Monastrell - Jumillas Top-Rebsorte
Karges Land, konzentrierte Aromen
Text: Alice Gundlach, Fotos: z.V.g., Alice Gundlach, gettyimages / GMVozd, Joaquin Ruiz Fotografia
Ein trockenes Fleckchen Erde ist die Region Jumilla im Süden Spaniens. Für den roten Monastrell kein Problem, viele der besten Weine dieser Rebsorte kommen von hier. Doch auch hier haben die Winzerinnen und Winzer mit der zunehmenden Dürre zu kämpfen
An diesem Frühlingstag, während einer Autofahrt in den Norden der Region Jumilla, passiert etwas sehr Unwahrscheinliches. Etwas, auf das man kaum zu hoffen wagt. Was die Menschen hier sehnlichst herbeiwünschen.
Es regnet. Und zwar nicht wie sonst, so ein lascher Nieselregen, der nach zehn Minuten schon wieder vorbei ist. Es klatscht so richtig herunter, über Stunden. Man spürt förmlich, wie die Landschaft aufatmet. Und überall sieht man strahlende Gesichter. «Mein Grossvater meint immer: Der Regen war erst anständig, wenn die Strasse auch unter den parkenden Autos nass geworden ist», meint dazu schmunzelnd der Winzer Juanjo Cerdán von der Bodega Cerrón in Fuente-Álamo.
Diese Art von Regen ist hier im Südosten Spaniens freilich rar, auch im Winter. Gerade im Winter. «Üblicherweise regnet es nur im Frühling und dann wieder ein bisschen im Herbst», berichtet Winzerin Elena Pacheco, Inhaberin der Bodegas Viña Elena. Dazwischen buchstäblich: Durststrecke.
Jumilla war schon immer trocken. Denn es liegt nicht nur sehr weit südlich, sondern auch im Landesinneren. Die Region ist umgeben von Bergketten, die viele Wolken abhalten. Auch das Meer hat hier keinen Einfluss mehr: Bis zur nächsten Küste, bei Alicante, sind es fast hundert Kilometer weit.
Buschreben: Gut für den Wein, schlecht für den Rücken
Deshalb wird der Wein, vor allem die rote Hauptrebsorte Monastrell, traditionell an Buschreben angebaut, die man hier «vasos» nennt. Das bedeutet, dass die Reben sehr niedrig wachsen. Statt sie auf Drahtrahmen aufzuziehen oder an Pfählen zu befestigen, werden sie am Boden gehalten und sehr kurz geschnitten. So werden die Trauben im Sommer von den Blättern gut beschattet, und die Reben brauchen nur wenig Wasser. Gleichwohl: Die Erträge bleiben so sehr niedrig, und die Lese ist äusserst beschwerlich. Anstrengend für die Winzer, aber fantastisch für die Weinqualität.
Doch auch in Jumilla merken die Weinbauern, dass es mit Buschreben immer schwieriger wird. Nicht nur die Sommer werden immer wärmer, sondern das ganze Jahr. In vielen Weinbergen ist deshalb mittlerweile künstliche Bewässerung nötig, für die Jungreben grundsätzlich, aber manchmal auch für die älteren Weinberge.
Und Wasser wird hier wie in ganz Spanien immer knapper, die Verteilung der lebensnotwendigen Ressource ist ein Politikum. Wenngleich es im Weinbau diesbezpglich noch moderat zugeht: Viel mehr Wasser verbraucht der intensive Obst- und Gemüseanbau im Süden Spaniens, auch etwa die zahlreichen Mandelbäume in Jumilla.
Wein, Mandeln und Oliven sind das Dreigestirn der regionalen Landwirtschaft. Typisch für die Landschaft ist ausserdem das Esparto- Gras, das an nahezu jedem Wegesrand wächst und das in der Region ein traditioneller Werkstoff ist. Aus den langen, trockenen Halmen dieses Süssgrases werden Hüte, Taschen oder Matten geflochten. Auch die Sohlen von Espadrilles, den luftigen Sommerschuhen, bestehen aus Esparto-Gras.
Einen Vorteil jedoch hat das trockene Klima in Jumilla: Weil kaum Pilzkrankheiten aufkommen, braucht man sensationell wenig Pflanzenschutz. «Man kann davon ausgehen, dass 90 Prozent der Weine aus Jumilla Bioqualität haben. Auch wenn viele Bodegas nicht zertifiziert sind», erklärt Maria Domenica, Exportmanagerin der Bodegas Luzón. Ihr Weingut ist eines der grössten der Region mit rund drei Millionen Flaschen, die es jährlich produziert – und zwar mit Bio-Zertifikat.
Ziegen, die auf Trauben starren Doch auch wenn Pilzkrankheiten
Doch auch wenn Pilzkrankheiten kaum ein Thema in Jumilla sind, so müssen die Winzer ihre Trauben doch vor einer ganz anderen Bedrohung schützen: hungrigen Wildtieren. Etwa in den Weinbergen von Pascual Olivares wandern Bergziegen auf der Suche nach Fressbarem herum. Der Winzer, der einige der besten Lagen der Region sein Eigen nennt, hat eine besonders umweltfreundliche Methode gefunden, um seinen guten Monastrell vor Ziegenfrass zu schützen: «In den äusseren Weinbergen habe ich Garnacha und Tintorera gepflanzt, die können die Ziegen ruhig haben. Den Monastrell, der weiter weg wächst, lassen sie dann in Ruhe.»
Die Rebsorte Monastrell, die rund drei Viertel der Rebfläche in Jumilla besetzt, ist ein robustes Kerlchen. Die kleinen, dunklen Beeren haben eine dicke Schale, die der brennenden Sonne trotzt. Das Fruchtfleisch gerät hier konzentriert aromatisch, die Aromen sind saftig und zugleich würzig. Zudem nehmen die Trauben alles an Mineralik auf, was sie den kargen, steinigen Böden abtrotzen können. Jumilla gilt als das weltweite Top-Terroir für den Monastrell.
Diese kräftige Rebsorte ist quasi prädestiniert für den Ausbau in der Barrique. Oft kommt ein Mix aus französischer und amerikanischer Eiche zum Einsatz. Aber auch in Jumilla ist der aktuelle Trend zu weniger spürbarem Holz im Wein angekommen, weshalb viele Weingüter in Richtung grössere und gebrauchte Fässer gehen. Oder auch einmal ganz auf Holz verzichten. Denn was gerade weltweit in Mode kommt, hat in Jumilla eine jahrhundertelange Tradition: grosse Zementtanks. Diese eignen sich sehr gut für den Joven (Jungwein) – und zwar nicht nur für einfache Alltagsweine: Auch fruchtbetonte, mittelkräftige Rotweine können durch den Ausbau im Zement eine schöne Struktur bekommen.
Der Ursprung des Monastrell wird im 15. Jahrhundert nahe Valencia verortet, also ebenfalls in der Nähe von Jumilla. Nach einer Zeit der spanischen Herrschaft in Frankreich im 16. Jahrhundert gehört Monastrell heute auch dort zu den Standardrebsorten, vor allem in Südfrankreich, und zwar unter dem Namen Mourvèdre. Dort wird sie meist als Cuvée mit Grenache und Syrah ausgebaut.
Prominenter Fan aus Deutschland
Auch in Jumilla werden heute nicht nur reinsortige Monastrells gemacht, sondern auch hochwertige Cuvées, zumeist mit internationalen Rebsorten. Das Paradebeispiel für die Assemblage-Qualitäten der Rebsorte ist der El Nido, der Flaggschiff-Wein der Bodegas Juan Gil. Er besteht zu 30 Prozent aus Monastrell und zu 70 Prozent aus Cabernet Sauvignon – und so entsteht ein perfekt strukturierter, eleganter Wein mit der dunklen, würzigen Aromatik von Monastrell. Ein prominenter Stammkunde aus Deutschland für den El Nido, verrät Inhaber Ángel Gil Vera, sei der Unternehmer Dietmar Hopp, Mitbegründer des Software- Konzerns SAP und Mäzen des Fussball-Erstligisten TSG Hoffenheim 1899.
Unter den klimatischen Bedingungen, die in Jumilla herrschen, werden die Weine von dort, wie man sich denken kann, nicht gerade Leichtgewichte. Da sich in der grossen Hitze und bei den kleinen Erträgen nicht nur die Aromen in den Monastrell-Trauben ballen, sondern auch der Zucker, geraten die Weine meist ziemlich alkoholreich: 15 Volumenprozent und mehr sind die Regel. Überraschenderweise merkt man das den Weinen im Geschmack aber meist nicht an.
Die Weine
Monastrell ist überraschend vielseitig. Prädikate wie Crianza und Reserva sind in Jumilla allerdings kaum verbreitet. Vielmehr soll der Wein so lange reifen, wie es ihm guttut.
Bodegas Ramón Izquierdo
Monastrell 2021
16.5 Punkte | 2024 bis 2027
Aussergewöhnlicher Joven, der beweist, dass Monastrell nicht unbedingt Holzausbau braucht, um zu glänzen. Kirsche und Himbeere am Gaumen, straffer Zug, zartes Tannin. Toll zu einem deftigen Essen. Aus ökologischem Anbau.
13,50 Euro | ramonizquierdovinos.com
Bodegas Luzón
Por Tí 2020
16.5 Punkte | 2024 bis 2028
Ein Schmeichler, aber einer mit Anspruch: runde rote und schwarze Frucht, dazu feine Vanillenoten. Monastrell gepaart mit etwas Cabernet Sauvignon, 18 Monate ausgebaut in französischer und amerikanischer Eiche.
22,95 Euro | bodegasluzon.com
Bodegas Olivares
Umbria de la Hoya 2020
16.5 Punkte | 2024 bis 2030
Saftige Kirscharomen mit einem Hauch Vanille, dazu getrocknete Kräuter. Das Tannin ist fein, aber strukturiert den Wein trotzdem eindrucksvoll. Von wurzelechten Reben. Echt günstig für das, was er bietet!
13,95 Euro | bodegasolivares.com
Bodega Cerrón
Los Yesares 2021
17 Punkte | 2025 bis 2031
Rote Johannisbeere, Preiselbeere, Sauerkirsche, dazu Rosmarin – an das alles lässt einen dieser saftige Monastrell denken. Das Tannin ist wunderbar weich, der Körper trotzdem straff. Dekantieren oder noch liegenlassen!
39,95 Euro | vinacerron.com
Bodegas Viña Elena
Parcela Mandiles Bruma 2022
17.5 Punkte | 2025 bis 2032
Elegant, komplex – und doch so saftig. Schwarzkirsche, Pflaume und Salz, dazu unterschwellig etwas Zartbitterschokolade. Aus der Einzellage und von mehr als 60 Jahre alten Reben, ausgebaut in 500-Liter-Tonneaus.
27 Euro | vinaelena.com
Gil Family / Bodegas
El Nido El Nido 2021
18.5 Punkte | 2026 bis 2038
Unglaublich lang und filigran strukturiert ist dieser Wein. Er duftet nach Kräutern, auf der Zunge kitzelt eine salzige Mineralik, die Frucht wirkt edel und pur. Ein Statussymbol unter den südspanischen Weinen. Zehn Jahre reifen lassen!
139 Euro | gilfamily.es/bodegas_el_nido