VINUM-Profipanel Gamay
Das grosse Gamay-Gipfeltreffen
Text: Thomas Vaterlaus, Fotos: Hans-Peter Siffert
6 : 0
Schweiz – Beaujolais
14 ausgewählte Gamays aus der Westschweiz und 11 prominente Beaujolais traten im VINUM-Profipanel gegeneinander an. Beim grenzüberschreitenden Gipfeltreffen belegten Schweizer Weine die ersten sechs Plätze. Überzeugten die helvetischen Crus mit Eleganz und Balance, so zeigten die Beaujolais etwas mehr eigenständigen Charakter und Temperament.
Beim Gamay ist die Schweiz eine Grossmacht! Nicht, was die Anbaufläche anbelangt, denn die ist mit 1300 Hektar gegenüber rund 20 000 Hektar im Beaujolais vergleichsweise gering. Doch bezüglich Qualität können die Westschweizer Crus locker mit den international weitaus bekannteren Gewächsen aus dem Beaujolais mithalten. Das ist das klare Fazit des grossen VINUM-Profipanels, bei dem die Gewächse aus der Westschweiz gleich die ersten sechs Plätze belegten. Die vor Beginn der Degustation von fast allen Verkostern geäusserte These, dass sich die Beaujolais-Weine terroirbedingt eher frischfruchtiger, temperamentvoller, säuerbetonter und kantiger zeigen, während die Gamays aus der Schweiz über mehr Früchtfülle, Schmelz und Würze verfügen, bestätigte sich nicht. Wie die Auswertung des Panels beweist, wurden ebenso viele Beaujolais-Gewächse als füllig wahrgenommen wie Gamays aus der Romandie, und auch die frische Stilistik ist in der Schweiz genauso gut vertreten wie im benachbarten Frankreich. Hier wie dort ist es das subtile Zusammenspiel von Winzer und Terroir, welche letztlich die Charakteristik der Weine prägt.
Renaissance des Charakterweins
Bis in die 90er Jahre hinein war der Gamay sowohl in der Romandie als auch in der Deutschschweiz ein ungemein populärer Alltagswein. Während er in der Schweiz oft als Teil von Cuvées wie Dôle (Wallis) oder Salvagnin (Waadt) abgefüllt wurde, importierte der Handel gewaltige Mengen von Beaujolais, zu einem grossen Teil als Offenwein, in die Schweiz. Ja, für die Beaujolais-Winzer war die Schweiz lange der wichtigste Exportmarkt, Crus wie Fleurie oder Moulin à Vent gehörten hierzulande zu den bekanntesten Ursprungsbezeichnungen. Erst gegen Ende des Millenniums hin wandten sich die Konsumenten fülligeren Gewächsen zu, es begann der Siegeszug von Primitivo und Tempranillo.
Dass heute der Gamay wieder eine Renaissance als Charakterwein erlebt, haben wir in der Schweiz engagierten Vorreitern wie Gérald Besse in Martigny, der Familie Hutin in Dardagny oder Jean-Michel Novelle in Satigny zu verdanken. Mit Selektionen von alten Reben gelingt ihnen das Kunststück, Gamay-Crus mit Charakter und Komplexität zu keltern, ohne dem Wein das zu nehmen, was in grundsätzlich auszeichnet, nämlich seine Frische und Subtilität. Im waadtländischen Lavaux hat eine Gruppe von Spitzenwinzern den hier alteingesessenen, aber fast ausgestorbenen Gamay-Klon Plant Robert (auch Plant Robez oder Plant Robaz genannt) gerettet und keltert aus dieser Varietät heute wieder höchst interessante Gewächse mit kernig-belebendem Charakter. Gleichzeitig haben die Genfer Winzer die Tradition der Gamay-Cuvée neu interpretiert.
Perfekte, leichte Stöffchen
Der L’Esprit de Genève wurde 2004 lanciert. Heute beteiligen sich 20 Winzer an dem Projekt. Die Assemblagen müssen zu mindestens 50 Prozent aus Gamay und zu weiteren 20 Prozent aus Gamaret oder Garanoir bestehen. Andere Sorten wie Merlot, Syrah oder Galotta werden ergänzend eingesetzt. Auch das Beaujolais ist aus seinem Dornröschenschlaf erwacht. Die Region profitiert von der allmählich wachsenden Nachfrage nach Leichtweinen. Und nicht nur das: Die Protagonisten der neuen, vegetarisch orientierten Spitzenküche schätzen Beaujolais-Gewächse als Essensbegleiter. Zudem hat die Naturwein-Szene, zu der sich auch etliche Beaujolais-Winzer zählen, dem Bistro- und Alltagswein per se neue Anhänger verschafft. Kein Wunder, denn das VINUM- Profipanel beweist: Gute Gamay-Weine sind perfekte Stöffchen zwecks Förderung der Leichtigkeit des Seins.
1395
wollte Herzog Philipp der Kühne von Burgund (1363 bis 1404) den Anbau des «unehrenhaften» Gamays verbieten. Glücklicherweise scheiter-te er mit diesem Vorhaben…
32 500
Hektar sind weltweit mit der Sorte Gamay bestockt, davon befinden sich rund 20 000 Hektar im Beaujolais. In der Schweiz wird die Sorte auf 1300 Hektar angebaut.
1951
begann der «Beaujolais Primeur»-Kult, der bis in die 90er Jahre anhielt, dann liess das Interesse am Jungwein nach. Heute erlebt der Beaujolais als Terroirwein eine Renaissance.
Die Jury
(von links nach rechts)
Roger Baumann Weinhändler, Zürich. Sein Favorit: Isabelle & Bruno Perraud, Vauxrenard (F), Beaujolais Fleurie 2014. Nicole Harreisser Redaktion VINUM Zürich. Ihr Favorit: Domaine Les Perrières, Peissy (CH), Gamay Genève 2016. Paul Liversedge MW Weinhändler und Consultant, Stallikon. Sein Favorit: Domaine Georges Descombes, Villié-Morgon (F), Beaujolais Morgon Vieilles Vignes 2014. Ursula Geiger Redaktion VINUM, Zürich. Ihr Favorit: Domaine des Terres Dorées, Jean Paul Brun, Charnay-en-Beaujolais (F), Beaujolais Moulin à Vent Les Thorins 2014. Hans Georg Babits Académie du Vin, Zürich. Sein Favorit: Les Frères Dutruy, Founex (CH), Gamay Grande Réserve Les Romaines 2016. Illona Tschopp Weinhändlerin, Basel. Ihr Favorit: Domaine Les Hutins, Dardagny (CH), Gamay La Briva Vieilles Vignes 2016. Beat Caduff Gastgeber, Zürich. Sein Favorit: Domaine Clotaire Michal, Saint Etienne la Varenne (F), Beaujolais-Village «La Napoléon» 2016. Thomas Vaterlaus Chefredaktor VINUM. Sein Favorit: Domaine Olivier Pittet, Fully (CH), Gamay Racines de Fully 2014. Nicole Vaculik Sommelière, Meersburg. Ihr Favorit: Les Frères Dutruy, Founex (CH), Gamay Grande Réserve Les Romaines 2016. Ivan Barbic MW Weinhändler, Zürich. Sein Favorit: Les Frères Dutruy, Founex (CH), Gamay Grande Réserve Les Romaines 2016. Sigi Hiss Weinjournalist, Bad Krozingen. Sein Favorit: Les Frères Dutruy, Founex (CH), Gamay Grande Réserve Les Romaines 2015. Sébastien Schwarz Kellermeister, Satigny. Sein Favorit: Domaine Blaise Duboux, Epesses (CH), Plant Robez 2015
Die Top-Scorer
1. Platz
Philippe Bovet, Givrins (Waadt)
Gamay Atlantique 2015
Selfmademan Philippe Bovet lässt seinen Top-Gamay, von dem jährlich nur 1500 Flaschen produziert werden, rund zehn Monate in der Barrique reifen. Das Resultat ist füllig, aber sehr trinkig zugleich.
2. Platz
Olivier Pittet, Fully (Wallis)
Gamay Racines de Fully 2014
Kompromisslos geht der junge Oliver Pittet seinen Weg. Sein biologisch angebauter Racines stammt von 30- bis 70-jährigen Stöcken aus vier Parzellen in Fully.
3. Platz
Emilienne Hutin, Dardagny (Genf)
Gamay La Briva Vieilles Vignes 2016
Diese Selektion von alten Reben, die in lehmhaltigen Molasseböden wurzeln, ist der Vorreiter einer neuen Generation von hochstehenden Gamay-Crus aus dem Kanton Genf.
Jury-Urteil Herkunft: Beaujolais (7/12)
Jury-Urteil Stilistik: leicht (9/12)
Christian Dugon, Bofflens (CH)
Côtes de l’Orbe AOC Gamay d’Arcenant 2015
17 Punkte
Frische Beerenfrucht, vor allem Kirschen und Pflaumen, aber auch Lakritze, etwas Pfeffer und blumige Noten. Im Gaumen feingliedrig strukturiert, aber mit vibrierender Säure, filigran und trinkig. 2018 bis 2021.
www.dugon.ch | 15 Franken
Jury Urteil Herkunft: keine Zuordnung
Jury Urteil Stilistik: keine Zuordnung
Cave Philippe Bovet, Givrins (CH)
Vaud AOC Gamay Atlantique 2015
17.5 Punkte
Vielschichtig, elegante Noten von frischen roten Beeren (Himbeeren), aber auch Pfeffer und Kräuter, gut integrierte Würze und mineralische Noten. Im Gaumen temperamentvoll, herrlich saftige Säure. 2018 bis 2025.
www.philippebovet.ch | 27 Franken
Jury-Urteil Herkunft: Schweiz (7/12)
Jury-Urteil Stilistik: leicht (10/12)
Domaine Le Satyre, Begnins (CH)
La Côte AOC Begnins Gamay Le Satyre 2016
16 Punkte
Verhaltenes, zartes Bouquet mit Noten von Johannisbeeren und Kirschen, auch eine Spur Waldboden und Pfeffer. Im Gaumen fruchtig und eher leicht. Anflug von Bittermandeln im Abgang. 2018 bis 2021.
www.lesatyre.ch | 14 Franken
Jury-Urteil Herkunft: Schweiz (7/12)
Jury-Urteil Stilistik: leicht (7/12)
Domaine Côtes de la Molière, Vauxrenard (F)
Fleurie AOC 2014
17 Punkte
Verhaltene Aromatik mit herbalen Noten, be-sonders marokkanische Minze, dahinter rote Beerenfrucht und Lakritze. Im Gaumen Anflug von süsser Frucht, dann temperamentvoll und dicht gewoben. Trinkig. 2018 bis 2022.
www.vinatur.ch | 25 Franken
Jury-Urteil Herkunft: Schweiz (7/12)
Jury-Urteil Stilistik: leicht (10/12)
Domaine Les Perrières, Peissy (CH)
Genève AOC Gamay 2016
17 Punkte
Intensive, aber dennoch subtile Aromatik mit Noten von roten Beeren, vor allem Erdbeeren, dann reife Kirschen, dazu Nuancen von Veilchen. Im Auftakt leicht rahmig, süsslich, gut strukturiert, dicht und geschmeidig. 2018 bis 2021.
www.lesperrieres.ch | 10.20 Franken
Jury-Urteil Herkunft: Schweiz (7/12)
Jury-Urteil Stilistik: füllig (9/12)
Laurent Perrachon, Juliénas (F)
Juliénas AOC Les Vignes Centenaires 2015
16.5 Punkte
Sehr dunkles Purpurrot. Reif und warm anmutende Aromen nach Erdbeerkompott und Cassis, dazu Lebkuchengewürz. Im Gaumen straff gewoben, mit gut eingebundener, Länge gebenden Säure. 2018 bis 2025.
www.bauraulacvins.ch | 24 Franken
Jury-Urteil Herkunft: keine Zuordnung
Jury-Urteil Stilistik: keine Zuordnung
Domaine Mermetus, Aran-Villette (CH)
Lavaux AOC Le Chant de la Terre Plant Robert 2015
16.5 Punkte
Noten von Weichseln, Pfingstrosen und roten Beeren. Im Gaumen dicht gewoben, mit präsentem, feinkörnigem Tannin und saftiger Säure. Pur und eigenständig. 2018 bis 2022.
www.mermetus.ch | 24 Franken
Jury-Urteil Herkunft: Schweiz (9/12)
Jury-Urteil Stilistik: leicht (11/12)
Domaine des Terres Dorées, Charnayen- Beaujolais (F)
Moulin-à-Vent AOC Les Thorins 2014
16 Punkte
Duftet nach Kräutern, Kernobst, auch Kirschkerne sowie ein Anflug von Laub, Teer, Unterholz und Pfeffer. Im Gaumen geprägt von kernigem Tannin und präsenter Säure. 2018 bis 2025.
www.suedhang.com | 28 Franken
Jury-Urteil Herkunft: Schweiz (9/12)
Jury-Urteil Stilistik: füllig (9/12)
Domaine Blaise Duboux, Epesses (CH)
Lavaux AOC Plant Robez 2015
17 Punkte
Animierende Aromatik mit frischen Kirschen, Heidelbeeren, dazu würzige und florale Noten (Veilchen). Im Gaumen vollmundig, fruchtbetont, mit cremiger Textur und angepasster Säure. 2018 bis 2025.
www.blaiseduboux.ch | 15 Franken