Weinkontinent Languedoc

Weinbau zwischen Himmel und Meer

Text: Birte Jantzen, Foto: aspheries.com / Hervé Leclair, Vincent Bartoli, Agence Référence, z.V.g., Florian Vidot, Georges Souche, Diabolo Bohème, Anne-Futterer, Emmanuel Perrin, z.V.g.

Zu weitläufig und zu divers, um es in eine Schublade zu stecken, ist das Languedoc – Frankreichs Zaubertüte voller nahbarer, erschwinglicher Tropfen. Dank einer immer präziseren Klassifizierung der unterschiedlichen Terroirs und geografischen Zonen reicht die Palette von fruchtigen Einstiegsweinen bis hin zu absoluten Überfliegern.

Es gibt wohl kaum eine Weinregion in Frankreich, die sich über die letzten drei Jahrzehnte so stark gewandelt hat wie das Languedoc. Die Rebfläche hat sich mehr als halbiert, die Qualität ist durch die Decke gegangen, und aufgrund der Diversität der Terroirs ist es schlichtweg unmöglich, die Weine in eine einzige stilistische Schublade zu stecken. Die Rebberge erstrecken sich von den Ausläufern der Pyrenäen bis hin zum Flussdelta der Rhône. Mal verwurzeln sich die windzerzausten Reben in einer weitläufigen, sonnengebadeten Tiefebene, mal an wilden Berghängen mit unterschiedlichen Felsformationen und Bodenstrukturen. Das mediterrane Klima mit starken lokalen Unterschieden macht aus dieser halbmondförmigen, zwischen Meer und Bergketten eingebetteten Landschaft ein gesegnetes Weinbaugebiet. Im Gegensatz zu den meisten anderen französischen Appellationen kann man hier mit minimalem Aufwand schmackhafte Tropfen abfüllen. Wohl auch deshalb war das Languedoc während des 20. Jahrhunderts vor allem für seine farbintensiven, rustikalen und oft von präsenten Holznoten geprägten Massenweine bekannt. Doch ob massentauglich oder nicht: Hinter vorgehaltener Hand wird noch heute gemunkelt, dass sie bis in die 1970er Jahre auch ab und an dazu genutzt wurden, schwächelnde Burgunder- und Bordeaux-Weine mit Farbe und Struktur aufzupäppeln.

Ab den 1990er Jahren begann eine Trendwende. Der reife, rustikale Weinstil verlor an Anziehungskraft. Eine neue Winzergeneration, unter ihnen eine überdurchschnittlich hohe Anzahl an Quereinsteigern und Zugewanderten, machte sich auf Entdeckungsreise, hinterfragte Monokultur, Rebsortenauswahl und Arbeitsweisen. Und so ist es deren Beobachtungsgabe, Investition und sicher auch Mut und Durchhaltevermögen zu verdanken, dass sich nach und nach die facettenreiche Vielfalt der Terroirs des Languedoc enthüllte. Es entstand ein Mosaik von geografisch immer präziser gezeichneten Appellationen, welches sich auch in Zukunft noch weiterentwickeln wird. Egal ob Rot, Rosé oder Weiss, in allen Farben gibt es heute unwiderstehlich spannende Interpretationen. Die Region ist buchstäblich gerade dabei, sich als Weinschmetterling zu outen, und es ist das Talent der Winzer, welches hm eine völlig neu interpretierte Aromenvielfalt auf die Flügel malt.

Ehrlich gesagt wurde es aber auch mal Zeit, denn: Nach mehr als 2700 Jahren lebendiger Weinbaugeschichte sind die Winzer des Languedoc nun endlich in ihrem Terroir angekommen. Die Hintergründe sind vielfältig, und selbst für Geschichtsmuffel lohnt sich der Blick in eine anekdotenreiche Vergangenheit.

Wer an Weinbau in Frankreich denkt, hat sicher als Erstes die Champagne, Bordeaux und das Burgund vor Augen. Aber keine dieser drei Regionen setzte Frankreich auf die Weltweinkarte. Die Wiege des französischen Weinbaus liegt nämlich am Mittelmeer – in der Provence, dem Languedoc und dem Roussillon. Alles begann mit den mächtigen und furchtlosen Phokäern, Händlern griechischen Ursprungs, die im siebten Jahrhundert vor Christus den Seehandel auf dem Mittelmeer beherrschten. Wie in «Game of Thrones» gründeten sie entlang der französischen Mittelmeerküste strategisch wichtige Handelsposten – unter anderem Marseille, Agde und Narbonne – und brachten aus Griechenland Reben, Olivenbäume und die Kenntnis über Keramik mit. Alle drei wurden zum schmackhaften und farbenfrohen Sinnbild Südfrankreichs. Der Weinbau entwickelte sich unter den Phokäern jedoch nur sehr langsam, und es bedurfte des Talents der Römer, um ihn und die Weinproduktion in Schwung zu bringen. Letztere betrieben die Phokäer, und das Languedoc wurde zur römischen Provinz Narbonnaise. Es wurde ein ausgeklügeltes Verkehrs- und Handelsnetz geschaffen und entlang der Handelswege eine einheitliche Währung eingef+hrt – ganz nach dem Prinzip des Euros. Und das Römische Reich hatte eine Besonderheit: Einer der wirtschaftlichen Schwerpunkte lag auf der Landwirtschaft. Sämtliche Garnisonen betrieben Mischkultur und Weinbau. Entlang der Via Domitia, einer der Handelsrouten, welche Spanien mit Italien verband und die quer durch die gesamte Provinz Narbonnaise verlief, entstanden zahlreiche Rebberge, die es grösstenteils auch heute noch gibt. Über Jahrhunderte wurden die Trauben vorzugsweise überreif und/oder getrocknet geerntet und in ebenso trinkfreudige Tafelwie legendäre Süssweine verwandelt.

Überhaupt waren die Römer echte Weinliebhaber: Sie schufem Qualitätsklassifizierungen, Jahrgänge wurden unterschiedlich bewertet. 65 nach Christus brachte Columella das berühmte Werk «De Res Rustica» heraus, die erste agronomische Textsammlung über Landwirtschaft, Weinbau und das Landleben. Und auch gesellschaftlich gab es Regeln. Frauen war Weintrinken verboten. Der damalige Alkoholtest war: ein Wangenkuss! Dramatischer waren die Konsequenzen. Wer überführt wurde, riskierte die Todesstrafe. Bei so viel Ungerechtigkeit waren es vielleicht letztendlich die Frauen, die das Römische Reich zu Fall brachten...

Auf den Zusammenbruch folgten unruhige Zeiten, und es ist den Abteien und Klöstern sowie der Eucharistie zu verdanken, dass der Weinbau das Mittelalter (5. bis 15. Jahrhundert) überlebte. Weinbau war integraler Bestandteil des kirchlichen Lehrinhalts, selbst wenn es unter den Priestern schwarze Schafe gab, die für ihre Vorliebe zum Wein und für ihre Gelage bekannter waren als für ihre Predigten.

Frontignan, mit seinen aromatischen Muskatellertrauben, wurde während dieser Zeit zum Publikumsliebling und 1117 als erste Weinbauregion des Languedoc schriftlich in Archiven erwähnt. Der Süsswein von Frontignan, gewonnen aus an der Rebe getrockneten Trauben, erlangte im Laufe der folgenden Jahrhunderte weltweite Berühmtheit. Er galt als Jungbrunnen, und die Holländer liebten ihn so sehr, dass sie im 17. Jahrhundert die Muskatellertraube mit nach Südafrika nahmen und in Konstantiabei Kapstadt einen legendären Süsswein schufen, der gerade sein Revival feiert.

Aber am erstaunlichsten dürfte wohl sein, dass das Languedoc wahrscheinlich die Wiege des Schaumweins ist und nicht, wie behauptet, die Champagne – Dom Pérignon in allen Ehren. Der Wein Blanquette de Limoux wurde 1544 als erster Schaumwein von den Benediktinermönchen der Abtei Saint-Hilaire schriftlich festgehalten.

Bis auf wenige Ausnahmen lief vom 14. bis zum 19. Jahrhundert alles wie am Schnürchen. Dann kamen Schlag auf Schlag Peronospora, die industrielle Revolution, die Eisenbahn und am Ende auch noch die Reblaus. Der Weinbau brach zusammen. Die Recherchen der Universität von Montpellier liessen ihn dank des Pfropfens der Rebsorten auf amerikanische Unterlagen wieder auferstehen. Um wirtschaftlich zu überleben, wurden im Languedoc regelrechte Rebplantagen angelegt. In der flachen Ebene Richtung Küste verschwand die traditionelle Mischkultur. Der Weinbau wurde industrialisiert, und fast das gesamte 20. Jahrhundert über wurden Massenweine produziert, welche in den Industriestädten Nordfrankreichs reissenden Absatz fanden.

Heute hat sich das Blatt vollkommen gewendet. Neben den ehemals vorherrschenden Winzergenossenschaften gibt es mittlerweile eine Vielzahl an kleineren und grösseren Weingütern.

«Ein Fass Wein kann mehr Wunder bewirken als eine Kirche voller Heiliger.»

Italienisches Sprichwort

Die Region zaubert gute Laune ins Glas und zeigt: Mediterranes Klima und anspruchsvolle Weine sind kein Widerspruch mehr. So wie früher produziert die Region noch immer vor allem Rotwein (60 Prozent), Weiss- und Roséweine haben jedoch aufgeholt. Der Weinbau hat den Weg der Nachhaltigkeit eingeschlagen, und einige der Appellationen arbeiten mittlerweile zu über 75 Prozent biozertifiziert. Auch gibt es ein Revival alter autochthoner, fast ausgestorbener Rebsorten, wie zum Beispiel Lledoner Pelut, auch «haariger Grenache» genannt, oder Macabeu, weisser und grauer Carignan, Terret Noir und Ribeyrenc. In Zeiten des Klimawandels gelten sie als berechtigte Hoffnungsträger und fester Bestandteil des Weinbaus von morgen, und so wird sich die Liste der erlaubten Rebsorten in Zukunft mit Sicherheit weiterentwickeln.

Aber hier nun die wichtigste Frage: Wo gibt es zurzeit die spannendsten Weine?

Wandelbares Limoux

Am östlichen Zipfel des Languedoc und an den nördlichen Ausläufern der Pyrenäen befinden sich die Weinberge von Limoux, mitten im hügeligen Land der Katharer gelegen, einer im Mittelalter abseits der römischen Kirche gegründeten Glaubensgemeinschaft. Überzeugt davon, dass die Erlösung nur in der immateriellen Welt zu finden sei, war sie der römischen Kirche ein Dorn im Auge und wurde brutal niedergeschlagen. Überlebt haben malerische Burgruinen, alte Dörfer und die Weinberge. Kleine Täler, geprägt von einer Vielfalt an Bodenformationen, schlängeln sich südlich von Carcassonne sanft in Richtung Hochgebirge. Die 7800 Hektar Rebberge liegen zumeist auf 100 bis 400 Meter Höhenlage und profitieren von sonnigen, aber kühlen, stark variierenden mikroklimatischen Verhältnissen mit perfekt dosiertem Regen. Limoux steht hauptsächlich für Weisswein, zumeist in prickelnder Version, mit sage und schreibe drei AOP-Varianten (Crémant, Blanquette und Méthode Ancestrale), das heisst unterschiedlichen Herstellungsmethoden und Rebsorten. 

Das ist für eine so kleine Weinregion schon ungewöhnlich, zeigt aber auch, wie stark und auch historisch die Kultur des Schaumweins hier verankert ist. Die lokale Rebsorte Mauzac erweist sich dabei als ebenso interessant wie die Klassiker Chardonnay, Chenin Blanc und Pinot Noir. Neben den zwei Hauptproduzenten, den Winzergenossenschaften Cavale und Sieur d’Arques, gibt es eine ganze Reihe an kleineren Weingütern, die exzellente und sehr erschwingliche Schaumweine abfüllen.

Die Überflieger sind J.Laurens und B&B Bouché: Beide produzieren individuell interpretierte und umwerfend gute Crémants und zeigen, wie viel Potenzial hier in den Weinbergen steckt. Noch klarer wird das Potenzial bei den im Limoux produzierten Stillweinen. Sie haben zwar Seltenheitswert, egal ob weiss oder rot, können es aber zum Teil mit den besten Stillweinen Südfrankreichs aufnehmen. Zu den exzellenten Noch-Geheimtipps gehören zwei ziemlich kleine, von jungen Winzern geführte Weingüter: Clos Teisseire und Domaine de Pech Redon. Auf zwei völlig unterschiedlichen Terroirs läuft der Chardonnay bei ihnen zu Höchstform auf, überrascht mit einer Frische und einem Tiefgang, auf die so mancher Cru des Burgund neidisch sein könnte – und sein sollte. Wer hätte das erwartet?

Wildes Paradies La Clape

Unweit von Narbonne, direkt am Meer und mitten in einer wilden Naturlandschaft, liegt die 735 Hektar kleine Appellation La Clape. In der okzitanischen Sprache bedeutet La Clape «Steinhaufen», und so ist es nicht verwunderlich, dass die Rebberge auf einem weitläufigen Kalksteinmassiv thronen. Die ursprünglich zerklüftete Insel im Delta des Flusses Aude war lange Zeit ein wildes Fleckchen, von den phönizischen Seefahrern «Lykia» und von den Römern «Insula Laci» genannt. Flussablagerungen des Aude füllten nach und nach das Delta, die Insel wurde im Laufe des 14. Jahrhunderts mit dem Festland verbunden, aber erst eine intensive Abholzung im späten Mittelalter machte Flächen für den Weinbau frei. Auch heute noch hat La Clape etwas Ungebändigtes.

«Die undankbare Kreide weint goldene Tränen in Form von Wein.»

Colette, Schriftstellerin und Journalistin, fand ihre Kindheitserinnerungen im Muscat de Frontignan wieder

Stark fragmentiert, spielen die Rebberge Verstecken zwischen Garrigue, kleinen Schluchten, von Pinienwäldern gesäumten Felsvorsprüngen, Canyons und Klippen. Mal dem Mittelmeer und mal der Tiefebene Richtung Zentralmassiv und Pyrenäen zugewandt, profitieren die Reben von maximaler Sonneneinstrahlung, einem ziemlich trockenen Klima und erfrischenden Winden. 17 Rebsorten erlauben stilistische Diversität, die Erträge sind meist gering, auch weil Wasser rar ist. Der Fokus liegt auf Rotwein, und nur 15 Prozent werden als Weisswein abgefüllt. Das bekannteste Weingut ist das luxuriöse Château L’Hospitalet, welches zum erfolgreichen Universum von Gerard Bertrand gehört. Beschaulicher geht es im Château Pech Redon zu. Seit 2005 biozertifiziert, liegt es versteckt am Ende einer kleinen Weinbergsstrasse. Die Kulisse ist so ursprünglich, dass hier sogar Szenen des Abenteuerfilms «Der Graf von Monte Christo» gedreht wurden. Die tiefgründigen Rotweine von Pech Redon, mit den wunderbar interpretierten Rebsorten Grenache Noir, Syrah und Mourvèdre, zaubern Sonne, samtige Struktur, elegante Frische und würzige Noten ins Glas. Die Weine von La Clape sind gleichermassen charakterstark wie frisch, authentisch, komplex und sonnenverwöhnt.

Überflieger Terrasses du Larzac

Von Göttern gesegnetes Terroir oder Zufall – oder vielleicht ein bisschen von beidem? In keiner anderen Appellation des Languedoc gibt es so viel geballtes Winzertalent wie hier. An den Ausläufern des Plateaus von Larzac gelegen und nach Süden Richtung Meer ausgerichtet, sind die klimatischen Bedingungen hier gnädiger als in vielen anderen Zonen Südfrankreichs. Es gibt Sonne, Wind, grosse Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht und in den meisten Jahrgängen auch genügend Regen, was in Zeiten des Klimawandels nicht zu unterschätzen ist. Gut 75 Prozent der Weingüter sind biozertifiziert und Agro-Ökologie wird hier nicht nur erzählt, sondern auch gelebt.

«Actually, more like Latour.»

Jane MacQuitty, Journalistin des London Times, schrieb 1985 diese Worte über den Rotwein von Mas de Daumas Gassac

Die geologische Vielfalt ist aussergewöhnlich und ergibt vielfältige Bodenbeschaffenheiten, die alle eins gemeinsam haben: Es sind Geröll-, Schwemm- und Kolluviumböden, die über Jahrtausende hinweg vom Hérault und dem Nebenfluss La Lergue geformt wurden. Hinzu kommen Sandstein, Schiefer und Basalt. Wilde Natur und traditionelle Trockenmauern geben der Landschaft eine vielschichtige Diversität, die sich auch in den Weinen und im Charakter der Winzer widerspiegelt.

Und das, obwohl hier nur Rotwein produziert werden darf. Hauptrebsorten sind Carignan, Grenache Noir, Mourvèdre und Syrah sowie fünf weitere Nebenrebsorten. Gerade mal 750 Hektar gross ist die Appellation, und es gibt gut hundert Winzer. Dementsprechend klein und übersichtlich sind die meisten Weingüter. Auch ist die Anzahl der Quereinsteiger überdurchschnittlich hoch und trägt dazu bei, dass Tradition und frischer Wind stets im Austausch miteinander stehen. Neben den absolut spannenden Klassikern wie Mas de Daumas Gassac (übrigens als IGP abgefüllt), Mas Jullien, Mas Cal Demoura, Domaine de Montcalmès und La Grange des Pères gibt es ebenso spannende Nachwuchstalente wie Clos Constantin, Les Vignes Oubliées oder Domaine de Ferrussac. Kurzum, man hat die Qual der Wahl. Das Gute ist: Man kann nicht viel falsch machen.

Verführerischer Muskat

Einst gefragte Elixiere, heute fast vergessen: die wundervollen Muskat-Weine des Languedoc, einer der grandiosesten und langlebigsten Weine Frankreichs. Legendenumwoben, sollen seinem Charme nicht nur Könige und Kaiser reihenweise zum Opfer gefallen sein, sondern auch der griechische Halbgott Herkules. Eigentlich kein Wunder, braucht doch jeder Held zwischen Schlangenerwürgen und Löwenbesiegen ein kleines bisschen Süsse. Wie der Muskat zu Herkules’ Zeiten gewonnen wurde, ist unbekannt. Heute entsteht er aus der Rebsorte Muscat Petits Grains, dem kleinbeerigen Muskat. Die Weine fallen unter die Kategorie Vin Doux Naturel, kurz VDN, was für «gespriteten » Süsswein steht. Hinter dieser wenig attraktiven Wortwahl versteckt sich eine simple Technik: Die alkoholische Gärung wird zum gewünschten Zeitpunkt durch Zugabe von Weingeist unterbrochen, und so bleibt ein Teil der natürlichen Traubensüsse erhalten – je nach Pflichtenheft zwischen 110 und 125 Gramm. Die Kunst ist es, ein perfektes Gleichgewicht zwischen Süsse und Säure zu schaffen, das voller Leichtigkeit und aromatischer Vielfalt über den Gaumen tanzt. Ein nicht ganz einfaches Unterfangen, welches in der Vergangenheit nicht immer gelang. Im Languedoc produzieren vier Appellationen noch heute die Muscat- Weine, aber in so geringen Mengen, dass viele der Winzer das Handwerk den Winzergenossenschaften überlassen. Eine Ausnahme ist das kleine Weingut Domaine Ampelhus, im Muscat de Lunel ansässig. Seine Interpretation zeigt, was für ein umwerfendes Geschmackserlebnis dieser Wein sein kann. Auch produziert das Weingut nebenbei eine ganze Reihe an exzellenten trockenen Weinen aus seltensten Rebsorten, eine Diversifizierung ausserhalb des AOP-Pflichtenheftes, die wirtschaftlich aber leider notwendig ist, wenn auch in diesem Fall fantastisch erfreulich.

Fazit: Das Languedoc ist ein Territorium voller Nuancen und unbekannter Schätze, und die hier aufgeführte Auswahl ist auf jeden Fall alles andere als vollständig. Eigentlich bräuchte es ein ganzes Heft, um der Diversität des Languedoc Tribut zu zollen. Die Region ist schon fast ein «Land» für sich, wo sich übrigens besonders im späten Frühjahr und frühen Herbst das Reisen lohnt. Die Weine sind so gut wie nie zuvor und sehr erschwinglich geblieben. Bleibt eigentlich nur eine Wahl: auf Entdeckungsreise gehen!

Zehn alte und neue Klassiker

Domaine Ampelhus

Muscat de Lunel AOP Blanc 2023
98 Punkte | 2024 bis 2054

Ein flüssiges Gedicht. Holunderblüte, Litschi, Zitrusfrucht, Nektarine, saftige Ananas, etwas Jasmin, kandierte Orangenschale, feine Bitternoten. Die perfekte Kombination aus Süsse und Frische, ein langer Abgang und ein Hauch von Gerbstoffen für Charakter und Struktur am Gaumen. Ein herrlicher Süsswein, der am besten alleine genossen werden sollte, entweder jetzt mit seinen jugendlichen Aromen oder in zehn Jahren, wenn würzige Tertiäraromen ihm noch mehr Tiefgang geben.

Clos Constantin

Terrasses du Larzac AOP Arjès Rouge 2022
97 Punkte | 2024 bis 2036

Gewürznelke, Blutorange, Veilchen, Heidelbeere, geröstete Mandeln und eine feine Salzigkeit. Vertikal, straff und harmonisch tanzen seine seidigen Tannine elegant über die Sinne. Ein schon fast freidenkerischer Wein, der mit Präzision und Tiefgang überzeugt und beeindruckt.

Mas de Daumas Gassac

Saint-Guilhem Le Désert IGP Rouge 2022
95 Punkte | 2024 bis 2036

Mediterrane Wildfrüchte, Bittermandel, Blaubeere, Bleistiftmine, Kräuter der Garigue, leicht rauchige und würzige Noten, von seiner Stilistik her ein Unikat. Leicht, aber präsent, süffig und doch langlebig kombiniert er gekonnt die Widersprüche der Region zu einem äusserst spannenden Ganzen.

Château Pech Redon

La Clape AOP La Centaurée Rouge 2020
95 Punkte | 2024 bis 2034

Syrah und Mourvèdre verweben sich so elegant und geschickt miteinander, dass man den Ausbau in neuen Holzfässern kaum wahrnimmt. Feinfühlig, frisch, wundervoll strukturiert, mit dunkler Frucht und einem Hauch von Menthol hat er eine zeitlos klassische Eleganz.

Domaine Bardi d’Alquier

Faugères AOP Les Bastides d’Alquier Rouge 2020 BIO
95 Punkte | 2024 bis 2034

Syrah, Grenache und Mourvèdre vom Besten. Ein Wein mit Spannung, perfekter Reife und von exemplarischer Frische. Kleine schwarze Beeren, Noten von Blutorange, feine Würze und wilde Kräuter der Garigue. Unterstrichen von dichten, seidigen Gerbstoffen, bleibt er zeitlos und zeigt ein tolles Potenzial.

Château Ollieux Romanis

Corbières AOP L’Île aux Cabanes Rouge 2021
94 Punkte | 2024 bis 2034

Rassig, saftig, nuanciert, mit vielschichtigen, ineinander verschmolzenen Fruchtaromen, perfekter Würze und delikat floralen Noten. Harmonische Frische, dicht gewobene Tannine und genügend Extrakt. Wird auch über das kommende Jahrzehnt wundervoll reifen.

Domaine de Ferrussac

Terrasses du Larzac AOP Nègre Boeuf Rouge 2022
94 Punkte | 2024 bis 2036

Ein grosszügiger, ehrlicher Wein, vollmundig und nuanciert zugleich. Die dunkle Frucht verschmilzt mit rassiger Würze, wundervoll ausgewogene Gerbstoffe geben einen Extra-Kick an Frische, und ein langes, saftiges Finale lädt zum Geniessen ein. Ein toller Essenbegleiter mit ordentlich Potenzial.

Clos Teisseire

Limoux AOP Optime Blanc 2023
93 Punkte | 2024 bis 2034

Chardonnay vom Feinsten. Floral, mit einem Hauch von reifer Ananas, Melisse, Karamell und Aprikosen-Clafoutis. Feine, wunderbar eingebundene Holznoten geben ihm etwas Burgundisches. Lang im Finale, ausgewogen, noch sehr jung, hat er gleichzeitig Extrakt und Frische.

Domaine Flo Busch

Terrasses du Larzac AOP Porte du Jour Rouge 2022
93 Punkte | 2024 bis 2032

Er hat Zug, Charakter und Charme. Wildkräuter, dunkle Beeren, Gewürznelke, Lakritz, florale Noten von Pfingstrose und viel Würze. Vollmundig, ausgewogen und dicht strukturiert, hat er in jeder Hinsicht eine wunderbar klassische Stilistik des Südens. Am besten karaffieren.

Domaine de Mouscaillo

Limoux AOP Blanc 2022
90 Punkte | 2024 bis 2030

90% Chardonnay mit etwas Chenin Blanc und Mauzac. Erfrischend, mit Noten von reifer Birne, knackigem Apfel, Kaki-Frucht und Zitronenschale, aber auch Lakritz, Zimt und einem Hauch von Feuerstein. Ausgewogen, präzise, vielversprechend, mit salziger Mineralität.

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