Profipanel | Blends aus Südafrika
Das Beste vom Kap
Text: André Dominé, Fotos: Maree Louw
Neben sortenreinen Weinen boten Südafrikas Winzer über Jahre nur einen Blend aus Bordeaux-Sorten an. Längst hat ihre Kreativität diesen strikten Rahmen gesprengt. Mit viel Erfolg bei Kritik und Publikum. Welcher Stil hat aber heute die Nase vorn? Weiterhin die noch immer dominierenden Bordeaux-Blends? Wir schickten Cape Blends mit Pinotage, Blends mit Shiraz, aber auch mit Sorten unterschiedlicher oder nur mediterraner Herkunft ins Rennen. Ein schwieriger, aber packender Test.
«Das war schon eine schwierige Verkostung», stöhnte Johan Edström, schwedischer Wein-Tausendsassa, «denn wir hatten alle Arten von Blends, Rhône-Blends, Bordeaux-Blends, Cape Blends... Die Weine zeigten sich extrem unterschiedlich in ihren Ansätzen. Einige waren ziemlich old fashioned südafrikanisch, viele aber durchaus modern. Südafrika hat ausserordentliche Fortschritte gemacht!» Wir hatten die Cape Wine Show, zu der die Regenbogennation alle drei Jahre einlädt, als Anlass genommen, die roten Blends unter die Lupe zu nehmen. Da die Messe Wein-Profis aus vielen Ländern anzieht, konnten wir acht erfahrene Verkoster aus fünf Ländern zusammentrommeln, um zu vermeiden, dass beim Panel ein Geschmack dominierte. «Es war eine überraschende Verkostung», meinte Jo Wessels, 2018 vierfach ausgezeichneter Sommelier. «Da waren die grossen Namen, die man kennt. Aber sie gemeinsam und verdeckt zu verkosten, da erhält man ein anderes Ergebnis, als man normalerweise erwartet. Von der Qualität her waren die alle auf einem wirklich sehr hohen Niveau.»
Statt auf der hektischen Messe zu verkosten, nahmen wir gerne Harald Bresselschmidts Angebot an. Der weinbegeisterte Chef des legendären Restaurants «Aubergine» in Kapstadt hat für Weine und Wein-Events mit dem Lokal «Auslese» eine nahe zweite Adresse geschaffen. Dort hatte Ralph Reynolds, Sommelier des «Aubergine», alles perfekt vorbereitet, die 25 Weine gut eine Stunde vorher in identische Karaffen dekantiert, nummeriert und sie im Nebenraum aufgereiht, wo jeder der acht Verkoster sich frei bedienen konnte, in der ihm genehmen Abfolge. Im eleganten Saal war ein langer Tisch weiss eingedeckt worden, wo sich das Verkoster-Team bestens konzentrieren konnte. Auf diese Weise wurden die unterschiedlichen Assemblagen und Stile immer wieder miteinander konfrontiert.
Die Jury
(v.l.n.r.)
Johan Edström
Weinautor, -verkoster, -ausbilder, Stockholm (S)
André Dominé
Weinautor, Trilla (F)
Chantelle Gous
Senior Sommelière, Singita Sabi Sand Reserve (ZA)
Ralph Reynolds
Sommelier, Aubergine, Kapstadt (ZA)
Christine Austin
Weinautorin und -jurorin, London (GB)
François Rautenbach
Direktor Singita Premier Wine, Stellenbosch (ZA)
Jo Wessels
Sommelier, Wiesbaden/Bloemfontein (D + ZA)
Thomas Vaterlaus
Chefredakteur VINUM, Zürich (CH)
Noch sehr jugendliche 2015er
Um es vorweg zu nehmen, die vier Bordeaux-Blends aus dem hochgelobten Jahrgang 2015 taten sich schwer. Aufgrund von hoher Konzentration, oft intensiver Extraktion oder langen Maischestandzeiten, gefolgt von nicht selten 18 bis 24 Monate langem Ausbau in viel neuer Eiche, auf eine lange und brillante Zukunft abzielend, wirkten sie sehr jung und noch nicht wirklich harmonisch. Keineswegs schlecht bewertet – schliesslich hatten wir es ausschliesslich mit Spitzenweinen zu tun – versetzten diese Blends, in denen oft Cabernet Sauvignon dominiert und die im Alkohol höher lagen als andere Kategorien, unser Panel nicht in Begeisterung. Immerhin notierte Sommelier Ralph Reynolds bei Kanonkops berühmtem Blend Paul Sauer: «Tiefe Komplexität, ausdrucksvoll, gut strukturierter Wein, jedoch noch sehr jugendlich.»
Am besten schnitten zwei Weine aus dem Jahrgang 2016 ab, bei denen die trockenen und extrem heissen Bedingungen mit präzisen Aromen, Finesse und Frische perfekt gemeistert wurden, insbesondere Nederburgs The Brew Master, der in der Reihe The Heritage Heroes herauskommt. «Wunderschöne intensive Aromen», schwärmte François Rautenbach, einer der einflussreichsten Einkäufer in Südafrika, «grosser Gaumen, Spannung und feinkörnige Tannine, lange Zukunft.» Dem stimmte VINUM-Chefredakteur Thomas Vaterlaus zu: «Am Gaumen toll strukturiert.» Bemerkenswert, wie es dem Riesen Nederburg mit seinen 1100 Hektar Rebflächen, unter der Leitung der zierlichen Kellermeisterin Andrea Freeborough, gelingt, eine ganze Anzahl an solchen Spitzenweinen herauszubringen.
In der von vier Weinen repräsentierten Gruppe der Cross-over-Blends ist alles erlaubt. Während drei Blends sozusagen aus dem Vollen schöpften, hob sich der Rotwein von Leeu Passant deutlich ab. Bei diesem neuen Projekt von Andrea und Chris Mullineux sowie Weinbergspezialistin Rosa Krüger in Franschhoek wurde ein historischer Blend neu erfunden, indem die beiden Cabernets mit Cinsault von 94 respektive 116 Jahre alten Rebparzellen vereint wurden. «Erinnert an die Roten der nördlichen Rhône», fand Sommelier Jo Wessels, «delikat parfümiert, aber mit einem Kick an feinen Tanninen.» Aber er stand fast alleine da mit seiner sehr positiven Bewertung dieses Blends. Anders beim The Jem 2012 vom Waterford Estate, dem ältesten, aus acht Rebsorten komponierten Wein der Verkostung. Er heimste gleich fünfmal hohe Punkte ein und war damit einer der am besten bewerteten Weine. Er war auch der erste Wein, der Christine Austin, unermüdliche Weinkolumnistin der Yorkshire Post, wirklich begeisterte: «Feste, gut extrahierte Tannine mit Fruchttiefe und Gewürzen, harmonisch, ausgewogene Struktur mit langem Nachhall», notierte sie. Dagegen gefiel ihr The Drift Moveable Feast, der originelle Blend von Bruce Jack, Ex-Flagstone and Accolade, mit «viel Eiche und Karamell» nicht, während deren «Charme, Konzentration und prägende Frucht» Thomas Vaterlaus überzeugten. Mit Sebastian Beaumonts spannendem Vitruvian zählte ein weiterer, vor allem von Mourvèdre inspirierter Blend zu diesem Quartett völlig eigenständiger Kreationen.
«Die meisten Weine zeigten guten Fruchtkern und Reinheit, ohne zu holzbetont oder extrahiert zu sein. Durch die ganze Reihe gab es gute Balance. Die Blends mit mehr Rote-Frucht-Noten und leichterem Holzcharakter ragten wegen ihrer Frische und ihres interessanteren Profils hervor. Es war eine grossartige Verkostung, die stolz vorführte, wie weit die südafrikanischen Weinmacher vorangekommen sind.»
Chantelle Gous Senior Sommelière, Singita Sabi Sand Reserve (ZA)
Je nachdem, ob sie nach Australien oder Frankreich schielen, arbeiten die Südafrikaner mit Shiraz oder Syrah. Das schmeckt man
deutlich in den Blends, in denen die Rhône-Sorte dominiert. Shiraz kommt mit mehr Dichte, Fülle, mehr Tanninen und oft auch mehr süsser Eichenholzwürze daher. «Gemacht, um zu beeindrucken», notierte François Rautenbach beim Small Barrel SMW von Bellingham, ein Charakteristikum für viele Shiraz-Rote. Dennoch setzte sich in dieser Vierergruppe, trotz teils klarer Kritik wie «massive Tannine, rustikal», dieser Stil durch. «Runde Aromen und Gewürze, attraktiv am Gaumen, lebendig mit dunkler roter Frucht, ausgewogene Eiche», lobte Christine Austin. Bei Saronsbergs Full Circle schwärmte Chantelle Gous, im Busch stationierte, feinfühlige Sommelière: «Klare Frucht, Rauch und Vanille ziehen sich durch bis an den Gaumen, fokussiert bis ins Finale; rote Kirschen im Abgang, gute Balance!» Donovan Ralls Red begeisterte Ralph Reynolds, der bewunderte, wie die Aromen nach und nach an Vielschichtigkeit und Intensität zunahmen. Bei Granum aus dem Hemel-en-Aarde-Tal schieden sich aber die Geister. Der kühle, frische und elegante Syrah-Stil der Pinot-Noir-Spezialisten Nadia und Gordon Newton Johnson erschien manchen etwas zu sauer und zu kurz. So wurden in dieser Kategorie nur zwei Blends sehr gut bewertet, aber keiner schaffte es letztlich in die kleine absolute Spitze.
Kamen bei den sechs Bordeaux-Blends mit ihrem hohen Anteil an Cabernet Sauvignon vier aus dem dafür berühmten Gebiet Stellenbosch, gab es weder bei den Cross-over- noch bei den Shiraz-/Syrah-Blends ein dominierendes Anbaugebiet. Bei den mediterranen Blends aber kamen vier der fünf Weine aus dem Swartland. Die fünfte vom Vriesenhof in Stellenbosch war ohnehin das fünfte Rad am Wagen, denn in einem ganz anderen, leichter zugänglichen, gefälligen Stil vinifiziert. Zwei Weine setzten sich an die Gesamtspitze der Verkostung, die beiden Sadies. Eben Sadie mit der bekannten Cuvée Columella sowie David und Nadia Sadie – sie sind nicht miteinander verwandt –, die mit Elpidios sogar die Nase vorn hatten. «Wunderschön ausgewogener Wein mit guter Frucht, feiner Eiche und Röstnoten», schwärmte Johan Edström vom Columella, nur dass es sich eben nicht um «lovely cab/merlot» handelte. Für Chantelle Gous war Elpidios einer ihrer drei Lieblinge. «Vibrierende klare Frucht, weisser Pfeffer, floral, ausdauernde rote Frucht bis zum Finale mit griffigen Tanninen und Muskatnoten.» «Nicht überextrahiert», merkte sie lobend an. Aber auch Erasmus, von Erlank Erasmus, Ex-Fairview-Winemaker, zu Ehren seines niederländischen Urahns Pieter Erasmus, der 1693 ans Kap kam, und der seit damals weinerzeugenden Familie so benannt, fand Liebhaber wie Christine Austin, die Frucht, Konzentration, Tannine und Harmonie rühmte. Nicht anders Radford Dale Black Rock, dessen gemeinsam vergorene Cuvée aus sechs südlichen Rebsorten von Chantelle Gous mit einer Höchstnote ausgezeichnet wurde: «Rote-Kirschen-Sorbet, kandierte Note, Rosenblüten, Erdbeeren, am Gaumen klar, zielstrebig ausgerichtet mit feinen Details.» Erstaunlich ist, dass ausgerechnet die Weine aus dem trockenen und heissen Swartland die niedrigsten Alkohol-grade – zwischen 13 und 14,1 Volumenprozent – verzeichneten!
Wie Pinotage unter den sortenreinen Weinen ist der Cape Blend unter den Cuvées eine Spezialität Südafrikas. Er soll zwischen 30 und 70 Prozent Pinotage enthalten und kann aus allen Anbauregionen stammen. Diese Vorgabe lässt den Weinmachern so viel Freiheit, dass man kaum Gemeinsamkeiten feststellen kann. Doch gibt es grossartige und wirklich überraschende Cape Blends. Wie Stamboom aus Elim. Conrad Vlok betreibt nicht weit vom Cape Agulhas das südlichste Weingut Afrikas, wo es sehr kühl und windig ist. So gelingen ihm und den Kollegen in Elim herrlich knackige Sauvignon Blancs. Er aber verlegt sich zunehmend auf rote Sorten wie Pinot Noir und Syrah, aber auch Grenache, Cinsault und Pinotage. «Wilde Nase, Pferdesattel, verbunden mit der Frische von reifer roter Kirschfrucht, ausgewogener Gaumen mit feiner Säure und gutem Tannin-Grip, gute Trinkigkeit mit einem seriösen Touch», notierte Jo Wessels hingerissen. Conrad Vlok überlässt dabei Pinot Noir die Führung, doch er bringt mit Cinsault den anderen Kreuzungspartner des Pinotage ins anregende Spiel. Einen krassen Gegensatz dazu stellt der Auret des Clos Malverne dar. Er wird so stark vom Cabernet Sauvignon dominiert, dass der Pinotage völlig überlagert wird. KWV schlägt beim Abraham Perold Tributum für rund die Hälfte der Verkoster mit Kraft, Stärke und Holz über die Stränge. Beim Whole Lotta Love von Springfontein an der Walker Bay kommt der Pinotage mit intensiver Frucht, Fülle und runden Tanninen gut zum Zuge. Für Überraschung sorgte Opstals Carl Everson, der John Edström begeisterte: «Sehr gelungen, komplex, intensiv und ausgewogen.» Chantelle Gous stimmte ein: «Keine überreife Frucht, mittlerer Körper, gute Balance von Frucht und Frische, freundlich und weich, zeigt weder Eiche noch zu viel Einsatz.» Damit traf sie genau die Absicht von Weinmacher Attie Louw auf dem grossen Familiengut zu Füssen der Slanghoek-Berge. «Wir zielen auf Komplexität, Balance und Eleganz», erklärt Attie. «So wollen wir den Weintrinker nicht mit zu viel Eichen-Extraktion überrumpeln und stattdessen die Frucht Kapitän des Schiffes sein lassen.»
Und das Fazit dieser Verkostung? «Wir hatten hier eine weite Auswahl an roten Blends, die die schiere Qualität der südafrikanischen Frucht und des gut gemeisterten Weinmachens vorführten», meinte Christine Austin beeindruckt. «Viele Weine zeigten eine erhöhte frische Aromatik, waren zudem verlockend, und natürlich, obwohl es einige wenige gab, die einen schwerhändigen Extrakt-Stil vorwiesen, der bei hohen Preisen beeindrucken mag, aber Finesse und Eleganz riskiert», kommentierte François Rautenbach. «Die verkosteten roten Blends wiesen eine grosse Bandbreite an Stilistiken auf», konstatierte Thomas Vaterlaus. «Am besten waren für mich jene Weine, die südafrikanische Richness mit neuem Temperament verbinden.»