VINUM-Profipanel | Rhône-Blends
Latin Lovers
Text: Thomas Vaterlaus, Fotos: Linda Polari
Die Sensation vorneweg: Mit dem Tinata 2014 von Monteverro landete völlig unerwartet ein Italiener auf dem ersten Platz dieses Panels mit Blends aus Rhône-Sorten! Ansonsten erfüllte die Probe die hohen Erwartungen: Mit würziger Fülle und reifer Frucht, aber zunehmend auch animierender Eleganz zaubern die Rhône-Blends auf sehr einheitlich hohem Niveau sommerliches Flair in den mitteleuropäischen Herbst. Und die Rhône ist heute überall: Von Frankreich und Spanien über Südafrika und Australien und neuerdings eben auch Italien, ergeben Assemblagen aus Grenache, Syrah, Mourvèdre und Co. erstklassige, ja betörende Weine, deren Herkunft aber zunehmend schwieriger zu erkennen ist.
Wooow, was für eine überraschende, extrem anspruchsvolle, weil durchweg sehr hochstehende Verkostung, die eigentlich keine Verlierer haben darf. Mit derartigen Rhône-Blends kann der Konsument nun wirklich fast nichts falsch machen. Er hat qualitativ immer sehr viel Wein im Glas, mit intensiver Aromatik und geschmeidigem Tannin. Tatsächlich waren die Bewertungen bei dieser Panel-Verkostung auf hohem Niveau sehr einheitlich. Alle 30 Weine erhielten Bewertungen zwischen 17 und 18 Punkten, bei keinem anderen der bisher rund 30 durchgeführten Panels lagen die Noten so eng beisammen. Kein Wunder: Denn mit ihrer Stilistik, bestehend aus Fruchtfülle und geschmeidiger Eleganz, kommen die Weine eben nicht nur bei den Konsumenten ausgesprochen gut an, auch die Profis verfallen dem Charme dieser Blends. Sie gehören damit zu den wenigen Weintypen, die auf der ganzen Linie mehrheitsfähigen Genuss garantieren!
Bei fast allen der verkosteten Weine gibt die Sorte Grenache, die für weiche Fruchtfülle sorgt, den Ton an, während der Syrah eher pfeffrige Würze in die Weine bringt und Mourvèdre eine gerbstoffbetonte Langlebigkeit. Früher als Rhône- oder Châteauneuf-du-Pape-Blends bezeichnet, hat sich in den letzten Jahren vermehrt der Begriff «GSM» (die Anfangsbuchstaben der drei Sorten) durchgesetzt. Einer der ersten international bekannten Weine, der dieses Kürzel verwendete, war der «GSM» von Rosemount aus Südaustralien, der mit dem Jahrgang 1994 erstmals abgefüllt worden ist. Heute gilt der Begriff fast schon als Synonym für Rhône-Blends aus allen Anbaugebieten der Neuen Welt.
Waren früher die Rhône-Blends aus der alten Welt (Frankreich und Spanien) oft daran zu erkennen, dass sie neben Fruchtfülle eben auch eine kernige Struktur und eine Aromatik zeigten, die von edelkräuterigen und erdig-pfeffrigen Noten geprägt waren, hat sich inzwischen die Stilistik über die Ozeane hinweg stark einander angenähert. Folglich ist auch die Gleichung «Viel Frucht, viel Würze = Neue Welt» nicht mehr unbedingt zielführend. Diese zentrale Erkenntnis der Verkostung wird von allen 14 Verkostern geteilt. Tatsächlich sind die Weine mit überbordender Eichenholzwürze genauso verschwunden wie jene mit überreifer, «rosinig» wirkender Frucht. Die Analyse der Resultate zeigt dann aber doch, dass die althergebrachte Abgrenzung wenigstens im Ansatz noch immer erkennbar ist. Von den insgesamt 30 bewerteten Weine hat die Jury nämlich deren elf als «elegant» (und eben nicht «wuchtig») eingestuft. Und von diesen elf eleganten Weinen wiederum stammten deren acht aus Europa (fünf davon aus dem südlichen Frankreich).
Weniger Alkohol als früher
Trotzdem ist es eine Tatsache, dass die Weine über die Länder und Kontinente hinweg längst nicht mehr so «südlich üppig» daherkommen wie noch vor 10 oder 20 Jahren. Die moderne Interpretation eines Rhône-Blends definiert sich vielmehr durch eine erstaunliche Balance zwischen Fruchtfülle mit einem Hauch von Extraktsüsse und einer fast schon kühl anmutenden frischen Straffheit. Das bestätigt auch ein Blick auf die Alkoholwerte der Weine. Obwohl die Anbaugebiete der Rhône-Sorten mehr als andere von der Klimaerwärmung und der daraus folgenden Wasserknappheit betroffen sind, profitieren die Winzer offensichtlich davon, dass sich die Sorten eben auch sehr gut an die extremen Bedingungen adaptiert haben. Ein angepasstes Rebmanagement sowie eine tendenziell frühere Ernte sorgen dafür, dass die Rhône-Blends heute im Mittel einen erstaunlich moderaten Alkoholwert von 14,5 Volumenprozent aufweisen.
Besonders erfreulich: Das volle Rhône- oder GSM-Feeling gibt es schon für erstaunlich wenig Geld. Der günstigste der Top-10-Weine ist schon für weniger als 25 Franken (Euro) zu haben. Interessant ist auch, dass die teureren Gewächse weit weniger mit perfekt geschliffener, samtiger Fruchtfülle punkten, sondern mehr eigenständigen, individuellen Ausdruck, sprich Ecken und Kanten, zeigen.
Die Jury
(von links nach rechts)
Paul LiversedgeMW Weinhändler und Journalist. Sein Favorit: Châteauneuf-du-Pape-Cuvée Mourre des Perdrix 2016 von Domaine de la Charbonnière (F)
Christoph Pichler Weinhändler. Sein Favorit: Bandol 2014 von Château de Pibarnon (F)
Alain Kunz Journalist. Sein Favorit: Côtes du Roussillon Villages 2015 von Domaine Mas Amiel (F)
Andy Panhans Weinhändler. Sein Favorit: Clarry’s GSM 2017 von Kalleske (AUS)
Jean-Claude Hofstetter Geologe. Sein Favorit: Selecció Terra Alta 2015 von Edetària (E)
Thomas Vaterlaus Chefredakteur VINUM. Sein Favorit: True Believer 2015 von Hammell Wine Alliance (USA)
Nicole Harreisser Redakteurin VINUM. Ihr Favorit: The Third Man 2014 von Gramercy Cellars (USA)
Mario Aschwanden Weinhändler. Sein Favorit: Châteuneuf-du-Pape-Cuvée Réservée 2015 von Domaine du Pegau (F)
Walter Zweifel Weinhändler. Sein Favorit: Duncan Savage 2016 von Savage Wines (ZA)
Beat Caduff Gastgeber Caduff’s Wineloft. Sein Favorit: True Believer 2015 von Hammell Wine Alliance (USA)
Lidwina Weh Sommelière. Ihr Favorit: Razzmatazz Priorat 2015 von Mas Cantrio (E)
Carsten Fuss Weinhändler. Sein Favorit: David Elpidios 2014 von David & Nadia (ZA)
Ilona Thétaz, Önologin. Ihr Favorit: Tinata 2014 von Monteverro (I)
Victor Steffenelli, Gastgeber. Sein Favorit: Clos Martinet 2016 von Mas Martinet (E).
«Mit ihrer verführerischen, das Herz wärmenden Frucht sind das perfekte Weine für kalte, graue Wintertage. Dazu tragen nicht nur die Würz- und Fruchtnoten bei, sondern auch der stets präsente Duft nach sommerlichen Garrigue-Kräutern. Auch die Tannine sind mehrheitlich weich und rund. Und trotzdem sind es komplexe Weine. In der Weinwelt gibt es wohl keine perfektere Medizin für ein ganzheitliches Good Feeling.»
Paul Liversedge MW Weinhändler, Consultant und Autor, Stallikon
«Das Panel war qualitativ durchweg sehr hochstehend. Allerdings muss man schon aufpassen, dass man von den glamourös molligen Weinen nicht allzu sehr eingelullt wird. Denn Persönlichkeit ist in diesen Weinen nicht viel drin. Ich bevorzuge die nicht zu reifen, sondern eher filigranen und mineralisch geprägten Weine. Es gab sie auch in diesem Panel, auch wenn sie es nicht leicht hatten zwischen all den Bodybuildern...»
Ilona Thétaz Önologin, Sion
«Die Herkunft dieser Blends ist zunehmend schwieriger einzuordnen. Vor zehn Jahren konnte man noch annehmen, dass überbordende Würznoten eine Charakteristik der Neue-Welt-Weine sind, aber die haben zwischenzeitlich eklatant an Struktur und Finesse zugelegt. Der rosinige Touch etwa ist fast gänzlich verschwunden. Und auch die erdig-kräuterig-kantige Stilistik ist keine rein europäische Eigenschaft mehr.»
Lidwina Weh Sommelière, Wohlen
«Für viele steht das Kürzel GSM für überbordende südliche Fruchtfülle schlechthin. Doch diese Panel-Verkostung hat gezeigt, dass auch die Rhône-Winzer ihre Stilistik weiterentwickelt haben. Das marmeladig Überreife ist weniger geworden, die Weine zeigen generell mehr Eleganz und Trinkfluss, selbst die Crus aus den Topjahren 2015 und 2016. Einige Weine werden auch in zehn Jahren noch Spass machen!»
Beat Caduff Gastgeber Caduff’s Wineloft, Zürich
«Das Niveau der Probe war durchweg hoch. Es gab wenige Ausreisser nach oben und unten. Dies ist auch ein Hinweis, dass die Stilistik dieser Weine heute einheitlicher ist als bei anderen Sorten. Die Unterschiede zeigen sich meist in Nuancen. Mit ihrer geschliffenen, geschmeidigen Art, gepaart mit Extraktsüsse, vertreten die Weine eine klare Message, die bei Kritikern wie Weinliebhabern ausgesprochen gut ankommt.»
Mario Aschwanden Weinhändler, Regensdorf
«Da die GSM-Weine fast ausschliesslich in heissen Regionen reifen, könnte man annehmen, dass sie mehr von der Klimaerwärmung mit Hitze und Dürre betroffen sind als Sorten, die eher im Norden reifen. Doch die Winzer wissen offensichtlich mit den erschwerten Bedingungen umzugehen. Ich war jedenfalls überrascht, wie viele Weine nicht alkoholische Wucht, sondern Eleganz, gepaart mit Komplexität, offenbarten.»
Jean-Claude Hofstetter Geologe und Weinakademiker, Zürich