Wir feiern 50 Jahre gemeinsamen Weinbau von Carolin Spanier-Gillot und Hans Oliver Spanier
Die Erfolgsgeschichte Spanier-Gillot
Text: Harald Scholl, Fotos: www.medienagenten.de
Erfolgsgeschichten gibt es viele im deutschen Weinbau, eine doppelte ist aber doch eher selten. Was Caro und H.O. - wie Carolin Spanier-Gillot und Hans Oliver Spanier genannt werden - an den Rheinterrassen und im Wonnegau in 20 beziehungsweise 30 Jahren aufgebaut haben, kann getrost als einmalig bezeichnet werden. Und ist ein Grund, 50 Jahre gemeinsamen Weinbau zu feiern. Hundertprozentig!
Wenn man genau nachrechnet, sind es inzwischen sogar 51 Jahre erfolgreicher Weinbau für das Power-Paar des deutschen Weinbaus, Hans Oliver Spanier hat schon 1991 begonnen, seinen eigenen Wein zu machen; Carolin Spanier-Gillot fing 2002 an die Fäden im Familienweingut in die Hand zu nehmen. Aber so kleinlich sollte man nicht sein - was sind schon Zahlen angesichts der Leistung dahinter? Denn was auf den beiden Weingütern in wenigen Jahrzehnten geleistet und aufgebaut wurde, ist mehr als bemerkenswert. H.O.s Anfänge mit einem betagten Traktor der Marke Bergmeister und ein paar verstreut liegenden Weinbergen im Hügelland des Wonnegaus waren alles andere als einfach. Die Familie Spanier ist seit 300 Jahren in der Region beheimatet, die Wurzeln reichen zurück bis in den Dreissigjährigen Krieg. Die Vorfahren von Hans Oliver waren wohl Söldner aus dem Süden Europas - eben: Spanier. Und die sind nach getanem Kriegshandwerk in der Region hängen geblieben. Wie die Weinberge in die Familie kamen, ist nicht überliefert, sie waren in H.O.s Erinnerung immer da. Aber ehrlich gesagt, mehr auch nicht. Gegen Ende der 90er Jahre war die Lage im Wonnegau für die Weinbauern desaströs, und das ist noch freundlich umschrieben. Kein Weintrinker hielt nach den Weinen Ausschau, die Preise waren im Keller. Eine Situation, wie man sie sich im heute so erfolgreichen Anbaugebiet Rheinhessen kaum noch vorstellen kann. Das könnte allerdings im Rückblick auch der Grund für den Aufstieg gewesen sein. Frei nach dem Motto «Wenn du keine Chance hast, dann nutze sie!» machte sich H.O. an das Himmelfahrtskommando, in den Qualitätsweinbau in der Region einzusteigen.
Das ging nur mit radikalen Massnahmen, die im Winzerumfeld natürlich nicht sofort auf Verständnis stiessen. Sowohl der Qualitätsanspruch ohne Wenn und Aber wie auch die von Beginn an ökologische Wirtschaftsweise sorgten bei vielen Nachbarn für Kopfschütteln, um es freundlich auszudrücken. Die Konsequenz, mit der er einen Weinberg gegen den nächstbesseren, in aller Regel steinigeren tauschte, seine Weine mit wilden Hefen spontan vergor, die Weine länger als jeder andere im Fass reifen liess und dann den Ökoweinbau auch noch auf biologisch-dynamischen Weinbau umstellte, sorgte in Winzerkreisen für ebenso konsequente Verwunderung. Denn der smarte H.O., der auf den ersten Blick auch als Banker aus dem Frankfurter Börsenumfeld durchgehen würde, ist ein echter Weinarbeiter. «Meine Freude für Lebensstil und an schönen Dingen hat die Leute immer ein bisschen überrascht. Die Arbeit dahinter sehen die wenigsten», gibt er selbst unumwunden zu. Er ist bis heute davon überzeugt, dass er in erster Linie im Weinberg und im Keller gebraucht wird, den Vertrieb der Weine und auch das Repräsentieren auf Messen überlässt er gerne den Profis, zu denen ausdrücklich seine Frau Carolin zählt.
«Die Arbeit dahinter sehen die wenigsten.»
Hans Oliver Spanier
Das Ungewöhnliche an ihrer gemeinsamen Geschichte ist in der Tat, dass sowohl Carolin Spanier-Gillot wie auch Hans Oliver Spanier ihre jeweils eigenen Betriebe weiter eigenständig geführt haben. Und das gleichermassen erfolgreich, sowohl Kühling-Gillot wie auch Battenfeld-Spanier können auf eine ganze Reihe von Auszeichnungen und Superlative verweisen, der gemeinsame Titel «Winzer des Jahres» im VINUM Weinguide 2018 ist das beste Beispiel. Wenn der Begriff nicht so ausgelutscht wäre, könnte man mit Fug und Recht also vom Traumpaar des deutschen Weins sprechen. Aber für solch blumige Formulierungen sind die beiden definitiv zu bodenständig.
Eine Nase für Lagen und Reben
«Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen», sagte ein deutscher Kanzler - H.O. ist mit seinen Visionen in den Weinberg gegangen. Seine Vorstellung von Terroir, von Boden und Herkunft kann er bis heute insbesondere im Zellertal umsetzen, einem markanten, fruchtbaren Flusstal mit uralter Kulturgeschichte zwischen Rhein und Nahe. Als er mit der Bewirtschaftung der Weinberge begann, kannte in der deutschen Weinszene eigentlich niemand den Namen der Region, dabei galt das Zellertal um 1900 als Tal der «dicken Weinbauern». Daraus wurde im Laufe der Jahre das Gegenteil, das rheinhessisch-pfälzische Armenhaus, die Situation war verheerend. Aber die grandiosen, reinen Kalkfelsunterlagen hatten sich ja nicht verändert, H.O. war überzeugt, dass sich aus Boden und Reben besondere Weine machen lassen. Er kaufte seine ersten Parzellen im Frauenberg, lange bevor man in den Dörfern ringsum verstand, was das eigentlich sollte. Die Geschichte ist schnell weitererzählt, der Zellerweg am Schwarzen Herrgott und der Zeller Kreuzberg sind heute als VDP.Grosse Lage klassifiziert und von der Weinkritik weltweit mit Höchstnoten ausgezeichnet. Und natürlich sind die Preise für die Lagen im Zellertal schon lange wieder auf dem Weg nach oben. H.O. sagt: «Die Lagen sind einmalig, die Kulturgeschichte ist einmalig. Man schmeckt es den Weinen an. Der Ausdruck und die Aura grosser Weine waren von Anfang an da.»
Anderer Betrieb, gleiche Prinzipien
Ähnlich visionär und konsequent ist auch die Entwicklung des Weinguts Kühling-Gillot. Auch wenn die Voraussetzungen völlig anders waren. Das beginnt mit den Lagen des Familienbetriebs, der - ungewöhnlich genug - immer über die Frauen des Hauses weitergegeben wurde, die Männer wurden, wie Caros Bruder, Juristen. Mit Rebflächen an den Rheinterrassen, namentlich Pettenthal, Rothenberg, Hipping und Ölberg, war der Betrieb auf dem Papier schon immer gut ausgestattet. Aber eben nur auf dem Papier. Für die eigentlich bevorzugten Weinbaubetriebe in der klassischen Rieslingregion waren die Jahre am Ende des 20.Jahrhunderts alles andere als einfach. Caro war schon früh in den Betrieb eingebunden, die klassische «Karriere» einer Winzertochter, mit Strausswirtschaft, Weinlese nach der Schule, Mithilfe im Verkauf. Wirkliche Gedanken darüber, den Betrieb einmal zu führen, hatte sich die junge Caro nicht gemacht. Vielleicht sorgte eine Facharbeit in der 11. Schulklasse bei ihr für das entscheidende «Klick!», sie musste im Englischunterricht über den Weinbau in Australien schreiben. Nach dem Abitur ging es zum BWL-Studium nach Mainz und von da direkt an die Wein-Uni in Geisenheim. Mit Abschluss, Caro darf sich ganz offiziell Dipl. Ing. Weinbau nennen. Praktika bei Comte Lafon und Robert Weil schlossen sich an, 2001 wurde sie Mitglied in der Winzervereinigung Message in a Bottle, damals als einzige Frau.
«Die Natur zeigt uns den Weg. Nur wenn wir richtig zuhören, werden wir die richtigen Lösungen finden.»
Hans Oliver Spanier
Dort lernte sie auch H.O. kennen. Und 2002 übernahm sie offiziell die Verantwortung im heimischen Betrieb, tauschte und kaufte Lagen in Nierstein und Nackenheim, war unermüdlich auf Tour, um die Weine ihres Betriebs zu promoten. In den Folgejahren wurde sie schnell erfolgreich, trotzdem wurde in der Beziehung mit H.O. völlig auf Eitelkeiten verzichtet, jeder hat dem anderen zugestanden, was er am besten kann. H.O. konzentrierte sich auf die Weinberge und den Keller, Caro brachte sich stärker in Verkauf und Marketing ein. Wohlgemerkt, für beide Weingüter.
2006 wurde geheiratet, seitdem werden die Weingüter gemeinsam geführt. Unter H.O. wurden die Weinberge von Kühling-Gillot auf biologischen Anbau umgestellt - mit überraschenden Folgen. Wurde er bei seinem eigenen Start im Zellertal von den Kollegen noch ungläubig belächelt, haben ihn Winzer auf den Rheinterrassen nach Bioumstellung angerufen, um ihre Weinberge in seine Hände zu geben. Auch bei der Umstellung auf Bioanbau wandten sich die Nachbarn an ihn, mittlerweile ist der Hang nahezu herbizidfrei. Höhepunkt waren zwei alte Damen, die ihre Parzelle im Rothenberg nur verkaufen wollten, wenn der Weinberg nicht flurbereinigt wird. Das war keine Frage für Caro und H.O., schliesslich sind die Rebstöcke wurzelecht und gehören zu den ältesten in ganz Weindeutschland. Heute kommt einer der begehrtesten Rieslinge aus dieser Lage, der Rothenberg Grosses Gewächs.
Ein Ende ist nicht in Sicht
Für beide ist das Prinzip des gleichberechtigten Miteinanders nicht nur ein Motto der beiden Weingüter, es ist gelebte Selbstverständlichkeit. Sichtbares Zeichen dafür ist der Bau des gemeinsamen Betriebs in Hohen-Sülzen mit Traubenverarbeitung, Fass- und Flaschenreifekeller. Hier werden die Weine beider Weingüter erzeugt und noch wichtiger: gelagert. 2020 haben Carolin und Hans Oliver den vorerst letzten Meilenstein eingeweiht, einen unterirdischen, naturkühlen Keller mit 1800 Quadratmetern Fläche. Eine gewaltige Investition für die Zukunft, die Weine beider Häuser sollen zum perfekten Zeitpunkt auf den weltweiten Markt gebracht werden. Wer Visionen hat, muss eben nicht zum Arzt. Er - und natürlich auch sie - muss anpacken. Das Power-Team aus Rheinhessen ist dafür das beste Beispiel.