Die deutsche Weinszene
Persönlichkeiten, die den deutschen Wein prägten oder es noch tun werden
Text: Carsten Henn, Rudolf Knoll, Harald Scholl; Fotos: Linda Pollari, z.V.g.
5 Weinpersönlichkeiten, die die Weinwelt in Zukunft positiv beeinflussen könnten
Theresa Olkus: Das Kommunikationstalent
Elterlicher Betrieb, Württemberger Weinkönigin, Studium in Hohenheim, Sommelière «Speisemeisterei», freie Redakteurin, VDP – Theresa Olkus hat eine abwechslungsreiche Karriere hinter sich, als Kommunikationschefin des VDP aber ebenso vor sich. In ihrer Masterarbeit hat sie sich mit Onlinekommunikation befasst. Und ihr Podcast für die Süddeutsche Zeitung ist ein Internethit. Man wird von ihr hören.
Stefanie Hehn MS: Die Ausgezeichnete
Das Kürzel «MS» am Namen darf sie seit Ende 2020 tragen, Stefanie Hehn ist Master Sommelière, eine Auszeichnung, die ganze 269 Menschen weltweit tragen dürfen. Dass sie über unglaubliches Weinwissen verfügt, zeigt auch ihre regelmässige Kolumne im «Handelsblatt», in der sie verständlich über Wein und die Welt darum schreibt. Und: Chef-Sommelière im Hamburger Spitzenrestaurant «Lakeside» ist sie auch noch.
Juliane Eller: Die Bekannte
35000 Abonnenten auf Instagram – darauf wären sogar Fulltime-Influencer stolz. Für Juliane Eller ist diese Zahl weniger wichtig. Auch wenn sie von der Presse gern als Role Model bezeichnet wird, ist sie vor allem Winzerin. Eller zeigt vielen etablierten Kollegen en passant, wie man Wein an den Kunden bringt. Auch durch ihr Projekt mit Joko Winterscheid und Matthias Schweighöfer, das Jüngere für Wein begeistert.
Marc Almert: Der Weltmeister
Wer mit 27 Jahren Sommelier-Weltmeister wird, muss definitiv zielstrebig sein. Marc Almert hat diesen Titel als zweiter Deutscher überhaupt gewonnen. Hauptberuflich ist er Chef-Sommelier im «Pavillon» (zwei Sterne) des Hotels «Baur au Lac» in Zürich, zudem ein weltweit gefragter Speaker und seit kurzem auch im Vorstand der Sommelier-Union. Er ist klug, eloquent und dazu noch ein richtig netter Kerl. Perfekte Eigenschaften für einen Sommelier.
Markus Budai: Der Tausendsassa
In zehn Jahren vom Abiturienten zum Einkäufer und Marketingverantwortlichen beim zweitgrössten Weinhändler Deutschlands und zum Autor für diverse Magazine – viel Zeit hat Markus Budai nicht gebraucht. Er dürfte schon jetzt einer der besten Kenner des Burgunds sein, seine Verkostungs- und Formulierungskunst sind bemerkenswert. Wer wissen will, was sich im internationalen Wein tut, sollte ihm zuhören.
10 Weinpersönlichkeiten, die die Weinwelt in Vergangenheit geprägt haben
Bernhard Breuer: Klassifizierungs-Vater
Der international ausgebildete Winzer und Marketingexperte brachte nicht nur das Familiengut in Rüdesheim nach oben, sondern trieb weit vorausschauend in den 90er Jahren die Klassifizierung mit der Vereinigung der Charta-Weingüter und dem Comitée Erstes Gewächs voran. Er engagierte sich regional bei Festivitäten und bewarb deutschen Riesling bei vielen Auslandsreisen.
Paul Fürst: Vorbildlicher Rotwein-Fürst
Der heute 66-Jährige musste 21-jährig den alteingesessenen Betrieb in Bürgstadt übernehmen, als Vater Rudolf verstarb. In der Region Churfranken zwischen Odenwald und Spessart avancierte er bald zum «Rotwein-Fürst» und zeigte mit feinmaschigen, extrem langen und delikaten Spätburgundern auf: Deutschland kann auch grossen Rotwein. Ein Meisterwerk: die Sanierung des steilen Klingenberger Schlossbergs.
Wilhelm Haag: Das Qualitätsvorbild
Er war sein Leben lang ein Teamplayer. 1984 übernahm er in einer sehr kritischen Phase für den Moselwein mit Massenernten und Skandalen bis 2004 den Vorsitz des Mosel-VDP Grosser Ring. Er predigte «Qualität, Qualität und nochmal Qualität» als Rezept und ging selbst beispielgebend voran. Dass das Gebiet heute wieder Reputation hat, ist einem Kämpfer wie «Willem» zu verdanken.
Bernhard Huber: Legendärer Spätburgunder
1987 trat Bernhard Huber aus der Genossenschaft aus und wollte mit Elan an den grossen Ruf des im Mittelalter berühmten Malterdinger Rotweins anknüpfen. Das gelang recht schnell. Sein Spätburgunder sollte bald Legenden-Charakter haben. Er liess auch seinen Burgunder-Weissweinen viel Zeit, arbeitete gekonnt mit neuem Holz und brachte die Weine meist unfiltriert in
die Flasche.
Franz Keller: Der Kaiserstühler Rebell
Er legte sich mit badischen Behörden, Funktionären und auch Medien an und galt in den 80er Jahren als «Rebell vom Kaiserstuhl». Der unbequeme Winzer und Gastronom («Schwarzer Adler») aus Oberbergen wetterte gegen falsche Sortenpolitik, zu hohe Erträge, zu viele Reglementierungen und plädierte für durchgegorene, ungesüsste Weine. So mancher Kollege wurde bekehrt.
Erwein Graf Matuschka-Greiffenclau: Trommler für Riesling
Bevor er 1975 das Familiengut Schloss Vollrads übernahm, war er im Marketing tätig. Diese Kenntnisse halfen nicht nur bei der Betriebsführung. Er rührte als Präsident des VDP (1978–1990) unermüdlich in einer kritischen Zeit die Werbetrommel für deutschen Riesling, vor allem als Speisenbegleiter. Sein Gut litt darunter. Als die Hausbank Insolvenz beantragte, schied er aus dem Leben.
Egon Müller IV.: Perfekte süsse Elixiere
Vater Egon Müller III. legte in den 60er und 70er Jahren als der «grosse alte Mann des Saar-Weinbaus» die Saat. Sohn Egon Müller IV. liess sie ab 1991 richtig aufgehen. Die edelsüssen Riesling-Prädikate, vor allem aus der Toplage Wiltinger Scharzhofberg, sind perfekte, förmlich ewig haltbare und rare Elixiere, die trotz exorbitanter Preise bei Auktionen weltweit begehrt sind.
Bernd Philippi: Genial und kraftvoll
Er ist fliegender Winzer, wäre in China fast mal verkuppelt geworden und hat sein Weingut Koehler-Ruprecht in Kallstadt ab 1986 mit meist genialen kraftvollen Weinen (Riesling und Spätburgunder) berühmt gemacht. 2009 verkaufte Bernd Philippi, um sich Projekten in Portugal, Südafrika und Kalifornien zu widmen. Seit 2013 gibt es auch wieder Saumagen Riesling «Privatfüllung».
Dr. Manfred Prüm: Keller-Visite tabu
Sein Keller ist für Aussenstehende tabu. Der promovierte Volljurist Dr. Manfred Prüm machte das Weingut Joh. Jos. Prüm, Wehlen weltweit berühmt durch zauberhaft anmutende, filigrane, verspielte Rieslinge mit fast unbegrenzter Haltbarkeit. Wer ihnen allerdings nach dem langen Hefelager und nach der Abfüllung jugendliche Unarten im Aroma unterstellte, konnte sich den Zorn des selbstbewussten Prüm zuziehen.
Hans-Günter Schwarz: Kontrolliertes Nichtstun
Er machte das kaum bekannte Weingut Müller-Catoir in der Pfalz durch grandiose Weissweine international populär und avancierte zum Vorbild für viele Auszubildende, die selbst Topwinzer wurden, z.B. Hansjörg Rebholz und Konrad Salwey. Im Ruhestand ist er als Berater geschätzt. Legendär und oft zitiert ist sein Grundsatz für die Kellerarbeit: «Kontrolliertes Nichtstun».