Das perfekte Weihnachts-Wein-Menü
Weihnachten mit Marc Almert
Text: Thomas Vaterlaus, Bilder: Linda Pollari
Er ist derzeit der beste Sommelier der Welt: Marc Almert, der 2019 die bisher letzte Ausgabe der prestigeträchtigen Sommelier-Weltmeisterschaft im belgischen Antwerpen gewann. In Köln aufgewachsen und in Hamburg in seinem Metier geprägt, ist der 29-Jährige heute Chef-Sommelier im Traditionshaus «Baur au Lac» in Zürich. Für VINUM kreierte er mit dem «Baur au Lac»-Team ein Weihnachtsmenü nach seinem Gusto. Die vier Gänge sind eine Hommage an die frankophile Küche, nicht zu verschnörkelt, sondern klar auf die Produkte fokussiert. «Weihnachten ist für mich nicht der Abend für kulinarische Experimente. Klassiker, raffiniert interpretiert, sind für mich die besten Garanten für einen genussvollen Weihnachtsabend», sagt er. Für die nötige Prise Überraschung sorgt er mit seiner Weinauswahl, die abwechselnd auf komplementären und kontrastreichen Pairings beruht.
«Seit ich im Alter von 17 Jahren in Köln in die Gastronomie eingestiegen bin, habe ich an Weihnachten, also am 24. und 25. Dezember, immer gearbeitet. Ich bin an diesen besonderen Tagen sehr gerne an meinem Arbeitsplatz im Hotel. Die Stimmung ist stets aussergewöhnlich warm und festlich, und anstelle der Businessgäste verwöhnen wir Familien, von denen wir viele kennen, weil sie jedes Jahr an Weihnachten zu uns kommen. Viele geniessen übrigens auch stets die gleichen Weine. Ich schätze solche Traditionen sehr, auch wenn ich so als Sommelier weniger gefordert bin als sonst. Mein persönliches Weihnachtsfest feiere ich dann mit meiner Freundin jeweils am 26. oder 27. Dezember. Meistens mit Klassikern aus der französischen Küche. Ich finde, Weihnachten ist nicht unbedingt der richtige Zeitpunkt für kulinarische Experimente. Auf eine Bouillabaisse oder ein Châteaubriand hingegen freue ich mich schon Tage im voraus. Es sind Gerichte, die in sich einfach so perfekt sind, dass sie einen stets von Neuem begeistern. Und weil sie perfekt ausgewogen im Geschmack sind, lassen sie viel Raum bezüglich der Weinbegleitung. Bei dieser bin ich durchaus auch mal experimentierfreudig und entscheide mich gerne für Gewächse, die nicht als klassische Begleiter für diese Speisen gelten, nach meiner Überzeugung aber trotzdem sehr gut dazu harmonieren. Und es sind fast immer Weine, die mir schon einmal irgendwo begegnet sind.»
Marc Almert
Zum Apéro
«Zu schmackhaften, aber eher deftigen Rillettes gibt es weinmässig zwei Möglichkeiten. Man setzt einen erfrischenden Kontrapunkt oder wählt einen Wein, der gewisse Charakteristiken des Gerichts aufgreift. Für den erfrischend-knackigen Gegensatz steht der Brut Reserve von Schloss Gobelsburg. Die österreichischen Schäumer haben sich qualitativ enorm entwickelt. Zu den Vorreitern dieser Entwicklung gehört auch Schloss Gobelsburg, zu dem ich eine besondere Beziehung habe, weil mich Gutsleiter Michael Moosbrugger bei meiner Sommelier-Laufbahn immer unterstützt hat. Auch ganz generell schätze ich die österreichische Weinszene sehr, die jährliche Präsentation der österreichischen Traditionsweingüter im Schloss Grafengg beispielsweise, ist für mich stets ein Highlight. Ich denke, man geniesst an Weihnachten auch immer gerne Weine, zu denen man eine Beziehung hat, die über die Qualität im Glas hinausgeht. Der Just Riesling von Gut Hermannsberg dagegen ist mit seinem Spiel zwischen Restsüsse und Säure eigentlich ein klassischer ‹Reparaturwein› nach einem ausgiebigen Essen, aber genau diese Weine eignen sich oft auch zum Einstieg. Mit seinem fruchtsüssen Schmelz spielt er mit dem herzhaften Charakter der Rillette. Ernie Loosen hat diesen Weintyp mal als Limonade für Erwachsene bezeichnet, das ist natürlich ein augenzwinkerndes Understatement, aber trotzdem irgendwie nicht ganz falsch…»
Marc Almert
Der Wein
Schloss Gobelsburg
Kamptal, Österreich
Brut Reserve N.V
Cuvée aus Pinot Noir, Riesling und Grünem Veltliner, drei Jahre auf der Hefe gereift. Feine Perlage, die sich ideal mit der Säure des Weins an den Gaumen schmiegt. An Nase und Gaumen intensive Fruchtaromen, vor allem reife gelbe exotische Früchte sowie etwas reifer grüner Apfel. Hefe wahrnehmbar, dank Aromen von Brot, Vanille und Haselnuss. Anhaltender, trockener Nachhall.
19,35 Euro
www.weinfurore.de
Zur Vorspeise
«Der klassische Begleiter zur Bouillabaisse wäre natürlich ein Rosé aus der Provence. Aber im Rahmen eines Weihnachtsmenüs erscheint mir anstelle dieses sommerlichen Klassikers der 1er Cru Engelgarten von Marcel Deiss als eine perfekte Alternative. Der Hauch von Restsüsse spielt ideal mit der Schärfe dieses Gerichtes. Während sich dieser reichhaltige Mischsatz aus dem Elsass also fast schmeichelnd an das Gericht anschmiegt, setzt ein Chenin Blanc aus Südafrika mit seiner kräftigen, aber auch mineralischen und edelwürzigen Art einen eher konträren Akzent. Generell erscheint mir das Elsass mit seiner immer noch klassischen, leicht barock anmutenden Genusskultur wie geschaffen für winterliche Festtage. Ich durfte kürzlich mit Marcel Deiss, einem höchst eigenständig agierenden und im Rebberg biodynamisch wirtschaftenden Winzer, bei ihm zuhause in Bergheim seine Weine verkosten und habe bei dieser Gelegenheit auch der legendären ‹Auberge de I’ll› in Illhaeusern einen Besuch abgestattet. Nicht nur das Restaurant ist eine Institution, sondern auch der 67-jährige Chef-Sommelier Serge Dubs, der seit bald 50 Jahren in diesem Haus arbeitet und 1989 als bester Sommelier der Welt ausgezeichnet worden ist. Von den heute noch lebenden Trägern dieses Titels, der bis jetzt 16 Mal vergeben worden ist, sind Serge Dubs und ich meines Wissens noch die einzigen, die nach wie vor fast täglich im Restaurant arbeiten. Darum ist diese Persönlichkeit für mich eine grosse Inspiration.»
Marc Almert
Der Wein
Marcel Deiss
Elsass, Frankreich
1er Cru Engelgarten 2016
Aus einem im Mischsatz mit Riesling, Pinot Gris, Muscat, Pinot Noir und Pinot Blanc bepflanzten Rebberg. In der Nase intensive Fruchtaromen, vor allem Tangerine und Papaya, dazu intensive Mineralität und Pfefferwürze. Sehr opulent auch am Gaumen, gerade noch trocken, er ist intensiv, mundfüllend und mit langem Schmelz. Nicht zu kühl servieren!
27,29 Euro (2017)
www.alpinawein.de
Zum Hauptgang
«Dieser sehr klassische, kräftige Hauptgang ist für mich ein perfekter Repräsentant einer winterlichen Festtagsküche und erfordert einen Wein, der diesbezüglich auf Augenhöhe agiert. Der Premier Vin Son Mayol meistert diese Aufgabe mit Bravour. Dieser Bordeaux-Blend mit mediterran warm anmutender Fülle wurde vom kürzlich verstorbenen Önologen Patrick Léon konzipiert, früher Kellermeister bei Mouton-Rothschild und Opus One. Er ist übrigens ein klassischer Zweitwein, der die Regel bestätigt, dass Zweitweine in jungen Jahren oft die animierenderen Essensbegleiter sind, während die Erstweine auch heute noch erst ein paar Jahre Reife benötigen, um ihre ganze Klasse zu zeigen. Darum pflegen wir hier im ‹Baur au Lac› zum Glück noch immer die Tradition, die Erstweine ein paar Jahre auf die Seite zu legen, bis wir sie auf die Karte nehmen. Die Syrahs von den Gimbletts Gravels in der Hawkes Bay habe ich auf einer Sommelier-Reise nach Neuseeland kennengelernt. Ich weiss noch, dass wir damals nahe Marlborough in Badehosen am Strand gelegen haben, während in Zürich das Thermometer minus 16 Grad Celsius anzeigte. Gimbletts Gravels bringt kräftige Syrahs mit einer doch immer noch pfeffrigen Frische hervor, sie sind hervorragende Essensbegleiter. Ganz allgemein finden die Top-Terroirs aus Übersee nach meiner Meinung heute zu wenig Beachtung. Als Sommelier sollte man sich ganz generell für alle guten Weine interessieren, egal auf welchem Kontinent sie wachsen. Das Sommelier-Team im ‹Baur au Lac› stammt zwar aus klassischen europäischen Weinländern, Aurélien Blanc, der Manager unseres Pavillon-Restaurants, ist Franzose, meine Kollegin Angelika Grundler und ich kommen aus Deutschland, trotzdem kann ich für uns in Anspruch nehmen, dass wir in Bezug auf den Wein im besten Sinne des Wortes ‹open minded› sind, auch wenn das ‹Baur au Lac› eher für eine klassische Weinkultur steht.»
Marc Almert
Der Wein
Bodega Son Mayol
Mallorca, Spanien
Premier Vin Son Mayol 2016
Klassischer Bordeaux-Blend aus Cabernet Sauvignon und Merlot. Jugendliche, ausgeprägte Rotfrucht, insbesondere rote Brombeere, Cassis und nach Belüftung auch etwas Veilchen und Vanille. Auf der Zunge spürbares, aber perfekt eingebundenes Tannin und auch hier eine pralle Frucht. Belebende Säure und elegantes Finish.
49,90 Euro
www.silkesweinkeller.de
Zum Dessert
«Bei diesem klassischen Dessert denke ich immer an ein inzwischen schon einige Jahre zurückliegendes Essen mit meiner Freundin im ‹Jacobs Restaurant› in Hamburg. Auf der Speisekarte stand ‹mit Äpfeln aus dem Alten Land›, was ich irgendwie rührend fand. Die damaligen Hamburger Jahre waren prägend für mich, wir waren da eine Truppe von Sommeliers, welche die nationalen Wettbewerbe über Jahre hinweg mit dominiert hat. Mit 22 Jahren wurde ich Sommelier im ‹Haerlin› im Hotel ‹Vier Jahrezeiten›, und weil ich wohl noch jünger aussah, als ich war, haben mich die Gäste immer wieder mal verdutzt angeschaut, wenn ich an den Tisch trat, und mich ab und zu auch darauf hingewiesen, dass sie eigentlich den Sommelier am Tisch erwartet hätten... Meine Mutter hat mir darum eine Krawattennadel mit einem eingearbeiteten Weinglas-Symbol geschenkt, als sanften Hinweis nach aussen, dass der Wein mein Fachgebiet ist. Diese Krawattennadel habe ich bei jedem Wettbewerb getragen, sie ist bis heute mein persönlicher Glücksbringer. Zur Apfeltarte geniesst man klassischerweise einen Sauternes, aber auch der Cream Sherry ist eine perfekte Wahl. Sherry ist ein faszinierender Kosmos, der völlig zu Unrecht etwas in Vergessenheit geraten ist. Aber kaum woanders werden so grossartig ausgereifte Weine mit einem so ausserordentlich guten Verhältnis zwischen Qualität und Preis produziert. Zudem lassen sie sich sehr vielseitig als Speisebegleiter einsetzen. Auch der Mitis von Jean-René Germanier bietet mit seiner cremigen Süsse und dem zartbitteren Abgang diesem Dessert in verführerischer Form Paroli. Für mich ist der Wein auch eine Referenz an die faszinierende Süsswein-Kultur von internationalem Format, wie sie heute im Wallis zelebriert wird.»
Marc Almert
Der Wein
Gutiérrez Colosía
Jerez, Spanien
Sherry Cream
Assemblage aus den Sorten Palomino und Pedro Ximénez. Die Nase ist schon sehr weihnachtlich; Zimt, Nelke, gereifte Pflaume und Feige sowie etwas Schokolade. Der dunkle Wein legt sich in den gesamten Mund, mit intensiver Süsse, der die zahlreichen Aromen aber deutlich die Stirn bieten. Ein rundes Finale!
21,90 Euro
www.sherryshop.eu