Deutschlands exklusive «Trockene»
Trocken Extra
Text: Peter H. Müller, Fotos: z.V.g.
Unter internationalen Kennern hat sich der deutsche Wein den Nimbus aus goldenen Zeiten bereits zurückerobert. Allerdings sind es, wie auf Weinkarten des frühen zwanzigsten Jahrhunderts, zumeist edelsüsse Weine, die preislich die Spitze bilden – doch es gibt auch trockene Kult-Weine, die in hohe monetäre Dimensionen vorgedrungen sind. Betrachtet man diese raren Flaschen als Kunstwerke, sind Winzer ihre Künstler. Wir haben sie zu ihren Kultweinen interviewt und stellen zehn der teuersten trockenen vor.
#1
Weingut Keller, Flörsheim-Dalsheim, Rheinhessen
G-Max Riesling
Herausragende Jahrgänge: 2001, 2010, 2015
«G-Max ist ein Riesling, der Tradition und Herkunft verbindet. Präzise und tiefgründig, hochedel und komplex, doch stets trinkanimierend mit der Energie des Kalksteins, ist er ein Denkmal an Georg Keller, der das Weingut aufgebaut hat. 2001 zur Geburt von Max Keller ist er zum ersten Mal entstanden. Er ist der flüssige Ausdruck bester Böden, unserer Arbeit und, in den Worten von Jancis Robinson, kein Wein, sondern schlichtweg blosse Leidenschaft.» (Klaus Peter Keller). Eine Flasche, zusammen mit elf anderen, erhältlich in der Kellerkiste «Von den Grossen Lagen».
Kistenpreis etwa 1500 Euro | www.keller-wein.de
#2
Weingut Battenfeld-Spanier, Hohen-Sülzen, Rheinhessen
CO Riesling
Herausragende Jahrgänge: 2008, 2012, 2015
«Beim CO ist die Fruchtigkeit völlig reduziert. Stein, Kalk und Würze gaben ihm seinen Namenszusatz ‹Liquid Earth by H.O.›. Seidig und zart, ohne dabei seine Kraft und Dichte zu verstecken, verführt er mit Noblesse. Stilistisch vielmehr an einen grossen Burgunder erinnernd als an einen Riesling, symbolisiert der Wein die tiefe Zugehörigkeit zu seiner Herkunft, den Böden und dem Fels der besten Parzellen des Frauenbergs und Zellerwegs Am Schwarzen Herrgott.» (Carolin Spanier-Gillot)
150 Euro | www.kuehlingandbattenfeld.com
#3
Weingut Dr. Bürklin-Wolf, Wachenheim, Pfalz
Kirchenstück G.C. Riesling
Drei herausragende Jahrgänge: 2001, 2002, 2004
«Das Kirchenstück, ein Weinberg mit sakraler Ausstrahlung, ist Massstab allen Handelns im Weingut. Der Wein hat ein enormes Reifepotenzial. Deutlich geprägt von den unterschiedlichen Böden, mit einer gewaltigen Mineralität, ist er sehr druckvoll am Gaumen und in einem fest gewirkten Gerüst aus Eleganz, Körperspannung und Länge. Durch den Ausbau im grossen, alten Stückfass zeichnet sich der Wein durch Klarheit, Komplexität und eine feinziselierte Struktur aus.» (Steffen Brahner)
140 Euro | www.buerklin-wolf.de
#4
Weingut Ziereisen, Erfringen Kirchen, Baden
Jaspis Gutedel 104 Alte Reben
Herausragende Jahrgänge: 2011, 2012, 2015
«Schlank, mit wenig Alkohol erinnert seine Feuerstein-Aromatik an Coche-Dury. Angelehnt an das Burgund, aber nach traditioneller Machart des Markgräflerlands, ist er handgelesen, spontan vergoren und wird nach zwei bis drei Jahren auf der Hefe im gebrauchten Halbstück ohne Filterung gefüllt. Für uns ist es immer wieder faszinierend, wie die neutral schmeckende Rebsorte Gutedel den Jurakalk und Kordonschnitt von 10 000 Reben pro Hektar (10⁴) jedes Jahr aufs Neue anders zeigt.» (Edeltraud Ziereisen)
125 Euro | www.weingut-ziereisen.de
#5
Weingut Friedrich Becker, Schweigen, Pfalz
Heydenreich Monopol Pinot Noir
Herausragende Jahrgänge: 1996, 2010, 2015
«Tiefe rote Beerenfrucht trifft auf Trüffel, Schwarzbrot und Sandelholz sowie einen Hauch von Tabak. Durch beste Extraktion ist er hochkomplex und extraktstark, jedoch steht stets Eleganz vor Kraft und Feinheit sowie Subtilität vor Vordergründigkeit. Als Understatement präsentiert er sich wie die Eisenfaust im Samthandschuh. Wir empfehlen den Heydenreich nicht vor seinem achten Jahr zu geniessen. Sein Reifepotenzial beträgt mindestens dreissig Jahre.» (Friedrich Wilhelm Becker)
125 Euro | www.friedrichbecker.de
#6
Weingut Bernhard Huber, Malterdingen, Baden
Wildenstein Spätburgunder Grosse Lage
Drei herausragende Jahrgänge: 2004, 2009, 2010
«Schon vor über 700 Jahren kultivierten, aus Burgund kommende Zisterziensermönche Spätburgunder im Filetstück Wildenstein der Grossen Lage Bienenberg. Sein purer, sehr eisenhaltiger und wild formierter, verwitterter Muschelkalk verleiht dem Wein Länge und Dichte sowie Eleganz und eine fein verwobene Reduktion. Kleinsterträge von Pinotklonen auf schwachwüchsigen Unterlagen werden nach 18 Monaten in französischen Barriques unfiltriert gefüllt.» (Julian Huber)
120 Euro | www.weingut-huber.com
#7
Weingut Zehnthof Luckert, Sulzfeld am Main, Franken
Creutz Sylvaner***
Drei herausragende Jahrgänge: 2012, 2015, 2017
«Aufgrund des Alters des 1870 gepflanzten Weinbergs, den wir 2009 vor dem Aushauen retten und wieder aufpäppeln konnten, ist der Creutz ein flüssiges Kulturdenkmal. Ein unaufgeregter, in sich ruhender Wein, der durch seine kühle, gelbfruchtige Art und unheimliche Würze Gänsehaut erzeugt. Treu unserer Stilistik im Viertelstück ausgebaut, fasziniert er, trotz aller Konzentration, durch seine unwahrscheinliche Vielschichtigkeit, Eleganz und Leichtigkeit.» (Wolfgang Luckert)
100 Euro | www.weingut-zehnthof.de
#8
Weingut Peter Jakob Kühn, Oestrich, Rheingau
Schlehdorn Riesling
Drei herausragende Jahrgänge: 2012, 2013, 2015
«Der Schlehdorn ist eine 1954 gepflanzte Parzelle innerhalb des Sankt Nikolaus. Er landet immer im selben Fass, bleibt drei Jahre lang bei uns und nimmt so alles auf: Stolz, Zweifel und Angst, Liebe und Euphorie. Mit intensiver gelber Frucht zeigt sich enorme Spannkraft und schwebende Feinheit. Er ist samtig und markant zugleich, voller Substanz, kraftvoller Struktur und Dichte, dabei trotzdem mit tänzelnder Finesse und elektrisierendem Finale.» (Peter Bernhard Kühn)
95 Euro | www.weingutpjkuehn.de
#9
Jean Stodden Das Rotweingut, Rech, Ahr
Spätburgunder Lange Goldkapsel
Drei herausragende Jahrgänge: 1999, 2006, 2011
«Die Lange Goldkapsel stammt aus einer besonderen Parzelle des Herrenbergs, deren Wein sich stets qualitativ abzugrenzen wusste. Seit 1995 muss er jährlich durch unseren Familienrat und wird beim geringsten Zweifel zum Herrenberg GG. Raum einnehmend, intensiv und lang sorgt er mit immenser Eleganz, sanften Tanninen und Reichtum an Finesse sowie steiniger Würze für ein Fest für Gaumen, Geist und Seele.» (Alexander Stodden)
85 Euro | www.stodden.de
#10
Weingut August Kesseler, Rüdesheim am Rhein, Rheingau
Cuvée Max Rheingau Pinot Noir
Drei herausragende Jahrgänge: 2004, 2013, 2015
«Die Cuvée Max stammt aus alten Rebanlagen des Assmannshäuser Höllenbergs und ist erstmals im Jahr 2000 in enger Verbundenheit mit meinem langjährigen Weggefährten Max Himstedt entstanden. Leicht und kühl am Gaumen, dem Pinot huldigend, zeigt sich der Wein dennoch warm und geschmeidig mit hochfeiner Mineralik. Er ist ein femininer Pinot Noir, der nach etwa sieben Jahren die Spannung aus fruchtigen und kräutrigen Aromen seines Terroirs zur vollen Geltung bringt.» (August Kesseler)
75 Euro | www.august-kesseler.de
Der Tanz auf schmalem Grat
Die Aufgabe, die sich diese zehn Weingüter Jahr für Jahr stellen, ist ebenso simpel wie die wohl grösste Herausforderung: mittels des Mediums Rebe schnörkellos und unverfälscht einen Ort in direkter Verbindung mit seinem Jahresverlauf zu dokumentieren. Als aussenstehendem Betrachter geht es einem leicht von der Hand, diese Weine skeptisch, oft gar vorwurfsvoll als schlichtweg teuer zu titulieren. Sollte man sich jedoch nicht selbst einmal vor Augen führen, wie kostbar sie eigentlich sind? Diese Weine sind Botschafter einer ganzen Kultur und zelebrieren den Tanz auf dem schmalen Grat, wo Kunst, Handwerk und Landwirtschaft auf Augenhöhe innig sinnieren.
Paul und Sebastian Fürsts Spätburgunder Hundsrück (125 Euro) gehört genauso zu diesen Weinen wie auch Benedikt Baltes Spätburgunder Terra 1261 (119 Euro) oder Michael Teschkes Silvaner Mission (130 Euro). Emrich-Schönlebers Riesling Auf der Ley wird jedes Jahr ausschliesslich über die Versteigerung verkauft, deshalb ist sein Preis nicht fest benennbar, Magnums des 2017ers findet man im Netz für 287 Euro. Fast alle solche Preziosen werden nur in homöopathischen Mengen produziert. Im internationalen Vergleich muss man unterscheiden zwischen hochpreisigen Marken, die einen massgeschneiderten Stil produzieren, und, wie im Burgund, einem Ort, der in logischer Konsequenz in eine limitierte Menge an Flaschen projiziert wird. Ein Grand Cru bedeutet nicht zwingend, dass dies der beste Wein des Weinguts ist, sondern vielmehr, dass dies die akribischste Wiedergabe der Besonderheit dessen ist, was genau jenem Platz innewohnt. Demnach liegt, insbesondere im weltweiten Vergleich, die Frage auf der Hand, ob diese zehn Weine und glücklicherweise viele mehr im eigentlichen und wörtlichen Sinne nicht sogar preiswert sind; also ihren Preis wert.