Dem Bio-Trend auf der Spur

Schmeckt irgendwie ...bio!?!

Text: Felix Bodmann

Bio boomt, zumindest im Weinbau. Immer mehr Winzer erzeugen ihre Weine nach ökologischen Richtlinien. Und immer mehr Weinfans fragen sich: Kann man «bio» schmecken? Zeit für eine Spurensuche.

Ökologischer Weinbau trotzt dem Trend: Während in der gesamten deutschen Landwirtschaft der Bio-Flächenanteil bei 6,5 Prozent stagniert, liegt er im Weinbau bei 7,5 Prozent und steigt rapide weiter. Und es sind keine Jesuslatschen-Träger, die da Molke und Brennnesseltee statt synthetischer Fungizide spritzen, sondern bekannte Mitglieder der deutschen Winzerelite wie Philipp Wittmann oder Peter Jakob Kühn. Während ideologische Grabenkämpfe über das Thema «bio» im deutschen Weinbau weitgehend überwunden sind, kommt es bei einer Frage immer noch zu hitzigen Diskussionen. Kann man «bio» schmecken und wenn ja: Wie schmeckt «bio»? VINUM hat sich auf die Suche gemacht. Drei Winzer, die gerade die dreijährige Umstellung auf bio durchlaufen haben, stellten uns Weine zur Verfügung: gleiche Lage und Rebsorte, vergleichbare Jahrgänge vor und nach der Umstellung. Viele nutzen die Bio-Umstellung aber auch für weitere Veränderungen im Betrieb.

«Wir haben im Zuge der Bio-Umstellung vermehrt auf Spontangärung gesetzt. Allerdings war das eine nicht an das andere gekoppelt, sondern fiel einfach zeitlich zusammen», erklärt Boris Kranz vom gleichnamigen Pfälzer Weingut. 2016 ist sein erster Jahrgang unter offiziellem Bio-Siegel. Kranz ist ein durch und durch unaufgeregter Mensch, der den Aufwand eher kleinredet. «Für uns war die Umstellung ein überschaubarer Aufwand. Wir mussten nur noch den Pflanzenschutz umstellen.» Kranz’ Vater folgte schon in den 1990ern den damals geltenden Standards des Kontrolliert Umweltschonenden Weinbaus (KUW), eines Bio-Vorläufers. Dabei hatte es auch die vermeintlich kleine Umstellung in sich. «2014 habe ich zum falschen Zeitpunkt Molke gespritzt und böse Blattverbrennungen an den Reben bekommen. Da habe ich schon eine Weile überlegt, ob ich das Projekt nicht abbreche», erinnert sich Kranz an einen kritischen Moment in der Übergangsphase. Aus dem für Kranz Meilenstein-Jahrgang 2012 stammten die beiden Weine, die wir aus der Vor-Bio-Zeit verkosteten und neben aktuelle 2016er stellten. Der Silvaner vom Ton und das Grosse Gewächs vom Weissburgunder Kalmit zeigten über beide Jahrgänge eine würzig-mineralische Tiefe, die den Verkostern manchen Gänsehautmoment bescherte. Beide haben dabei in der gereiften Variante etwas mehr Alkohol und im aktuellen Jahrgang deutliche Spontangäraromen. Das eine ist aber jahrgangs-, das andere machartbedingt. «Wir haben keine dauerhaften Veränderungen unserer Trauben bemerkt, aber wir waren halt vorher schon sehr nah an bio», erklärt Kranz. Er widerlegt auch die oft gehörte Behauptung, in der Anfangsphase leide die Qualität. «Das ist Unsinn. Als guter Winzer sorgt man dafür, dass man nur reife und gesunde Trauben in den Keller bringt und da macht man auch während der Bio-Umstellung keine Abstriche. Bei uns hat die ökologische Bewirtschaftung entgegen unserer Erwartung die Erträge ein bisschen gedrückt, allerdings im überschaubaren Rahmen. Es überwiegen ganz klar die Vorteile. Wir werden deshalb dabeibleiben.»

Chemie zurückhaltend eingesetzt

Doch was sind die Vorteile, wenn es keinen schmeckbaren Qualitätssprung gibt? «Ich habe mich bei der Arbeit im Weinberg einfach sehr wohl gefühlt.» Christoph Klopfer beschreibt etwas, was man so oder ähnlich von allen Öko-Winzern hört. «Mein Lehrbetrieb in der dualen Ausbildung, Bassermann-Jordan, war Bio-zertifiziert. Lebendige Weinberge sind Wohlfühl-Oasen. Das wollte ich im elterlichen Betrieb auch haben.» Dieser liegt im Remstal, der Württemberger Region mit einer hohen Dichte an Spitzenerzeugern (unter anderem Haidle, Aldinger, Schnaitmann) – und Bio-Winzern. «Es war nicht schwer, meinen Vater zu überzeugen. Er war Neuem gegenüber schon immer aufgeschlossen. Ausserdem waren wir nie mit dem kompletten Chemie-Baukasten im Weinberg unterwegs», erinnert sich Klopfer. Die Umstellung alleine war aber nur ein Teilprojekt. «Wer Lagentypizität herausarbeiten will, der darf die Weinbergsböden nicht mit Kunstdünger und Golfrasen gleichmachen. Es geht nicht nur um die Gesteinsunterlage, sondern auch um Flora und Fauna einer Lage. Wir hatten im elterlichen Betrieb die Einzellage weitgehend aus dem Produktionsprozess gestrichen. Nachdem ich bei Bassermann-Jordan gesehen hatte, wie bereichernd Lagencharakteristik für den Wein sein kann, war mir klar: Wir müssen vieles wieder anders machen.» Also änderte sich im Zuge der Umstellung das gesamte Sortiment. Sogar der Extremfall trat ein: die Rodung eines Weingartens samt Bepflanzung mit pilzwiderstandsfähigen Neuzüchtungen (Piwis). «Mein Opa hat eine Parzelle mit Trollinger im Cannstatter Zuckerle ins Weingut eingebracht. Der ist im Pflanzenschutz problematisch und die Parzelle weit weg vom Weingut. Die hätten wir eigentlich abgeben müssen», erinnert sich Klopfer. Aber Opas Parzelle gibt man nicht ab. Also fand Klopfer, der auf faszinierende Art jugendlichen Überschwang mit dem Gespür fürs Machbare in sich vereint, eine biofähige, innovative und trotzdem wirtschaftlich tragfähige Lösung. «Wir haben Piwis gepflanzt, die einen kräftigen Rotwein ergeben und ohne Pflanzenschutz auskommen.» Klopfers Piwis haben bisher nur eine Zuchtnummer, keinen Namen. Der Wein jedoch heisst Mauerpfeffer, nach einer Pflanze, die sich erst durch die Bio-Umstellung wieder in der terrassierten Steillage ansiedelte. Etliche Preise hat der Mauerpfeffer Christoph Klopfer eingebracht – und fand sich trotzdem nicht auf unserem Probentisch. Denn da standen Weine, von denen sich noch ein vergleichbarer Vertreter aus der Zeit vor der Umstellung fand. «Ich habe mir von der Bio-Umstellung geschmackliche Verbesserungen erhofft. Die sehe ich auch Schritt für Schritt eintreten, wobei die Zertifizierung nur ein Zwischenschritt ist. Die Entwicklung geht weiter», fasst Klopfer seine Erfahrungen zusammen. Weniger Primärfrucht und mehr Boden hatte er erwartet. «Unsere Weine werden langsamer: Wir haben zunehmende Maischestandzeit, längeres Hefelager, mehr Zeit bis zur Füllung. Die Weine kommen also auch später auf den Markt, wenn sie die kräftigste Primärfrucht schon hinter sich haben.» Die vielen Veränderungen machten den Vergleich der Rieslinge schwer, auch beim Spätburgunder dominierte die Machart. Beim Lemberger allerdings horchten wir auf: Da war der 2011er noch eine typische Fruchtbombe, Typ «Sonne in Flaschen», wo der 2014er Lemberger Greiner eine feinkörnige Phenolik zeigte und vordergründigen Charme gegen viel Potenzial eintauscht. Ist das der Geschmack von bio? Wir hatten eine erste Spur.

Verhaltensauffälliger Hund «Peronospora»

«Wir sind ein bisschen fremdumgestellt worden», beschreibt Mark Barth aus Eltville den Start seiner Bio-Karriere. Sein Nachbar und VDP-Kollege Hans Lang hatte den Betrieb gerade auf bio umgestellt und angeboten, den ökologischen Pflanzenschutz auch für ihn zu übernehmen. Am Ende des biofreundlichen Jahrgangs 2011 war Barth vom Ergebnis begeistert. «Diese gesunden, dickschaligen Trauben waren eine reine Freude.» In der Folge musste er erkennen, dass 2011 ein Ausnahmejahr war. Unter hiesigen klimatischen Bedingungen auf biologische Bewirtschaftung zu wechseln, fühlt sich gelegentlich an, als hole man sich einen verhaltensauffälligen Hund aus dem Tierheim – mit der Ruhe ist es in weiten Teilen vorbei. Und der Hund hat einen Namen: «Peronospora». «Als Bio-Winzer musst du genügend Personal und Maschinen aufbauen, um gleich deine gesamte Weinbergsfläche innerhalb eines Tages bearbeiten zu können», bringt der akribisch arbeitende Perfektionist, dem die Lockerheit aber nicht verloren gegangen ist, die Anforderungen auf den Punkt. Die Wetter-App auf dem Smartphone ist des Bio-Winzers ständiger Begleiter. «Wir sind im Rheingau in der jüngeren Vergangenheit hart auf die Probe gestellt worden und hatten uns etwas weniger Ertragsrückgang erhofft.» Fragt man ihn, was ihn motiviert hat, trotzdem weiterzumachen, sagt er den Satz, den jeder Bio-Winzer irgendwann sagt: «Du bist bei der ökologischen Bewirtschaftung ganz nah dran an der Rebe.» Wer mit Bio-Winzern spricht, dem kommt irgendwann das Wörtchen «Liebe» in den Sinn. Dafür spricht auch, dass es im Weinbau – anders als in der konventionellen Landwirtschaft – so gut wie keine Rückumsteller gibt.

Und Liebe mündet in Qualität. Das Wein- und Sektgut Barth gehört zu den Aufsteigern der letzten Jahre. «Unsere Weine sind filigraner geworden», sagt Barth, der sich sicher ist: «Bio kann man schmecken.» Bei den Sekten muss er sich allerdings noch in Geduld üben. «Jeder Tropfen Reservewein muss bio sein, genau wie die Dosage. Ob des teilweise langen Hefelagers kommen bei uns immer noch Sekte aus der Vor-Bio-Zeit in den Verkauf.» Das ist gestattet, solange die Sekte kein Öko-Label tragen. Vier Riesling GGs probierten wir: Wisselbrunnen aus 2010 und 2016 sowie Hassel aus 2008 und 2015. Das sind teils extreme Jahre und stilistisch diverse Weine, da der Jahrgang 2016 bei Barth den biologischen Säureabbau durchlaufen hat. Doch wieder fanden wir eine ausgeprägtere, feinkörnige Phenolik in den jungen Jahrgängen. Das passt zur dickeren Schale der lockerbeerigen Bio-Trauben. Und wie bei den anderen Weingütern fanden wir in den jungen Weinen einen qualitativen Fortschritt.

Ist das der Geschmack von bio? Zarte Phenolik, die viele auch mit Mineralien und dem Boden in Verbindung bringen? Oder einfach nur besserer Wein dank eines tieferen Verständnisses der eigenen Reben? Die Wissenschaft spielt zumindest hinsichtlich der Phenolik den Party Pooper: «Die dickschaligeren Beeren sind Ergebnis offenerer Laubwände und verbesserter Belichtung der Trauben. Sie können den Effekt noch verstärken, wenn die Traubenzone gezielt entblättert wird» erklärt Prof. Randolf Kauer von der Weinuni in Geisenheim. Die Bio-Rebe wächst meist von alleine so, doch auch konventionelle Winzer können die Laubwand bearbeiten – und trotzdem Fungizide spritzen.

Andererseits: Das ist, als werfe man sich in aufwändige Abendgarderobe, nur um sich doch wieder vor den Fernseher zu setzen. Das macht doch niemand. Die Wissenschaft lässt dieses Argument zu Recht nicht gelten. Wir schon. Deswegen lautet unsere Zusammenfassung: Wir konnten bio schmecken. Was es nun genau war, das müssen wir offenlassen. Suchen Sie sich etwas aus: Liebe oder Laubarbeit.

Weingut Kranz, Pfalz
Weissburgunder GG Kalmit 2016

18 Punkte | 2020 bis 2026

Noch sehr reduktive Nase, am Gaumen feine Säure und grosse Komplexität: Frucht, Mandel und Feuerstein. Fächert im Abgang enorm auf und wirkt extrem lang nach.

Preis: 28 Euro | www.weingut-kranz.de

 

 

Wein- und Sektgut Barth, Rheingau
Riesling GG Hassel 2015

17.5 Punkte | 2020 bis 2027

In der leicht reduktiven Nase viel Frucht, am Gaumen sehr trocken, sehr fest, mit feiner Frucht und Malz sowie feiner Phenolik, die den sehr langen Abgang dominiert.

Preis: 35 Euro | www.weingut-barth.de

 

 

Weingut Klopfer, Württemberg
Lemberger Greiner 2014 

16.5 Punkte | 2020 bis 2024

In der Nase und am Gaumen rote Frucht und Pfeffer, spürbare Säure, viel Zug und feinkörniger Gerbstoff, braucht Luft oder besser noch etwas Flaschenreife.

Preis: 26 Euro | www.weingut-klopfer.de

 

 

10 Bio-Mythen

Über Bio-Weine sind viele Geschichten im Umlauf, von denen einige halbwahr, andere völliger Blödsinn sind. Hier sind die populärsten Irrtümer.

1. Bio-Winzer spritzen die Reben nicht
Falsch. Bio-Winzer spritzen lediglich keine synthetischen Pflanzenschutzmittel, sondern Pflanzenstärkungsmittel wie Pflanzensud, natürliche Präparate wie Molke oder Backpulver und die für den Bio-Weinbau zugelassenen Wirkstoffe Kupfer und Schwefel.

2. Bio-Winzer spritzen viel häufiger als konventionelle Winzer
Halbwahr. Bio-Präparate haben oft nur eine eingeschränkte Wirkungsdauer. Öko-Winzer erzielen mit ihren Spritztouren also weniger lang andauernde Wirkungen. Herbizidspritzungen fallen weg. In Summe fahren Bios in einem normalen Jahr durchschnittlich ein Mal mehr zum Spritzen in den Weinberg als konventionelle Kollegen. «Viel häufiger» ist das nicht, aber häufiger.

3. Bio-Weine entstehen immer in Handarbeit
Falsch. Es gibt für jeden Arbeitsschritt Maschinen, auch im ökologischen Weinbau. Allerdings ist bei der Bearbeitung des Unterstockbereichs (die Fläche rund um den Stamm des Rebstocks) hierzulande meistens Nacharbeit per Hand nötig, um Herbizide wie Glyphosat zu ersetzen.

4. Bio-Winzer verzichten auf Stickstoffdüngung
Halbwahr. Sie bringen keinen synthetischen Stickstoff aus. Über Kompost und eine Begrünung mit Pflanzen, die Stickstoff aus der Luft im Boden binden, erfolgt eine schonende Stickstoffdüngung.

5. Bio-Weine sind immer spontan vergoren
Falsch. Reinzuchthefen zertifiziert ökologischer Herkunft sind für die Weinbereitung zugelassen.

6. Bio-Weine sind vegan und vegane Weine sind Bio
Falsch. Molke- und Milchprodukte sind als Spritzmittel zugelassen. Gelatine, Eiweiss und Fischblase dürfen im Keller zum Einsatz kommen. Aber: Der Verband «respekt-BIODYN» verpflichtet seine Mitglieder zum veganen Arbeiten.

7. Bio-Winzer verzichten auf Schönungsmittel
Falsch: Die meisten klassischen Schönungsmittel sind zugelassen, allerdings geben sich viele privatwirtschaftliche Bio-Verbände Satzungen, die restriktiver als das EU-Bio-Label sind. Aber selbst das strenge Regelwerk von Demeter gestattet Bentonit und Aktivkohle.

8. Bio-Weine haben weniger Alkohol
Halbwahr. Im Zehn-Jahres-Versuch in Geisenheim zeigten Bio-Trauben bei gleichen Bedingungen im Vergleich zu Trauben aus konventionellem Weinbau einen geringeren Zuckergehalt von zwei bis drei Öchsle. Das ist kaum signifikant.

9. Bio ist gesünder
Halbwahr. Für die «Volksgesundheit» ist jedes gesparte Kilo Umweltgift sicher förderlich. Im individuellen Genuss sind Unterschiede allerdings nicht nachweisbar. Hier ist die giftige Wirkung von Alkohol das dominierende Thema.

10. Bio-Weine sind nicht geschwefelt
Falsch. Die maximal erlaubte Schwefeldosis für Bio-Weine liegt aber unter der für konventionelle Weine. Allerdings arbeiten auch konventionelle Spitzenwinzer eher auf niedrigerem Niveau als gesetzlich gestattet. Lediglich bei trockenen Rotweinen können die Bio-Grenzwerte eine Herausforderung darstellen.

Interview mit Randolf Kauer

Es droht Totalausfal

Professor Kauer, kann man das Konzept Bio-Weinbau in ein paar Sätzen beschreiben?

Bio-Weinbau verzichtet auf Herbizide und synthetische Stickstoffdünger. Er fördert die Biodiversität in den Weinbergen und die Bodenfruchtbarkeit durch vielartige Begrünungen und eine angepasste Bodenpflege. Insbesondere die Begrünung des Weinbergs mit blühenden, tiefer wurzelnden Pflanzenmischungen mit Anteilen von Leguminosen steigert die Artenvielfalt, lockt Insekten an und bindet andererseits Stickstoff aus der Luft im Boden, um so auch die Rebe mit Stickstoff zu versorgen. Wichtig ist es, die Rebe in einen harmonischen Wuchs zu bringen und damit abzuhärten. Dies kann die Anfälligkeit gegenüber Krankheiten und Schädlingen erheblich verbessern. 
 
Das Thema Pflanzenschutz scheint dabei in unseren Breitengraden das zentrale Thema zu sein …

Das dominierende Thema ist der Falsche Mehltau (Peronospora). Peronospora kann erhebliche Schäden bis zum Totalausfall anrichten. Dagegen können Bio-Winzer derzeit nur Kupferpräparate anwenden, deren Verwendung hinsichtlich der Menge begrenzt ist.
 
Kupfer ist ein Schwermetall, das sich im Boden anreichert. Das klingt erstmal nicht sehr umweltfreundlich. 

Kupfer ist ein Reizthema und ökologisch arbeitende Winzer wären sicher froh, wenn sie darauf verzichten könnten. Die Forschung arbeitet seit Jahren intensiv an Ersatzstoffen – leider noch nicht mit umfassendem Erfolg. Mitte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts tauchte der Falsche Mehltau in Europa auf und ab 1885 entdeckte man die Wirksamkeit von Kupfer (Bordeauxbrühe) dagegen. Das wurde europaweit bis nach dem Zweiten Weltkrieg in Mengen von bis zu 60 Kilo pro Hektar ausgebracht, über einen Zeitraum von 70 Jahren. Deutsche Bio-Winzer spritzten im Schnitt der vergangenen zehn Jahre 2,5 Kilogramm pro Hektar und Jahr. Sie haben bewiesen, dass man mit solch reduzierten Mengen bei klassischen Rebsorten durchaus erfolgreich sein kann.
 
Wie unterscheidet sich der Bio- vom konventionellen Weinbau?

Es geht darum, die Rebanlagen und die Standortbedingungen sehr genau zu beobachten und die Wüchsigkeit der Pflanze zu managen. Eine gut durchlüftete Laubwand und Lockerbeerigkeit bei den Trauben sind das Ziel. Dies fördert ein schnelles Abtrocknen und behindert Pilzerkrankungen – erst Echten und Falschen Mehltau, später dann Botrytis. Das Wachstum der Rebe wird durch die Wasser- und Nährstoffkonkurrenz der Begrünung reduziert. Sie ändert ihr Wachstum im Idealfall nach und nach von alleine – daher die Umstellungszeit.
 
Das klingt nach Ertragseinbussen. Womit muss der Winzer rechnen?

Wer auf einem Maximal-Level anfängt, muss damit rechnen, dass seine Erträge aufgrund des reduzierten Wuchses um 15 bis 20 Prozent zurückgehen. Wer schon auf gesteigerte Qualität durch reduzierte Erträge gesetzt hat, spürt wenig bis gar nichts. Viel entscheidender sind zwei andere Aspekte: grösseres Risiko von Ernteausfällen und teilweise höhere Kosten.
 
Und das wirkt sich auch auf den Geschmack aus?

Wir führen in Geisenheim seit über zehn Jahren einen Langzeitversuch durch, inklusive Verkostungen. Im INBIODYN-Versuch bewirtschaften wir dabei eine Fläche mit Rieslingreben konventionell, nach EU-Bio-Richtlinie und nach den Richtlinien des biodynamischen Weinbaus. Den Ausbau der drei Traubenpartien gestalten wir dann identisch mit Reinzuchthefen, um vergleichbare Weine zu erhalten. In den meisten Fällen kann die Bewirtschaftungsweise nicht herausgeschmeckt werden. In einigen Jahren gab es unterschiedliche Aromenausprägungen auf wissenschaftlich signifikantem Level, aber nicht durchgehend über alle Jahrgänge.

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