Alsenztal

Ein Tal hat Zeit

Text: Alice Gundlach

  • Weingut Schmidt: Andreas Schmidt (Mitte) mit Ehefrau Tatjana, Florian (l.), Nicole und Sebastian.
  • Walter Rapp und Brigitte Sitzius-Rapp, Weingut Rapp.

Das Alsenztal gehört geografisch zur Pfalz, zählt aber zum Anbaugebiet Nahe – und grenzt an Rheinhessen. Die Prägung ist für rheinland-pfälzische Verhältnisse sehr ländlich. Hier lassen sich reizvolle Weine entdecken.

«Im Alsenztal leistet man sich ein Turmuhren-Museum, um zu beweisen, dass die Zeit – allem Anschein zum Trotz – nicht stehen geblieben ist», schmunzelt Walter Rapp. Der Ebernburger Winzer nennt die 5500-Einwohner-Stadt Rockenhausen, wo das Museum steht, «die Kapitale» der Region – und damit ist schon viel gesagt.

Das Alsenztal ist der südlichste Zipfel der Anbauregion Nahe. An der Alsenz, einem Nebenfluss der Nahe, reihen sich heute kaum mehr als ein Dutzend Weingüter. Das war schon einmal anders – bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts stellte der Weinbau hier eine feste Grösse dar. Allerdings war er damals oft Teil von landwirtschaftlichen Gemischtbetrieben. Wer heute hier Wein macht, will es wirklich. Aus dem Terroir und dem milden, trockenen Klima lässt sich auch einiges machen, aber nur durch harte Arbeit. Viele Steillagen mit kargen Vulkanböden schaffen eine gute Voraussetzung für mineralische Weine, erfordern aber Handlese. Dazu kommt, dass die Weinbergsparzellen hier oft klein und weit voneinander entfernt sind.

Trotz dieser Widrigkeiten pflegen viele Winzer im Alsenztal sogar eine Tradition, die man in Deutschland nur noch selten antrifft: den Gemischten Satz. Ein bemerkenswertes Beispiel für diese Tradition mit mehreren Rebsorten in einem Weinberg, die zusammen gelesen und vinifiziert werden, ist der Oberndorfer Beutelstein Riesling und Roter Traminer Spätlese feinherb vom Weingut Hahnmühle in Mannweiler-Cölln. Er besticht durch Saftigkeit, Frische und feine Säure bei geringem Alkoholgehalt. Das verdankt er den Tonschieferböden, betont Martina Linxweiler, die mit ihrem Mann Peter das Weingut betreibt: «Wenn Traminer auf Löss-Lehm-Boden angebaut wird, wird er fett und breit. Aber auf unseren kargen Böden gerät auch er fein und elegant.» Ein anderer Paradewein des Weingutes ist der im Holzfassgereifte Riesling Alisencia aus dem Alsenzer Elkersberg. Diese Lage bewirtschaften die Linxweilers exklusiv.

Wiesen, Wald und Weinberge

Auf die Frage, was das Alsenztal ausmache, antwortet Winzer Andreas Schmidt mit gespielter Entrüstung: «Wir sind hier nicht im Alsenztal, sondern im Moscheltal!» Denn Obermoschel, wo er und seine Frau Tatjana ihr Weingut haben, liegt an dem Nebenflüsschen Moschel – und hier herrschen, wie so oft im Lokalen, gewisse Abgrenzungswünsche gegenüber den Nachbarn. Trotzdem wird der Ort zur Region Alsenztal gezählt, und deshalb will auch Andreas Schmidt mal nicht so sein: «Es gibt hier keine arrondierten Flächen wie im Kreuznacher Raum, sondern Wiesen, Wald und Weinberge wechseln sich ab.» Es ist ein Leben und Wirtschaften mitten in der Natur. Das klingt erst einmal romantisch, hat aber auch seine Tücken: «Wenn mal eine Rotte Wildschweine durch den Weinberg gezogen ist, kann man danach kaum noch erkennen, dass man da vorher einmal Trauben hatte.» Sein Paradewein ist die Norheimer Dellchen Riesling Spätlese trocken. Sie wächst auf rötlichem, tiefgründigem Gestein. «Den Wein zeichnet eine besonders gut eingebundene Säure aus», erklärt Andreas Schmidt. Er ist Winzer in siebter Generation, und die achte hat sich schon auf den Weg gemacht: Sein ältester Sohn Sebastian (20) beendet demnächst seine Winzerlehre, danach will er zum Weinbaustudium an die Hochschule Geisenheim.

Gerade von der Weinbau-Hochschule gekommen ist Barbara Wollschied. Die 23-Jährige ist zurück im Weingut ihrer Eltern, dem Steigerhof in Altenbamberg –allerdings mehr auf der Durchreise, denn Praktika in Südtirol und Neuseeland sind schon gebucht. «Eigentlich wollte ich zuerst gar nicht in den Weinbau», gesteht sie. «Ich habe nach dem Abi ein Praktikum in einer örtlichen Brauerei gemacht und mich dann für den Studiengang Getränketechnik eingeschrieben.» Doch gerade erst in Geisenheim angekommen, kam der Sinneswandel. Nach nur vier Wochen wechselte sie zum Weinbau, und schon während des Studiums machte sie ihren ersten eigenen Wein, den 100 Prozent BW Weisser Burgunder. «Ich habe alles selbst gemacht, den Ertrag bestimmt und nur das beste Lesegut selektiert.» Dann füllte sie einen Teil in Barriques ab, den Rest in Edelstahltanks. Sogar das Etikett hat sie selbst gestaltet.

Neben Riesling und Gewürztraminer hat im Steigerhof der Frühburgunder einen besonderen Stellenwert. «Er ist im Sortiment, seit mein Urgrossvater das Gut vor über 90 Jahren kaufte», berichtet Barbara Wollschied. Ihr Vater Josef entwickelte die Methode, nach der dieser frühreife Rote heute im Gut ausgebaut wird: Zunächst kommt er für zwei Jahre ins Holzfass, dann reift er ein weiteres Jahr in der Flasche. Und er wird nur in den besten Jahrgängen erzeugt – zuletzt 2011. Auch Winzer Walter Rapp lässt seine Rieslinge aus Südhanglagen wie Ebernburger Schlossberg, Ebernburger Stefanberg oder Altenbamberger Rotenberg gerne etwas länger reifen, bevor er sie in Flaschen abfüllt. «Sie brauchen eben ein bisschen, bis sie auf den Punkt sind. Dann steht die Säure, die durch die Tonschieferböden gepuffert ist, auch geradlinig», erklärt er. Denn auch wenn die Zeit im beschaulichen Alsenztal nicht stehengeblieben ist: Man muss sie auch einmal gewähren lassen.

vinum+

Weiterlesen?

Dieser Artikel ist exklusiv für
unsere Abonnenten.

Ich bin bereits VINUM-
Abonnent/in

Ich möchte von exklusiven Vorteilen profitieren