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Sommeliers als Weinmacher

Text: Romana Echensperger, Fotos: z.V.g.

Als Spitzensommeliers haben sie eine lange Ausbildung durchlaufen, die gesamte Weinwelt bereist, die besten Weine verkostet und mit Winzern gefachsimpelt. Sie kennen die Vorlieben ihrer Gäste, setzen Trends, können sich aufgrund ihrer Erfahrung eine eigene Meinung leisten und auch mal Kritik üben. Was liegt also näher, als dass Sommeliers selbst Wein machen? Wir haben mit drei von ihnen gesprochen und erfahren, dass es doch nicht so einfach ist, wie es auf den ersten Blick scheint.

Claudia Stern

Echter Riesling soll es sein

Die gebürtige Badenerin Claudia Stern ist unbestritten die Grande Dame der Kölner Gastronomie. Seit Jahrzehnten begeistert die erfahrene Sommelière und Gastgeberin mit unerschöpflicher Kreativität ihre Gäste. Ihre Expertise ist auch bei Winzern gefragt. Mehrere Weingüter berät sie in Sachen Stilistik und Marketing.

Ihr neuester Streich ist der ganz trockene Mosel-Riesling, den sie zusammen mit dem Weingut Römer in Traben-Trarbach auf den Markt bringt. «Von privaten Geniessern hört man oft, Riesling wäre zu süss oder zu sauer», erklärt sie dazu. «Dabei gibt es für jeden Trinker den richtigen. Ich mag echte Rieslinge. Der Bääng ist ganz trocken.» Ihre Erfahrung, was in der Speisenbegleitung gut funktioniert, fliesst mit in die Entscheidungsprozesse ein. Sie diskutiert dabei viel mit ihren Consultingwinzern und muss aber auch erkennen, dass es nicht immer einfach ist, Veränderungen vorzunehmen. «Die Natur muss mitspielen. Das macht einen demütig», erklärt sie. Und erzählt von einem Weissburgunder, den sie eigentlich mit Frische und Leichtigkeit auf die Flasche bringen wollte und der am Ende doch 14 Volumenprozent Alkohol hatte. «Er schmeckt allen, aber ich wollte eigentlich was ganz anderes», erklärt sie und lacht dabei.

Eigene Weine den Gästen zu empfehlen fällt ihr dabei nicht immer leicht. «Es gibt so viele Etikettentrinker und wir haben in Traben-Trarbach nicht die Toplagen, die vergleichbar wären mit der renommierten Wehlener Sonnenuhr. Da fällt es mir schwer zu sagen: Probier doch mal.» Den Verkauf hält auch sie für den schwierigsten Teil des Winzerdaseins. Schliesslich gibt es so viel Wein auf dem Markt und am Ende entscheidet nicht immer die Qualität, sondern Preis, Image, persönliche Beziehungen oder andere Faktoren.

Doch der Traum vom eigenen Weingut ist da, auch wenn sie sich das ohne Weinbaustudium nicht zutraut. Dabei reizt sie vor allem der Umgang mit der Natur. «Eigentlich ist das der Schlüssel zum Glück. Mehr Zeit in der Natur zu verbringen. Vieles wird einem erst dann richtig klar und auch die Sätze im Verkauf kommen viel authentischer rüber», schwärmt sie. Claudia Stern gehört zu den Menschen, die stets neugierig im Leben bleiben. Man darf gespannt auf ihre neuen Projekte sein.
www.wine-and-glory.de

Weingut Römerhof, Mosel 2018

Bääng Riesling trocken

16.5 Punkte

Hellgelb mit Aromen von Zitruszesten, Aprikosen, weisse Blüten und Schieferwürze. Jahrgangstypisch ist die reife Säure, weshalb der betont trocken ausgebaute Wein nicht spröde oder anstrengend schmeckt. Am Gaumen dominieren saftige Frucht, cremige Textur und ein animierend verspieltes Finish. Es ist der ideale Zech-Riesling für Weinkenner.


Jürgen Fendt

Raus in die Natur

Jürgen Fendt zu erreichen ist nicht ganz leicht. «Ich wohne und arbeite in einem riesigen Funkloch», meint der sympathische Franke und lacht dabei. Er war knapp 30 Jahre mit grosser Leidenschaft Sommelier. Heute lebt er in der Ortenau seinen Traum vom eigenen Weingut. «Es war eine tolle Zeit im Restaurant. Aber ich wollte dann endlich raus in die Natur», erzählt er von seinen Beweggründen.

Angefangen hat alles ganz klein, mit einem Wein, den er zusammen mit den Auszubildenden kreierte. «Das Bareiss liegt weit ab vom Schuss, da hatten die riesige Langeweile.» Mit einer Vesper im Gepäck ist er mit dem Nachwuchs in die Weinberge eines befreundeten Winzers gefahren. So entstand der erste Auszubildenden-Wein, der im Hotel zum Verkaufserfolg wurde. «Die waren alle stolz wie Bolle und haben den Wein anstatt Bier oder einem Viertele jedem angeboten», erzählt er weiter. Nach kurzer Zeit kamen mehrere Winzer auf ihn zu und haben ihm ihre Steillagen angeboten. So kam eines zum anderen. Heute bewirtschaftet er fast 4 Hektar Weinberge, die mit seinen Lieblingssorten Riesling und Spätburgunder bestockt sind.

Weinberg und Kellertechnik zu meistern, war für ihn weniger ein Problem. Ausserdem packt die Familie mit an, um die Arbeit zu bewältigen. Die grösste Herausforderung ist der Verkauf. «Meine Weine sind nicht Mainstream. Ich will das so machen, wie ich das international erschmeckt habe», erklärt er. Dazu gehört, den Rieslingen ein Gerbstoffgerüst mitzugeben, spontan zu vergären und lange auf der Hefe liegen zu lassen. So entstehen Weine die nicht auf eingängige Frucht getrimmt sind. «Meine Weine sind als Essensbegleiter konzipiert. Das ist mir sehr wichtig. Da hilft etwas Phenolik, um zum Beispiel Röstaromen zu integrieren», erläutert er seine Stilistik.

Auch seine Spätburgunder sollen nicht überreif, schmelzig und vielleicht mit ein paar Gramm Restzucker daherkommen. Rückgrat und Reifepotenzial sind ihm auch hier wichtig. Damit besetzt er in der Ortenau eine Nische. Für ihn ist das kein Problem. Er will sich nachhaltig entwickeln und seinen Kundenstamm aufbauen. Sein persönlicher Gewinn, in und mit der Natur zu arbeiten, kann ihm sowieso keiner nehmen. Sein Wunsch für die Zukunft: «Ich brauche keinen grossen Luxus. Ich will noch lange Leben und noch viele gute Weine machen.»
www.fendtwein.de

Fendt Weinfamilie, Baden 2012

Stich den Buben Riesling

17.5 Punkte

Strohgelb mit einem gereiften, komplexen Bouquet. Aromen von Trockenfrüchten, Fichtensprossen, Zitrusfrucht und Blüten. Am Gaumen ist er vollmundig, die zarte Süsse und Säure ist harmonisch integriert und wird von konzentrierter Frucht und einem phenolischen Biss ausbalanciert. Es ist ein komplexer und fein gereifter Essensbegleiter.


Stefan Weise

Die grosse Liebe

Während seiner Zeit als Sommelier im Eifeler Hotel «Sonnora» hat es bei ihm gefunkt. «Ich habe mich schon damals in die Mosel verliebt», schwärmt der gebürtige Dresdner. Über 20 Jahre hat er in den besten deutschen Restaurants als Sommelier gearbeitet, bevor er sich als Berater selbständig machte und nebenbei auch Moselrieslinge vinifiziert. Dabei würde er nirgendwo sonst Wein machen wollen. «Die Vielfalt des Rieslings hier hat mich schon immer fasziniert. Diese Vielschichtigkeit von trocken bis fruchtig ist einmalig», erzählt der begeisterte Moselliebhaber. Knapp einen halben Hektar Rebfläche bewirtschaftet er nun in zwei Steillagen. Das ergibt rund zwei Fuder Wein jedes Jahr. «Das ist zu viel, um als Hobbywinzer alles selber zu trinken», erklärt er und lacht sympathisch.

Auch er hatte aufgrund seiner langjährigen Erfahrung eine klare Vorstellung davon, wie er Wein machen wollte. Dabei spielte das Thema Speisenbegleitung keine Rolle. «Mir war das nie so wichtig. Wenn ich Bordeaux zur Seezunge trinken wollte, habe ich das gemacht», gibt er ganz pragmatisch zu. Vielmehr ging es um die Machart. Er wollte seine Rebflächen ökologisch bewirtschaften, was im Steilhang besonders viel Handarbeit bedeutet. «In allem, was ich in meinem Leben gemacht habe, ging es mir immer auch um den Lerneffekt. Ich wollte verstehen, was die Winzer erzählen.» Aber es gibt auch Herausforderungen. «Man merkt erst einmal, wie abhängig der Winzer von der Natur ist», gibt er zu. «Gerade in einem Jahr wie 2014 mit seinen Wetterkapriolen wurde mir bewusst, wie der Stress durch die Klimaerwärmung grösser geworden ist.» Da hilft, dass ihm sein Freund Franz Josef Eifel mit Rat und Tat zur Seite steht. Auch er ist Biowinzer an der Mosel und stellt ihm zudem seinen Keller samt Equipment zur Verfügung.

Im Keller gibt Stefan Weise seinen Weinen viel Spielraum. «Ich vergäre meine Rieslinge spontan und es ist mir egal, ob sie am Ende trocken oder halbtrocken werden, solange sie in sich stimmig sind», erklärt er seine Philosophie. Ausserdem verkauft er seine Weine erst, wenn er sie für trinkreif hält. «Ich kann mir das leisten, weil ich davon nicht leben muss», erklärt er. Auch er kennt die Schwierigkeiten der Vermarktung. Gerade wenn man aufgrund des aufwändigen Steillagenanbaus mehr für eine Flasche Wein verlangen muss. Sein Fazit nach zehn Jahren Hobbyweinbau fällt daher nüchtern aus: «Seine Philosophie zu verfolgen und dabei die Betriebswirtschaft im Blick zu haben, ist nicht einfach. Für mich ist das ein erfüllendes Hobby und ein zweites Standbein. Alleine davon leben möchte ich nicht.»
www.weise-wein.de

Weinhaus Stefan Weise, Mosel 2015

Neumagener Rosengärtchen Riesling feinherb

17.5 Punkte

Strohgelb mit würziger, fruchtbetonter Nase. Im Glas Aromen von Rosenblüten, kandiertem Ingwer, Pfirsich, Schieferwürze und ein Hauch von Exotik. Am Gaumen ein geniales Spiel zwischen pikanter Säure, Frucht, Mineralität und kandierter Süsse. Es ist ein verspielter Moselriesling, der nicht süss, sondern fruchtig ist.

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