Freixenet: Hinter den Kulissen
Die Firma
Text: Eva Dülligen
Jeder zweite Korken, der weltweit aus einem Cava knallt, knallt aus einer Freixenet-Flasche. Das spricht nicht unbedingt für High-End-Qualität. Die Macher der katalanischen Schaumwein-Firma lassen das Image der Mittelmässigkeit jedoch mit prickelnden Argumenten an sich abperlen.
Es gibt Seehecht in Meersalzkruste. Um den Tisch vom Ausmass einer Buckingham-Palast-Speisetafel rotiert routinierter Service und giesst jahrelang gereifte, bernsteinfarbene Kunstwerke in Sektflöten. «Hauptsächlich sind es die Aficionados, die unsere Reservas kennen. Die meisten verbinden Freixenet mit Carta Nevada, den es in jedem Supermarkt gibt. Das müssen wir ändern», erklärt Pedro Ferrer Noguer. Der Mittfünfziger leitet seit 1998 die Geschicke des Familienunternehmens und erwirtschaftet mit 200 Millionen verkauften Flaschen rund eine halbe Milliarde Euro Umsatz im Jahr. Einen grossen Batzen davon generiert der «traditionsreiche Botschafter Carta Nevada» oder besser: der unkomplizierte Schaumwein, der so aussieht, als käme er direkt aus der Gefriertruhe. Was ausser diesem Dauerbrenner hinter der Modernisme-Fassade in der Cava-Metropole Sant Sadurní d’Anoia heranreift, ahnen wenige.
Der 160 000 Quadratmeter grosse Kalksteinkeller unter dem Hauptgebäude birgt Nischen, in denen eine ausgereifte Range das Vorurteil der Massenware durchbricht: reinsortige DO-Cavas aus Malvasía oder Trepat, Pinot-Noir-Rosés und ein Reserva-Schaumweinpool mit freiwillig verlängerter Reifezeit. Wie beim Reserva Real, der statt vorgeschriebener 18 Monate ganze zweieinhalb Jahre seine Flaschengärung durchlebt und aus unseren Gläsern Orangenzesten, nasses Laub und Trüffel steigen lässt. Ein Viertel der Assemblage kommt vor der Flaschengärung in Walnussfässer, was den toastigen Aspekt erklärt.
Auf nach Nordkorea!
So komplex diese Cuvée, so ausgefeilt ist das Marketingkonzept der Riesen-Bodega, 45 Kilometer nordwestlich von der katalanischen Hauptstadt Barcelona. Man hat die Reblausplage, den spanischen Bürgerkrieg und die Franco-Diktatur überstanden, hat bereits 1861, als man noch unter Casa Sala firmierte und Stillwein produzierte, neue Märkte in Argentinien und Kuba erschlossen. Genauso flexibel begegnet Freixenet heute der Finanzkrise: «In Spanien ist kein grosses Geschäft mehr zu machen», sagt Pedro Ferrer. «Umso besser, dass wir in 150 Länder exportieren. Heute kam die erste Order aus Nordkorea. Unser Wettbewerbsvorteil ist die Produktpalette von koscheren Cavas über fruchtsüsse Moscato-Schaumweine für Einsteiger bis zu unserer Jahrgangsperle, dem Gran Reserva Casa Sala.»
Zwischen dem frisch gelaunchten Mia Moscato, der mit 22 Gramm Restzucker pro Liter an die Grenze des guten Geschmacks klopft, und dem Brut Nature Casa Sala liegen schäumende Ozeane. Das neue Boutique-Weingut der Cava-Dynastie Ferrer, ein penibel restauriertes Gehöft aus dem vorvorletzten Jahrhundert, ist allein dem Projekt Casa Sala vorbehalten. Der lachsfarbene Bau in Sant Quinti de Mediona haucht ordentlich Respekt ein. Im Keller, neben einer uralten E.-Dubois-Presse, die einst in der Champagne Trauben für Dom Perignon zerquetschte, wartet Chefönologe Josep Bujan: «Ich bin 40 Jahre lang in die Champagne gefahren, um da zu spionieren, habe lange bei Moët gearbeitet. Das Blatt hat sich gewendet. Jetzt kommen die Franzosen nach Penedès.»
Die Cuvée aus Xarel-lo und Parellada entsteht hier unter Bedingungen, die auch in der französischen Schaumwein-Hochburg nicht selbstverständlich sind. Handgelesene Trauben von bis zu 60 Jahre alten Rebstöcken landen in der alten Holzpresse. Aus 5000 Kilo werden pro Charge 2500 Liter Most gekeltert, lediglich der Vorlauf wird verwendet. Für die Mikrogärung kommt jede Pressung in getrennte kleine Tanks, so dass ein extrem differenziertes Verschneiden möglich ist. Manuelles Rütteln während der Flaschengärung zum Absenken der abgestorbenen Hefezellen und eine 50-monatige Reife sollen dem Gran Reserva ebenso zum signifikanten Bouquet verhelfen wie der Naturkorken als Flaschenverschluss während der zweiten Fermentation. Normalerweise übernimmt diese Aufgabe ein Kronkorken, der zum Auffangen des Depots innen eine Plastikkapsel trägt. «Diese Verschlusstechnik findet man selbst in der Champagne nur noch selten, etwa bei Bollinger», erklärt Josep Bujan. «Der Naturkorken macht einen dosierten Sauerstoffaustausch möglich. Für die Bildung der Aromen ist das ein ausschlaggebendes Detail.»
Dass die Schaumweinwunder für volksnahe 35 Euro nicht in irgendwelche Flaschen abgefüllt werden, sondern in solche, deren Form und Etikett Freixenet-Originalen von 1935 nachempfunden wurden, versteht sich von selbst. Den Deckel im Drahtgestell zieren optional vier historische Protagonisten des Unternehmens. Dahinter kann sich der mattierte Carta Nevada dreimal verstecken.
Cavas von Freixenet - Prickeln auf hohem Niveau
Trepat Cuvée de Prestige 2011
Seine filigrane Perlage lässt kaum erahnen, wie stark der Aromenauftritt ist, der vollreife Erdbeere mit einer Marzipandecke verströmt. Am Gaumen kein bisschen dropsig, sondern präsent und mit vielen Kontrasten.
Preis: ca. 10 Euro
Elyssia Pinot Noir Brut DO Cava
Aus der Schaumweinflöte klettert quasi die Costa Brava, als sässe man am Strand von Sitges und söge nasse Muschelschalen und Seesalz ein. Auch den Gaumen packt der schäumende Pinot mit maritimen Aspekten, die dann freizügig Nuancen von Himbeeren und Korinthen Platz machen. Angenehm fruchtiger Nachhall.
Preis: ca. 17 Euro
Casa Sala Gran Reserva 2005
Der goldene Tropfen wird von einem Duftmantel aus Haselnuss, Zitronenthymian und Eisenkraut umschlungen. Cremige Mousse schmiegt sich wie Limonenschaum an die Geschmackspapillen. Die toastige Komponente speist sich aus dem partiellen Ausbau in slowenischer Eiche und der 50-monatigen Hefereifung.
Preis: ca. 35 Euro ab Bodega