Interview mit Dominique Piron
Der Beaujolais liegt im Trend!
Dominique Piron ist nicht nur ein bekannter und erfolgreicher Winzer in Morgon, er präsidiert auch die Dachorganisation aller Beaujolais-Winzer. Barbara Schroeder befragte ihn zur aktuellen Situation der Region.
Nimmt man den allgemeinen Tenor zum Massstab, steckt das Beaujolais weiterhin tief in der Krise.
Das scheint mir eine viel zu kurze und sehr oberflächliche Sicht der Dinge. So lange ist es gar nicht her, da war ein Morgon oder ein Moulin à Vent nicht weniger bekannt als etwa ein Châteauneuf-du-Pape oder ein Vosne-Romanée und erzielte sogar ähnlich hohe Preise.
Nach dem zweiten Weltkrieg war unsere Region sogar eine der ersten, die sich aufmachten, die Welt zu erobern. Dank des Erfolgs des Beaujolais Nouveau wurde Beaujolais zu einem der ersten Produkte der Globalisierung. Die Geschichte des Beaujolais Nouveau ist die Geschichte eines aussergewöhnlichen Erfolgs. Doch sie entwickelte eine Art Eigendynamik, geriet uns nach und nach aus den Händen und wirkte sich allmählich negativ auf den Ruf der Region aus. Der Absatz ging zurück, wirtschaftliche Probleme waren die Folge.
Wenn ich eine Flasche Beaujolais auf den Tisch bringe, gelte ich als Weinbanause. Doch kaum ist sie entkorkt, ist sie auch schon leer getrunken.
Unsere Weine sind unkompliziert, ausgewogen, geschmeidig, saftig. Damit liegen sie im Trend der Zeit. Weinfreunde in der ganzen Welt haben heute die Nase voll von diesem Wettlauf um immer konzentriertere, holzbetontere, alkoholstarke Rebensäfte. Heute mag man Weine, die man teilen und geniessen kann, ohne ein Hochschulstudium zu absolvieren. Darum sind Regionen, die ausgewogene und elegante Weine anbieten – wir, die Loire, das Burgund –, auf dem Vormarsch. Beaujolais ist der einzige französische Wein, der im Export zulegt.
«Heute mag man wieder Weine, die man teilen und geniessen kann. Da kommt ein Beaujolais wie gerufen.»
Apropos Burgund: Will das Beaujolais näher zu dieser Region rücken? Vielleicht künftig mehr Pinot Noir pflanzen und weniger Gamay?
Meiner Meinung nach ist das Unsinn. Wir haben eine einmalige Sorte, die auf einmaligen Böden einmalige Weine ergibt. Klar, wir sind noch nicht zurück an der Spitze, haben noch einige Arbeit zu leisten. Doch noch einmal: Frankreich hat im Jahr 2019 zwei Prozent weniger exportiert als im Vorjahr, das Beaujolais hat um elf Prozent zugelegt. Mit Weinen aus Gamay, nicht mit falschen Burgundern!
In Ihrer Region koexistieren drei Welten: Beaujolais, Beaujolais-Villages und zehn Crus oder Gemeindeappellationen. Einige Crus sind weltbekannt, die anderen weniger. Sind zehn zu viel – oder zu wenig?
Die grösste Gemeindezone (Brouilly) ist fast sechsmal so gross wie die kleinste (Chenas). Folglich gibt es weit mehr Brouilly oder Fleurie als Chenas oder Chiroubles. Ich denke nicht, dass zehn Crus zu viel sind – niemand verlangt von einem Weinfreund, sie alle aufzählen zu können. Ich glaube auch nicht, dass wir mehr davon schaffen sollten. Machen wir das Beste aus den aktuell existierenden! Man stampft auch nicht einfach eine Klassierung (Premier Cru, Grand Cru) aus dem Boden. Die nationale Weinbaubehörde INAO ist nicht da, um Utopien, sondern Tatsachen zu bewerten. Wir tendieren in eine andere Richtung. Es gibt auch hier interessante historische Einzellagen mit auf dem Katasterplan eingetragenen Flurnamen. Erfassen wir diese, setzen wir sie ins richtige Licht, machen wir sie bekannter. Und in fünf oder zehn Jahren können wir uns dann die Frage stellen, ob es sich lohnt, einige dieser Climats klassieren zu lassen. Ich glaube nicht, dass Erfolg hat, wer kopiert, was andere tun und in deren Schatten bleibt. Wir müssen unseren eigenen Weg finden.
Wenn ich Sie richtig verstehe, wollen Sie nicht das fünfte Rad am Burgunder Rennschlitten spielen.
Geographisch gehören wir zum Grossraum Burgund. Doch vieles unterscheidet uns von der Burgunder Weinkultur, nicht zuletzt die Traubensorte. Der Burgunder Handel wird einen Beaujolais immer am unteren Ende seiner Preisliste ansiedeln. Nie wird er einen Morgon zum gleichen Preis anbieten wie einen Corton. Fazit: Wir sind auf uns selber angewiesen und müssen unseren eigenen Weg gehen.