VINUM-Profipanel | Auf dem Gewürzgipfel

Gewürztraminer versus Traminer 

Text: Harald Scholl, Fotos: Anja Prestel

Nicht wenige Weinfreunde schüttelt es regelrecht, wenn die Sprache auf den Gewürztraminer oder seinen Zwillingsbruder, den Traminer, kommt. Zu parfümiert, zu süss, zu bitter, einfach altmodisch, so die gängige Meinung. Andererseits verkaufen sich die Weine aus diesen Rebsorten international wie das sprichwörtliche «geschnittene Brot». Stellt sich die Frage: Wer hat Recht? Gegner oder Fans? Oder ist die Antwort doch ein wenig komplexer?

Es begann mit einem kleinen Begeisterungsschrei: Manuel Reheis, Chefkoch des «Broeding» in München und Gastgeber des Profipanels, rief vernehmlich aus: «Im ganzen Raum hat sich durch das Schwenken der Weingläser ein Quittenduft verbreitet – sehr animierend!» Und machte damit gleich auf eine der Stärken der Testkandidaten aufmerksam. Nur wenige Rebsorten sind wie die Rebsorten Traminer und Gewürztraminer in der Lage, den Geruchssinn derart zu stimulieren, sind so duftig und animierend in der Nase. Das ist auf der anderen Seite aber genau das Problem. Denn für viele Weinfreunde ist diese eindeutige Geruchszuordnung eine echte Krux. Der sehr vordergründig von Pfingstrosenduft geprägte Stil der sechziger und siebziger Jahre hat unter Traditionalisten – vor allem im Elsass – immer noch seine Fans. Gerade in der Speisenkombination mit klassischer Haute Cuisine, etwa Foie gras, gereiftem Käse und Matelote (Süsswasserfischsuppe) sind die opulent üppigen Gewürztraminer bis heute gefragt.

Aber das ist eine Nische, wirkliche Begeisterungsstürme sind mit dieser Kombination nur noch in seltenen Fällen zu erzielen. Der internationale Trend hin zu trockenen Weissweinen macht eben auch vor dem Traminer oder Gewürztraminer nicht halt. Womit wir auch schon beim Kern des Themas angekommen wären: der Frage des Ausbaus. Denn hier scheint sich eine deutliche Trendwende anzubahnen.

Traminer oder Gewürztraminer?

Aber bevor es um die Frage von Ausbaustilen gehen soll, müssen erst einmal grundsätzliche Fragen geklärt werden. Denn auch wenn im Profipanel Traminer und Gewürztraminer gleichermassen verkostet wurden, sind sie streng genommen nicht ein und dieselbe Rebsorte. Als Traminer werden grundsätzlich alle Varianten der Rebsorte bezeichnet, die als Gewürztraminer (Roter Traminer mit roten Beeren, Gewürztraminer mit hellroten bis gelb-rosa Beeren, Gelber Traminer mit gelblichen Beeren), als Savagnin Blanc (Weisser Traminer) und als Savagnin Rosé (Rosa Traminer) angebaut werden. Alle diese Rebsorten sind genetisch nahezu identisch, unterscheiden sich aber dennoch. Etwa in der Grösse der Trauben, der Farbe der einzelnen Beeren oder auch der Blattform. Und natürlich haben sie auch jeweils ganz eigene Geschmacksmerkmale. Schwierig ist es auch mit dem Namen. Denn innerhalb des deutschen Sprachraums wird Traminer in aller Regel als Synonym für Savagnin (Weisser Traminer), ausserhalb – gerade in Frankreich – vor allem als Synonym für den Gewürztraminer verwendet. Es kann also durchaus sein, dass obwohl auf dem Etikett Traminer steht, Gewürztraminer drin ist. Nicht ganz einfach, da den Überblick zu behalten. Auch das ist ein Grund dafür, warum Traminer und Gewürztraminer gleichermassen in unserem Profipanel angestellt wurden. Denn trotz unterschiedlicher Geschmacksausprägungen sind gewisse Charakteristika bei beiden, Traminer wie Gewürztraminer, gleich.

Wie wenige andere Rebsorten eignen sich Traminer und Gewürztraminer für die immer selbstverständlicher werdenden Orangeweine. Ähnlich wie Rotweine werden Weissweine dabei auf der Maische verarbeitet. Das heisst, dass nicht nur der Saft, sondern ganze Beeren oder sogar Trauben vergoren werden. Gerade der Traminer eignet sich für diesen wiederentdeckten Ausbaustil, da er viel von der sortentypischen vordergründigen Blütenduftigkeit verliert. So kann er seine Stärken, die eher im strukturellen Bereich liegen, besonders gut ausspielen. Man kann sicher ohne Übertreibung sagen, dass die interessantesten Orangeweine aus der Rebsorte Traminer gekeltert werden. Das zeigte sich auch in diesem Profipanel. Die ersten drei Plätze gingen an Weine dieses Stils – unabhängig davon, ob sie aus Traminer oder Gewürztraminer gekeltert waren. Und unabhängig davon, ob die Tester eher dem traditionellen oder diesem modernen Stil anhängen. Voraussetzung ist natürlich, dass die Weine einwandfrei gekeltert wurden. Denn Weinfehler verzeiht auch der Traminer nicht. Dass die Siegerweine aus der Schweiz, Österreich und Italien kommen, ist im Rückblick keine wirkliche Überraschung. Gerade in diesen Ländern scheint die Bereitschaft dazu, die Rebsorte weniger floral, sondern eher strukturbetont auszubauen, besonders hoch zu sein. Wichtig dabei ist vor allem der saubere Ausbau. Fehltöne, flüchtige Säuren oder unkontrollierte Oxidation können den guten Eindruck schnell trüben, auch solche Beispiele fanden sich im Panel. Wenn aber auf Seiten der Winzer sauber und penibel gearbeitet wird, entstehen hochklassige trockene Weine mit grossem Entwicklungspotenzial.

Dass die Entwicklung dieses Weinstils in den genannten Ländern besonders weit fortgeschritten ist, kann zudem daran liegen, dass hier Weine aus Traminer oder Gewürztraminer selbstverständlicher zum Essen gereicht werden als in anderen Regionen. Dies ist eine Erkenntnis, die insbesondere von den teilnehmenden Sommeliers herausgestellt wurde. Trockene Traminer sind hochklassige Speisebegleiter, die mit zurückgenommener Aromatik, aber markanter Struktur insbesondere modernere Kochstile perfekt begleiten können. Genauso wie aromatisch intensive Gerichte. Die Südtiroler Winzer erklärten auf Nachfrage, dass ihre Gewürztraminer vor allem im Rest Italiens enorm gefragt sind und dort ganz besonders zu intensiven Fischsuppen gereicht werden. Das klingt im ersten Moment etwas ungewohnt, ergibt nach kurzem Nachdenken aber durchaus Sinn. Sind doch gerade die italienischen «Cacciucco» oder «Brodetto» mit teilweise ausgeprägter Fenchel-Knoblauch-Aromatik in der Getränkebegleitung sehr fordernd. Hier können trockene Gewürztraminer ihre Stärken ausspielen. Das dürfte ein Grund sein, warum in Südtirol im Gegensatz zu vielen anderen Ländern Gewürztraminer verstärkt angebaut wird. Hier sind die Absätze stabil bis steigend und viele Winzer und Genossenschaften schon nach kurzer Zeit ausverkauft.

Aber zurück zum Profipanel. Nach der mehrstündigen Verkostung und der anschliessenden intensiven Diskussion zeigten sich zwei deutliche Tendenzen. Zum einen wird es den traditionellen Gewürztraminer, geprägt von Opulenz und aromatischer Fülle, weiterhin geben. Er wird aus seiner Nische, als Spezialität für eingefleischte Kenner, aber nicht herauskommen. Denn vor allem wenn er mit den sehr deutlichen Noten von Pfingstrosen daherkommt, gerne auch noch einen festen Bitterton im Nachhall mitbringt, kann sich das Gros der Weintrinker von heute damit nicht mehr so richtig anfreunden. Das ist als Spezialität ab und an ganz nett – mehr aber auch nicht. Auf der anderen Seite könnten sich trockene Traminer, wenn sie wie die Favoriten im Profipanel strukturbetont ausgebaut werden, aufgrund ihrer gastronomischen und kulinarischen Qualitäten zukünftig als echte Überflieger herausstellen. In vielen angesagten Restaurants sind sie jedenfalls heute schon nicht mehr von der Weinkarte wegzudenken. Und wie das Profipanel deutlich gezeigt hat, länderübergreifend auf dem Vormarsch.



Die Top 10 der Verkostung

Achtung: Die Spalte "Rang" hat hier keine Bedeutung, die Reihenfolge wird wie auf dem Bild dagegeben.

RangBeschreibung
1
15,0/ 20
Punkte
Elsass, Elsass, Frankreich
Domaine Agapé
2
17,0/ 20
Punkte
Mosel, Deutschland
Weingut Selbach-Oster
3
15,0/ 20
Punkte
Baden, Deutschland
Bickensohler Weinvogtei
4
15,5/ 20
Punkte
Mittelrhein, Deutschland
Weingut Scheidgen
5
16,0/ 20
Punkte
Südtirol, Italien
Weingut Ansitz Pfitscher
6
16,0/ 20
Punkte
Murten See, Drei-Seen-Land, Schweiz
Château de Praz
7
15,5/ 20
Punkte
Pfalz, Deutschland
Weingut Theo Minges
8
17,0/ 20
Punkte
Niederösterreich, Österreich
Herbert Zillinger
9
17,5/ 20
Punkte
Südtirol, Italien
Weingut Pranzegg
10
15,5/ 20
Punkte
Aargau, Schweiz
Weingut zum Sternen
RangBeschreibung
1
16,0/ 20
Punkte
Südtirol, Italien
Kellerei Schreckbichl Colterenzio
2
16,5/ 20
Punkte
Pfalz, Deutschland
Wein- Und Sekthaus Alois Kiefer
3
16,0/ 20
Punkte
Südtirol, Italien
Gump Hof - Markus Prackwieser
4
15,0/ 20
Punkte
Südtirol, Italien
Kellerei Cantina Tramin
5
17,5/ 20
Punkte
Burgenland, Österreich
Weingut Andreas Gsellmann
6
17,0/ 20
Punkte
Steiermark, Österreich
Weingut GROSS GmbH
7
16,5/ 20
Punkte
Elsass, Elsass, Frankreich
Hugel & Fils
8
16,0/ 20
Punkte
Zürich, Schweiz
Weingut Familie Zahner
9
15,5/ 20
Punkte
Murten See, Drei-Seen-Land, Schweiz
Domaine Chervet
10
17,0/ 20
Punkte
Elsass, Elsass, Frankreich
Domaine Trimbach
RangBeschreibung
1
16,5/ 20
Punkte
Baden, Deutschland
Weingut Gregor und Thomas Schätzle
2
15,5/ 20
Punkte
Niederösterreich, Österreich
Weingut Nimmervoll
3
18,0/ 20
Punkte
Zürich, Schweiz
Weingut Rütihof
4
17,0/ 20
Punkte
Südtirol, Italien
Cantina Girlan
5
16,0/ 20
Punkte
Baden, Deutschland
Weingut Ziereisen
6
15,5/ 20
Punkte
Wien, Österreich
Weingut Rotes Haus
7
16,5/ 20
Punkte
Franken, Deutschland
Weingut Bürgerspital zum Heiligen Geist
8
16,0/ 20
Punkte
Sachsen, Deutschland
Weingut Klaus Zimmerling
9
16,5/ 20
Punkte
Niederösterreich, Österreich
Weingut Salomon Undhof

«Bei trockenen Aromarebsorten würde ich im Restaurant eher auf Sauvignon Blanc zurückgreifen als auf Gewürztraminer. Aber auf der Maische ausgebaute oder vergorene Traminer sind wohl die Zukunft, wenn es um trockene Exemplare gehen soll. Botrytis ist immer noch ein Hilfsmittel, um wunderbare Weine zum Dessert oder Käse zu reichen.»

Dominik Kneidl Restaurant «Amistad», München

«Gewürztraminer geht nicht im Vorbeigehen. Man muss ihm zunächst einmal eine Chance geben und ihm dann mit der Zeit auf die Spur kommen. Es braucht viel Zeit und Offenheit, sich auf ihn einzulassen und ihn in seiner Vielschichtigkeit zu entdecken. Immerhin: Das gilt für Winzer wie Weinfreunde gleichermassen. Denn auch im Weinberg ist Gewürztraminer alles andere als einfach.»

Nicole Harreisser VINUM-Redakteurin, Zürich

«Diese hervorragend aufgestellte Panel-Verkostung hat mir wieder einmal gezeigt, dass sich Bouquetrebsorten wie Traminer oder Gewürztraminer, bei kundiger Begleitung, vorzüglich zur Bereitung von maischevergorenen Weinen eignen. Die Aromatik dieser Weine wird dadurch gezügelt und läuft nicht Gefahr, ins Überbordende und Kitschige zu gleiten.»

Michael Rafzar Sommelier, München

«Das Panel gab einen schönen Überblick über die unterschiedlichen aktuellen Gewürztraminer- und Traminer-Stilistiken. Und das mit einem ganz klaren Trend: Es zeigt sich deutlich, dass sich diese Rebsorten hervorragend für maischevergorene Weine eignen. Zurückgenommene Aromatik, dafür prägnante Struktur, das hat Zukunft.»

Nicole Retter Sommelière und Inhaberin einer Weinagentur, München

«Die stilistische Bandbreite der Verkostung war enorm, allerdings waren auch die Unterschiede in Sachen Qualität eklatant. Die spannendsten Vertreter sind geprägt vom traditionellen, kraftvollen Elsässer-Stil, oder es
sind eben Traminer, die auf der Maische vergoren wurden. Weniger spannend sind die Weine, die sich zwischen diesen Polen bewegen.»

Christoph Biber Weinhändler Furore Rot-Weiß, München

«Offenbar machen es beide, Traminer und Gewürztraminer, auch den Winzern nicht leicht. Manche gehen den traditionellen Weg und setzen auf Rosenduftigkeit und Süsse, wieder andere zeigen, dass die Sorte auch zu vielen anderen Spielarten bereit ist, man muss sich nur trauen. Das ist eine spannende Herausforderung – und ebenso spannend für den Weinfreund.»

Andrea Heinzinger Redaktion VINUM-Weinguide, München

Die Jury

Von links nach rechts

Harald Scholl
Chefredakteur VINUM Deutschland, Kißlegg
Sein Favorit: Herbert Zillinger, Gewürztraminer «Profund» 2019

Michael Rafzar
Sommelier, Restaurant Broeding, München
Sein Favorit: Selbach-Oster, Gewürztraminer Gutswein 2021

Nicole Retter
Sommelière und Inhaberin einer Weinagentur, München
Ihr Favorit: Pranzegg Martin Gojer, GT 2020

Barbara Berger
Sommelière,
Restaurant EssZimmer, München
​Ihr Favorit: Weingut Rütihof, Gewürztraminer Orange Wine 2021

Nicole Harreisser
VINUM-Redakteurin, Zürich
Ihr Favorit: Trimbach, Gewürz- traminer Alsace AOC 2018

Christoph Biber
Weinhändler Furore Rot-Weiß, München
Sein Favorit: Weingut Andreas Gsellmann, Traminer maischevergoren 2019

Gottfried Wallisch
Geschäftsführer Restaurant Broeding, München
Sein Favorit: Weingut Rütihof, Gewürztraminer Orange Wine 2021

Dominik Kneidl
Restaurant Amistad, München
Sein Favorit: Pranzegg Martin Gojer, GT 2020

Andrea Heinzinger
Redaktion VINUM-Weinguide, München
Ihr Favorit: Scheidgen, Gewürztraminer «Leutesdorfer Gartenlay» 2021

Susanne Platzer
Weinakademikerin, München
Ihr Favorit: Weingut Gross, Gewürztraminer N.B. 2017

 

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