der grösste Sortenanteil darf nicht über 50 Prozent liegen, der drittgrösste Anteil muss zumindest 10 Prozent betragen. Eine Rieden(Lagen)-Bezeichnung ist zulässig. Der Wein muss nicht grundsätzlich als «trocken» deklariert sein, aber das Gegenteil ist eher die Ausnahme. «Niemand braucht einen fruchtigen und schon gar keinen edelsüssen Gemischten Satz», macht Fritz Wieninger deutlich. Zwei Jahre später bekam der Wein dann noch aufgrund der intensiven Bemühungen von WienWein die Qualitätsauszeichnung Districtus Austria Controllatus (DAC). Klar doch, dass der Gemischte Satz auch bei der Einführung der «Ersten Lagen» in Wien ab dem Jahrgang 2017 dabei sein wird. 12 von 145 Rieden mit besonderer Beschaffenheit wurden ausgewählt, in fast allen dieser Fluren ist Gemischter Satz Zuhause.

Risikominimierung

Und ganz aktuell ziert die Bezeichnung Gemischter Satz eine neue Sondermarke (Wert 68 Cent) aus der Serie «Weinregionen Österreichs». Das Briefmarkensujet zeigt im Weinglas einen strahlend strohgelben Wein sowie eine Ansicht der Wiener Innenstadt mit dem Stephansdom (Bezug im Online-Shop der Österreichischen Post: www.philatelie.at).

Der Gemischte Satz hat keine grosse Tradition. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts war es in Österreich üblich, in einem Weingarten verschiedene Sorten zu pflanzen. Die Trauben wurden geerntet, gekeltert und der Most vergoren, alles gemeinsam, ohne vorher zu trennen. Unterschiedliche Reifegrade und Säurewerte waren kein Problem. Wichtig war eine Risikominimierung. Wenn einige Sorten nicht gut ausgereift waren, konnten die frühen Sorten für einen Ausgleich sorgen. In den meisten österreichischen Gebieten wurden damals Massenträger gepflanzt, während man in Wien Edelsorten wie Riesling, Rotgipfler, Weissburgunder und Traminer schätzte. Aber die Hinwendung zum sortenreinen Ausbau führte auch in Wien dazu, dass der Gemischte Satz meist zum einfachen Schankwein mutierte. 

Heute ist alles anders. Und ein Wiener Gut kann sich als «weltweit grösster Gemischter Satz-Produzent» bezeichnen. Richard und Alexander Zahel können elf verschiedene Varianten vorweisen, füllen jährlich rund 500 000 Flaschen ab und verkaufen sie in 20 Länder auf drei Kontinenten zu teilweise stattlichen Preisen. Mit Abstand Spitzenreiter ist der noch erhältliche 2011er 5 Points von alten Reben aus fünf verschiedenen Toplagen, der mal bei einem Test 95 Punkte bekam und 150 Euro kostet.

Wolferl-Weine

Gelegentlich haben diese Weine einen originellen Namen wie Wolferl beim Weingut Thiery-Weber in Rohrendorf. Er geht auf die langjährige Tradition des «Wolfersuchens» zurück, als die reifen Trauben, die bei der Ernte übersehen wurden, nach dem Tag des Heiligen Wolfgang (31. Oktober) von jedermann geerntet werden durften. Winzer Arthur Toifl macht sich am letzten Lesetag des Jahres auf die Suche und wird immer mit reifen Trauben fündig.

Der Überraschung ausdrückende Simply Wow von Franz Leth in Fels am Wagram ist der ungewöhnlichste Gemischte Satz der Welt. Vor rund 25 Jahren begann Senior Franz Leth mit der Auspflanzung möglichst vieler Sorten, weil jede Menge alter, traditionsreicher und regionaltypischer Reben nahezu verschwunden waren. Rund 230 Varietäten mit jeweils 15 Stöcken auf 1,2 Hektar dürften es heute sein. Manches wird im Glasballon separat ausgebaut. Gelegentlich wird selektioniert und mit dem besten Traubenmaterial von vielen Sorten ein gehaltvoller Wein gekeltert, bei dessen Genuss durchaus ein «Wow» fällig ist.

Kamptal

Weingut Ehn, Langenlois

www.ehnwein.at

Tipp: Ried Panzaun 2016 (Grüner Veltliner und weitere sechs Sorten)

Kremstal

Weingut Thiery-Weber, Rohrendorf

www.thiery-weber.at

Tipp: Wolferl 2016 (Grüner Veltliner, Riesling, Sauvignon Blanc, Gelber Muskateller, Chardonnay, Welschriesling)

Mittelburgenland

Weingut Gesellmann, Deutschkreutz

www.gesellmann.at

Tipp: Hochberc Weiss 2016 (Grüner Veltliner, Chardonnay, Sauvignon Blanc, Welsch- und Rheinriesling, Weissburgunder)

Thermenregion

Weingut Pferschy-Seper, Mödling

www.pferschy-seper.at

Tipp: Kabinett 2016 (Welschriesling, Grüner Veltliner, Neuburger sowie einige Piwi-Sorten im Testlauf)

Vulkanland Steiermark

Herrenhof Lamprecht, Markt Hartmannsdorf

www.herrenhof.at

Tipp: Schrammelberg Alter Weingarten 2013 (sechs Hauptsorten und weitere alte Reben wie Heunisch, Kadarka, Blauer Wildbacher, Roter Furmint, Blauer Silvaner)

 

Weingut Neumeister, Straden

www.neumeister.cc

Tipp: Gemischter Satz 2016 (Müller-Thurgau, Goldburger, Weissburgunder, Welschriesling, Riesling, Gewürztraminer, Sämling)

Wachau

Domäne Wachau, Dürnstein

www.domaene-wachau.at

Tipp: Smaragd Seiber 2016 (In einem Uralt-Weingarten mit 80-jährigen Reben wächst Grüner Veltliner, ergänzt durch Riesling, Neuburger, Sauvignon Blanc, Braunen Veltliner, Heunisch, Roten Veltliner, Grauburgunder, Müller-Thurgau, Muskateller, Muskat-Ottonel, Traminer und weitere Sorten.)

Wagram

Weingut Ott, Feuersbrunn

www.ott.at

Tipp: Gemischter Satz 2016 (Riesling, Welschriesling, Grüner Veltliner, Roter Veltliner, Chardonnay, Gelber Muskateller)

 

Weingut Leth, Fels am Wagram

www.weingut-leth.at

Tipp: Simply Wow 2016 (rund 200 verschiedene Sorten!)

Weinviertel

Ingrid Groiss, Breitenwada

www.ingrid-groiss.at

Tipp: Braitenpuechtorff 2016 (Chardonnay, Müller-Thurgau, Welschriesling, Grüner Veltliner, Riesling, Grauburgunder, Pinot Blanc, Frühroter Veltliner, Neuburger, Zierfandler, Rotgipfler, Sämling, Roter Veltliner, Grauer Vöslauer, Weisser Vösler, Silberweisse)

 

Weingut Pfaffl, Stetten

www.pfaffl.at

Tipp: Symphonie 2016 (viel Grüner Veltliner, etwas Riesling, Sauvignon Blanc)

 

Weinbau & Heuriger Schüttkastenstüberl Urban, Wullersdorf

www.weinbau-urban.com

Tipp: Alte Tradition 2016 (Riesling, Grüner Veltliner, Chardonnay, Weissburgunder, Traminer)

Wien

Die Landeshauptstadt ist die Urheimat des Gemischten Satzes. Empfehlenswerte Winzer sind Mitglieder von WienWein wie Wieninger, Christ, Cobenzl, Fuhrgassl-Huber, Mayer am Pfarrplatz, Edlmoser.

 

Weingut Zahel

www.zahel.at

Tipp: Kaasgraben DAC (Grüner Veltliner, Riesling, Chardonnay, Weissburgunder, Grauburgunder, Traminer, Roter Veltliner, Neuburger, Sylvaner); rund zehn weitere GS im Sortiment.

 

Weingut Christ

www.weingut-christ.at

Tipp: Ried Wiesthalen Petershof DAC 2016 (Riesling, Weissburgunder, Chardonnay, Grüner Veltliner, Welschriesling von 30 Jahre alten Reben)

 

Weingut Wieninger

www.wieninger.at

Tipp: Nussberg 2015 DAC (Weissburgunder, Neuburger, Welschriesling, Grüner Veltliner, Sylvaner, Zierfandler, Rotgipfler, Traminer und Riesling). 

 

Weingut Hajszan Neumann

www.hajszanneumann.com

Tipp: Nussberg 2016 DAC (Grüner Veltliner, Riesling, Weissburgunder, Neuburger, Welschriesling, Muskateller). Das 20-Hektar-Weingut des Gastronomen Hajszan wurde 2014 von Fritz Wieninger übernommen.

 

Weingut Cobenzl

www.weingutcobenzl.at

Tipp: Ried Reisenberg DAC 2016 (Müller-Thurgau, Grüner Veltliner, Chardonnay, Weissburgunder, Traminer, Zierfandler, Gelber Muskateller, Welschriesling, Rheinriesling)

 

Fuhrgassl-Huber

www.fuhrgassl-huber.at

Tipp: Neuberg 68 DAC (Chardonnay, Weissburgunder, Grauburgunder)

 

Rotes Haus

www.rotes-haus.at

Tipp: Nussberg Preussen DAC 2016 (Grauburgunder, Weissburgunder, Chardonnay, Neuburger, Traminer)

 

Weingut Mayer am Pfarrplatz

www.pfarrplatz.at

Tipp: Nussberg 2015 DAC (Grüner Veltliner, Riesling, Rotgipfler, Zierfandler)

 

Weingut Lenikus

www.lenikus.at

Tipp: Bisamberg DAC 2015 (Grauburgunder, Chardonnay, Grüner Veltliner, Traminer, Sauvignon Blanc, Rotgipfler)

 

Weingut Edlmoser

www.edlmoser.com

Tipp: Ried Himmel-Maurerberg DAC 2016 (Riesling, Grüner Veltliner, Weissburgunder, Chardonnay, Sauvignon Blanc, Traminer, Grauburgunder, Zierfandler)

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