Schweizer Biowinzer des Jahres 2017 Marco Casanova

Der Zauberer vom Walensee

Text: Thomas Vaterlaus

  • Bioidylle zwischen Felswand und See: In den Terrassen-Rebgärten der Lage Seemühle reifen einige der Top-Crus von Marco Casanova.

Zwischen den mächtigen Felswänden der Churfirsten und dem idyllischen Walensee bewirtschaftet der 49-jährige Marco Casanova rund fünf Hektar Reben in spektakulären Steillagen. Mit biodynamischem Anbau, Vergärung mit Naturhefen und minimaler Schwefelung entstehen Crus mit grossem individuellem Ausdruck.

Spirituell veranlagte Menschen würden von einem Kraftort sprechen. «Kaliforni» (zu Deutsch «Kalkofen») haben einst jene italienischen Arbeiter diesen Winkel am nordöstlichsten Zipfel des Walensees genannt, die vor 100 Jahren hier Kalk abgebaut und gebrannt haben. Viel Kalk im Boden ist gut für die Burgundersorten, und die Lagen-Pinots sowie der Chardonnay sind denn auch die Parade-Weine von Marco Casanova, mit denen er an der diesjährigen Ausgabe des Schweizer Bioweinpreises von VINUM und Bio Suisse in den Kategorien der Traditionellen Rebsorten weiss und rot die höchsten Bewertungen erreicht hat. «Wenn ich zu den Felsen der Churfirsten hinaufschaue, denke ich oft an den Machu Picchu in Peru», sagt Eleni Meyer, die Lebensgefährtin von Marco Casanova, die neben dem Terrassen-Rebberg in «Kaliforni» (die offizielle Lagenbezeichnung heisst allerdings Seemühle) eine Outdoor-Lounge mit luftig-mediterranem Feeling eingerichtet hat. Tatsächlich spriesst saftig grünes Buschwerk aus den Felsspalten und ergibt im Kontrast mit dem Indigoblau des Walensees ein fast schon exotisches Farbenspektrum. Zwischen den Rebreihen in Walenstadt wachsen Feigen- und Kiwibäume. Und wilder Thymian, Rosmarin und Minze verbreiten einen fast schon provenzalisch anmutenden Garrigue-Duft. «Die nach Süden ausgerichteten Steillagen von Walenstadt gehören sicher zu den wärmsten Lagen nördlich der Alpen. Allerdings sorgen die kühlen Fallwinde von den Churfirsten allabendlich für willkommene Abkühlung», sagt Marco Casanova. Mit seinem Zuzug im Jahr 2014 hat sich Walenstadt übrigens endgültig zu dem neuen Bio-Hotspot entwickelt. Mit Bosshart + Grimm ist hier ein zweiter Vorreiter-Betrieb der Schweizer Bioweinszene zu Hause. Und auch die dritte Kellerei im Ort, die selber abfüllt, das Weingut Calvinza von Jürg Steinmann, arbeitet kontrolliert biologisch.

Von den leeren zu den vollen Flaschen

Marco Casanova kam auf Umwegen zum Wein. Als Maschinenmechaniker und Informatiker betreute er Anfang der 90er Jahre noch Rückgabeautomaten für Pfandflaschen. Sein Vorgesetzter, ein Weinfreak, schenkte ihm ab und zu eine Flasche Wein. Darunter waren Gewächse wie der Chardonnay Löwengang von Alois Lageder, die ihn schliesslich dazu bewogen, beruflich von den leeren zu den vollen Flaschen zu wechseln. Er absolvierte eine Winzerlehre im Weingut zum Sternen in Würenlingen und arbeitete danach unter anderem fünf Jahre lang beim Weingut Mas du Soleilla von Peter Wildbolz. Zusammen mit Thomas Mattmann führte er danach das Weingut Cicero in Zizers zum Erfolg und leitete dann nach dessen tragischem Freitod das Weingut für zwei Jahre. Auch nach Walenstadt kam er aufgrund eines tragischen Ereignisses. Daniel Eberle, der vorherige Besitzer des Weingutes, verunglückte 2012 mit seinem Raupenfahrzeug im Rebberg.

Seit 2014 bearbeitet nun Marco Casanova die Weinberge des Gutes, und nachdem er 2015 endgültig die Leitung des Betriebes übernommen hatte, begann er sofort mit der Umstellung auf biodynamischen Anbau nach Demeter-Richtlinien. Und feierte mit Super-Jahrgang 2015 einen perfekten Einstand. Sein teilweise in gebrauchten Barriques ausgebauter Sauvignon Blanc Seemühle zeigt trotz Vergärung mit rebbergseigenen Hefen glasklare Aromen von Stachelbeeren und Holunderblüten und erfrischt mit seiner geradlinigen, knackigen Art. Der Chardonnay Seemühle orientiert sich ganz an der burgundischen Schule. Nebst feinen Zitrusfruchtnoten finden wir in diesem Wein auch eine ausgesprochen salzig-harzige Komponente. Es ist ein komplexer, dicht gebauter Wein, getragen von einer saftigen Säure mit viel Schmelz. «Ich suche immer nach dem Filigranen und dem Feinfruchtigen», sagt Marco Casonova und tatsächlich vertreten alle seine Crus exakt dieses Credo. Das gilt auch für seine vier Pinots, die er ebenfalls nach burgundischer Manier nach dem Einzellagen-Konzept ausbaut. Der Pinot Noir Fürscht 2015 etwa, der zu 20 Prozent mit den Rappen vergoren worden ist, überrascht zuerst mit seiner hellen ziegelroten Farbe und einer subtilen, eigenständigen Aromatik, bei der neben roten Beeren auch Noten von Nelken, Rosenblättern, Liebstöckel und Würzkräutern mitschwingen. Vor allem aber begeistert diese Cru mit ihrem animierenden Trinkfluss.

Die Lounge am See

Dass sein Projekt trotz dieses Traumstarts ein Jahr später in Schwierigkeiten geriet, hat mit äusseren Umständen zu tun. Frost, Verrieselung, Schäden durch die Kirschessigfliege und Mehltau-Attacken führten 2016 zu einem 30-prozentigen Ernteausfall. Weil gleichzeitig auch besondere Investitionen in Gerätschaften und Maschinen getätigt werden mussten, entstanden Liquiditätsprobleme. Doch mit einem zinslosen Darlehen und seinem Crowdfunding-Projekt «100-Days», das letztlich mehr als die angestrebten 60 000 Franken einbrachte, stellte er sein Jungunternehmen wieder auf solide Füsse. Noch wichtiger ist: «Durch die Aktion entstanden so viele Begegnungen und Ideen, dass ich nun sehr zuversichtlich in die Zukunft blicke», sagt Marco Casanova. Und er wagt diese Aussage, obwohl er dieses Jahr erneut Frostschäden hinnehmen muss. Mit seiner Lebenspartnerin Eleni Meyer möchte er die schon bestehende Lounge beim Seemühle-Rebberg erweitern und für das Publikum öffnen. Mit Tapas-Kreationen zu den Casanova-Weinen. Keine Frage: Wer einmal hier gesessen hat, unter den monumentalen Felswänden der Churfirsten und mit Blick auf den blauen See, wird nicht nur diesen besonderen Ort, sondern auch diesen besonderen Winzer und seine besonderen Weine nicht mehr so schnell vergessen.

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