Weinverstanden!

Weinlernen in Deutschland

Text: Katharina Matheis, Fotos: TobiasVollmer.de, Hans-Jürgen Vollrath, Illustration: gettyimages/MaksimYremenko/Eugene Valter

Wer mehr über Wein weiss, kann mehr geniessen. Eine Reihe von Schulen vermittelt die passende Weinbildung. Doch die Unterschiede sind gross.

Augen, Nase, Mund und im besten Fall ein Glas: Damit kommt man schon mal ziemlich weit, wenn es darum geht, Wein zu trinken. Kein Mensch braucht ein Diplom, um mitteilen zu können, wie der Wein gerade schmeckt.

Und dennoch gibt es (neben Fussball womöglich) kaum ein zweites Themenfeld, in dem derart gerne gefachsimpelt und diskutiert wird. Ein Blick in einschlägige Online-Foren, ein Ohr an jede beliebige Weinbar, ein Gang zur Weinliteratur in der Buchhandlung zeigt: Viele trinken nicht nur gerne Wein, sondern sprechen und lesen genauso gern darüber.

Wer Zusammenhänge kennt, kann Rückschlüsse ziehen. Wer versteht, warum etwas riecht, wie es riecht, empfindet Aromen plötzlich anders. Wer Hintergründe und Herstellungsprozesse erfasst, kann oftmals neue Dinge wertschätzen. Dinge, die sonst im Verborgenen blieben.

Rund um diese Kombination aus Wissens- und Weindurst hat sich längst eine eigene Branche gebildet: die der Weinschulen. Es sind Orte, in denen probiert, erklärt und diskutiert wird. Institutionen, die die Wahrnehmung schulen und dafür Zeugnisse ausstellen. Unternehmen, die ihre Zertifikate als Zutritt in die Weinbranche vermarkten.

Die Auswahl ist unübersichtlich: von privaten Einrichtungen über Bildungszentren der IHK und Volkshochschulkursen bis hin zu englischen Anbietern wie dem WSETProgramm. Man kann sich auf so viele Weisen mit Wein beschäftigen, dass einem bereits bei der Auswahl schummrig wird.

Die gute Nachricht: In diesem Wirrwarr der Weinbildung ist für jeden das Richtige dabei.

Die Nachricht, die hingegen etwas Aufwand bedarf: Nur wer sich im Vorfeld wirklich Gedanken macht, findet genau den vinophilen Input, der den Weinhorizont erweitert.

Faktenwissen büffeln in Koblenz

Wer in der Weinwelt hoch hinaus möchte, startet oft erstmal in Koblenz. Am Rande der Altstadt steht ein Hotel im Charme der 70er Jahre. Hier befindet sich die Deutsche Weinschule. Sie ist eine von einer Handvoll Adressen in Deutschland, die Menschen zu Sommeliers machen. Insgesamt 400 Stunden dauert es, bis man zur Sommelierprüfung zugelassen wird. Die Tage in den Konferenzräumen gleichen oft einem Geografiestudium. Orte, Täler und Lagen werden abgefragt, die sieben Grand-Cru-Appellationen im Chablis sollte man genauso parat haben wie die Rebsortenverteilung in der Franciacorta. «Um argumentieren zu können, müssen Sommeliers Faktenwissen haben. In der Prüfung zählt das genauso wie handlungsorientierte Aufgaben », sagt Johannes Steinmetz, der die Schule leitet. Dabei geht es nicht nur um auswendig gelerntes Wissen. Die Schüler trainieren auch den praktischen Umgang damit. Foodpairing-Regeln, das Gestalten einer Weinkarte oder der stilechte Service stehen ebenfalls auf dem Stundenplan. Zudem gibt es zahlreiche Inhalte, die erstmal nichts mit Wein zu tun haben, betriebswirtschaftliche Kurse wie Weinkalkulation und Warenbeschaffung etwa. Hier wird klar: Sommelier ist ein Beruf, kein Hobbyworkshop. Das zeigen auch die Zulassungsvoraussetzungen, zu denen unter anderem eine mehrjährige Berufserfahrung zählt. «Der Werdegang zum Sommelier ist eine Berufsqualifikation. Wir bilden Gastronomiefachleute aus», sagt Steinmetz.

Gastronomisches Bildungszentrum Koblenz e.V.
www.weinschule.com

Die WSET-Karriere

Weniger gastronomieorientiert, dafür umso internationaler zeigt sich die Seminarwelt des WSET. Das britische Unternehmen hinter dem «Wine and Spirits Education Trust» ist der grösste Anbieter von Weinkursen weltweit. Die WSET-Qualifikation ist längst eine Standardwährung in der Weinbranche, ihr Aufbau bestechend einfach: vier Niveaustufen, die mit jedem Level etwas stärker in die Tiefe gehen. Die Lerninhalte sind auf der ganzen Welt einheitlich. Sie umfassen Länder, Anbauweisen, Rebsorten oder Weinstilistiken. Der WSET-Fokus ist durchaus global mit Schwerpunkt auf der neuen Weinwelt. So beschäftigt man sich mit Tälern in Kalifornien, Flüssen in Australien und Bergen in Chile, während das Seminarbuch gerade einmal vier Seiten zu Deutschland bereithält. Dies hat schon manchen Europäer irritiert, dafür steht am Ende des Kurses eine Prüfung, die weltweit anerkannt wird.

«Die Nachfrage nach unseren WSET-Kursen ist in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen. Zum einen gibt es keine Zulassungsbeschränkung, zum anderen geniesst das WSET-Zertifikat internationale Reputation», sagt Johannes Steinmetz von der Deutschen Weinschule.

Die grösste Stärke des WSET-Systems ist derweil seine grösste Schwäche: die strenge, schematische Struktur. Wer etwa nach Methode der Briten verkostet, bestimmt einzelne Geschmacksdimensionen von Wein in den Abstufungen «hoch», «mittel» oder «niedrig». Der Charakter eines Weines und die feinen Nuancen, die sich nur mit Worten beschreiben lassen, sind in dem Verkostungsschema irrelevant. Diese Herangehensweise ist vielen zu starr, doch hat sie geschafft, woran schon viele andere scheiterten: einen internationalen Standard zu schaffen. Insgesamt 80 Kursanbieter gibt es weltweit, und so finden sich auch in Deutschland WSET-Anbieter in vielen Städten (siehe Übersicht).

International Wine Institute, Bad Neuenahr-Ahrweiler
www.iwi-sommelier.de

Weinkurse nach eigenem Gusto

Doch nicht jeder Weinenthusiast wünscht sich ein Abschlusszertifikat oder einen Universalkurs à la WSET. Manche wollen ausschliesslich lernen, was sie persönlich interessiert. Auch hier lohnt sich ein Blick in die Weinschulen. Ob Sensorikseminar, Rioja-Masterclass oder Rebschnitt-Grundkurs: Das Kursangebot ist facettenreich und meist ohne Zugangsvoraussetzung. Jedoch sind die didaktischen Unterschiede gross. Während die einen auf Selbstdisziplin setzen, wird bei anderen Teamarbeit grossgeschrieben. Während die einen kurze Kompaktkurse anbieten, offerieren andere den steten Tropfen. So finden sich auch in Deutschland WSETAnbieter in vielen Städten (siehe Übersicht).

Deutsche Hotelakademie, Fernstudium
www.dha-akademie.de

Ahrtaler Teamplayer

Mittagspause mit den Mitschülern im Weinberg, diskutieren in vertrauten Teams, regelmässige Alumnitreffen: Wenn Alexander Kohnen über die Atmosphäre am International Wine Institute (IWI) in Bad Neuenahr-Ahrweiler spricht, klingt das, als gehe es um einen geliebten und herzlichen Verein. Eine Gemeinschaft, die nicht nur das persönliche Lieblingsthema bietet, sondern Geselligkeit gleich dazu. Auch hier kann man zum Sommelier werden oder die WSET-Stufen durchlaufen. Doch daneben gibt es auch Angebote für Hobby-Weinenthusiasten: Sensoriktrainings, Weinkennerseminare oder Ahrtal-Masterclasses. Das Team-Prinzip bleibt dabei gleich.

«Wir arbeiten grundsätzlich in kleinen Gruppen mit maximal 16 Teilnehmern. Gerade bei Wein haben viele Novizen anfangs Angst, sich zu blamieren. Dieses Gefühl wollen wir so schnell wie möglich ausräumen», sagt Alexander Kohnen, der die Schule vor elf Jahren gegründet hat. Rund 2200 Teilnehmer unterrichtet das IWI-Team pro Jahr. «Wir sind sehr persönlich und ermöglichen dadurch oft eine gute Gruppendynamik. Die sensorische Bildung entsteht bei uns immer im Austausch», sagt Kohnen.

Doch dieser Gruppenspass passt nicht zu jedem. Manch einer möchte lieber alleine lernen oder kann sich an keine festen Kurstermine binden. Genau auf solche Menschen hat sich die Deutsche Hotelakademie spezialisiert. Sie ist die einzige Weinschule, die ausschliesslich Fernlehre anbietet. Statt Präsenzunterricht gibt es Onlinevorlesungen, Videotutorials oder Online-Trainings. Und trotz fehlenden Klassenzimmers bleibt niemand auf dem Trockenen sitzen. Denn einmal im Monat kommt ein Weinpaket per Post. Im abendlichen Video-Livestream verkosten die Dozenten dann gemeinsam mit den Teilnehmern zu Hause. Die DHA als Onlineanbieter hat damit auch einen weiteren Vorteil: Sie ist die einzige Weinschule, bei der die Probeflaschen nicht geteilt werden müssen.

International Wine Institute, Bad Neuenahr-Ahrweiler
www.iwi-sommelier.de

Interview mit Ernst «Ernie» Loosen

Zur weltweiten Relevanz des Titels befragten wir Globetrotter Ernie Loosen, der das jahrhundertealte VDP-Weingut Dr. Loosen an der Mosel leitet. Er zählt zu den Vorreitern der deutschen Weinszene im internationalen Markt und exportiert mittlerweile zwei Drittel seiner Weine.

Welches Renommee hat der «Master of Wine» in der Weinbranche?

Jeder weiss, wie unglaublich schwierig diese Prüfung ist und wie niedrig die Chance ist, den Titel zu bekommen. Dadurch geniesst er natürlich hohe Anerkennung und Respekt.

Und trotzdem führt der Titel nicht automatisch zu den Topjobs in der Weinbranche. Inwiefern?

Der Master of Wine ist in puncto Wein natürlich sehr gebildet und hat Fleiss bewiesen. Doch es ist keine anwendungsbezogene Ausbildung. Sie ist eher theoriefokussiert. Die grossen Casinos in Las Vegas stellen beispielsweise eher Master Sommeliers ein, da diese praxisbezogene Kompetenzen haben.

Für wen ist der MW geeignet?

In Asien ist das Renommee sicher etwas grösser und oft werden die Masters of Wine als Markenbotschafter eingesetzt. Viele MWs machen den Lehrgang jedoch aus einem privaten Antrieb heraus. Sie wollen sich komplett im Wein verwirklichen und investieren deshalb diese drei bis fünf Jahre.