Granit & Co.
Steinzeit im Weinkeller
Text: Rudolf Knoll, Fotos: Schloss Affaltrach, Kraftkinz
Holz, Stahlbeton, Kunststoff, Beton, Ton und Glasfiber hatten wir schon. Jetzt kommt, so scheint es, ein neuer «Mantel» für den Ausbau von Wein in Mode – Granit. Und neuerdings sogar noch Muschelkalk und Basalt.
Begonnen hat alles vor einigen Jahren, als ein niederbayerischer Steinmetz-Bildhauermeister auf einer Messe in Gols (Burgenland) seine Arbeiten ausstellte und am Abend in einer Winzerrunde die Frage aufgeworfen wurde, ob sich denn nicht mit seinem Material Granit Wein ausbauen lässt. Machbar wäre das, vermutete der Gesteins-Profi. Er gründete die Firma Natursteinfass in Deggendorf und fand schnell experimentierlustige Winzer, die das nötige Kleingeld für die Anschaffung eines solchen Behälters hatten. Zwischen rund 10 000 Euro für das 400-Liter-Behältnis und etwa 16 000 Euro für die grösste Version (1130 Liter) mussten überwiesen werden, um Wein von Granit umschmeicheln zu lassen. Noch grösser darf das Steinfass nicht sein, sonst können sich Risse bilden.
Für die teure Anschaffung sind die Herstellungskosten verantwortlich. Der Behälter wird aus einem Granitblock aus dem Bayerischen Wald gefertigt. Der Rohblock, der herausgesprengt wurde, muss in die entsprechende Form gebracht werden. Dann übernimmt ein Steinmetz die weitere Formung per Handarbeit. Ein Spundloch muss gebohrt werden, ein Deckel gefertigt. Am Ende hat das Steinfass eine Wandstärke von 10 cm, am Boden sind es 15 cm. Das Gewicht beträgt bei der grössten Ausführung 1784 Kilogramm. Dass das Material strahlende Eigenschaften hat, ist kein Problem. Die natürliche Radioaktivität ist nach entsprechenden Analysen beim Wein unbedenklich. Etwas nachdenklich stimmt in diesem Zusammenhang, dass entsprechende Nachfragen bei verschiedenen staatlichen Stellen in Rheinland-Pfalz und Württemberg ohne Reaktion blieben und sich offenbar niemand darüber Gedanken machte, dass hier möglicherweise Gefahr mit «strahlendem Wein» bestand.
Vinologische Spielwiese
Die Vorzüge scheinen den Aufwand zu rechtfertigen. Granit ist ein Temperaturspeicher und ermöglicht damit eine kühle Vergärung ohne zusätzliche Massnahmen. Die Molekularstruktur verhindert eine feste Verbindung mit Weinstein, der dadurch einfach ausfällt. Die Reinigung ist leicht. Konservierung ist bei trockener Lagerung nicht notwendig. Der Hersteller gibt 30 Jahre Garantie. In der Praxis zeigte sich, dass sich die Wand förmlich mit Wein vollsaugt und Feuchtigkeit an der Aussenwand abgesondert wird. Deshalb muss alle paar Wochen etwas Schwundausgleich vorgenommen werden. Die Winzer, die bisher mit Granit arbeiten, haben nach eigener Bekundung keine Probleme, deutlich höhere Preise durchzusetzen, wenn man die Herstellungsmethode erklärt und mit Begriffen wie «Steinwein», «Steinvision» oder einfach nur «Granit» argumentiert. Die Anschaffungskosten können schnell amortisiert sein, wenn mutig an der Preisschraube gedreht wird. Dass die Behälter in der Nachbarschaft von Barriques mit ihrem Waschtrog-Charme etwas fremd anmuten, ist nicht störend.
Granit gerät in den Kellern zur vinologischen Spielwiese. Manche Winzer versuchen es einige Monate oder sogar mehr als ein Jahr mit dem Ausbau im Granit, andere lassen den Wein darin ohne Zusatz von Reinzuchthefen vergären und anschliessend auf der Feinhefe ruhen. Auch eine Weiterreifung im Edelstahl wird praktiziert, ebenso eine vorherige Vergärung im Stahl. Erlaubt ist (vorläufig) alles, weil es noch keine Langzeit-Erfahrungen gibt. Ein erfindungsreicher Winzer wie der Moselaner Andreas Schmitges aus Erden baut den gleichen Riesling im normalen Holzfass, im Stahl und im Granit aus. Im Vergleich liegen Granit und Holz qualitativ gleich auf, nur bekommt der Wein vom Granit mehr Mineralität mit. Die Stahl-Variante fällt etwas ab. Aber die Kundschaft ist begeistert von der Möglichkeit, das Trio Wood, Steel und Stone zu verkosten. Getestet wurde das Trio auch vom österreichischen Magazin «Der Winzer». Die Kollegen attestierten dem Granit-Riesling «einen angenehmen mineralischen Grip und einen erfrischenden Zug am Gaumen».
VINUM machte mit einigen Winzern und Mitarbeitern der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau in Veitshöchheim eine umfangreiche Probe mit Vergleichsweinen. Die Meinungen fielen unterschiedlich aus. Dr. Helmut Zänglein aus Veitshöchheim urteilte, es sei sicher eine Ergänzung im Ausbau, aber nur sinnvoll für ohnehin hochwertiges Material. Hermann Mengler, Frankens Weinbauberater, sieht Granit in der Wirkung «näher bei Edelstahl». Die Behälter seien keine «Wundermaschine», könnten aber für mehr Struktur und vielleicht etwas mehr Alkohol sorgen. Rainer Sauer, der seit Jahren Silvaner im Beton-Ei ausbaut und damit gute Erfahrungen gemacht hat, sieht die Sache etwas kritisch. «Für mich findet keine Veredelung statt, ich habe öfter einen leicht bitteren Abgang registriert.»
Einige Erzeuger wurden schon mit einer speziellen Kunden-Anfrage konfrontiert. Würde es nicht einfach reichen, ein paar Granitbrocken zum Wein in den Stahltank zu legen, um ihn preiswerter zu machen? Die Antwort ist klar: Nein, der Wein kann so nicht durch den Stein atmen, wird nicht natürlich sanft konzentriert.
Vielversprechender Muschelkalk
Granit muss nicht der letzte Schrei für den alternativen Ausbau sein. Eine Variante ist Muschelkalk. Winzer Jochen Meintzinger aus Frickenhausen wagte sich mit dem Jahrgang 2016 und Silvaner an dieses Material, das im fränkischen Boden mit Keuper bestimmend ist, in seinem Fall aber aus der Pfalz stammt. Von drei Behältern à 300 Liter lieferten zwei einen ausgezeichneten Wein, der dem Vergleichswein aus Edelstahl überlegen war. Der dritte Behälter war wohl zu porös und wurde – wie der Wein darin – entsorgt. 2017 hat Meintzinger ausgelassen, aktuell liegt der 2018er Silvaner im Muschelkalk.
Inzwischen gibt es mit Markus Schmachtenberger aus Randersacker sogar einen «Nachahmungstäter». Er hat seine beiden Natursteinbehälter von einem fränkischen Steinmetz innen mit Weinsäurepaste bestrichen und anschliessend ausgiebig bewässert. Jetzt hofft er nach längerem Lager auf der Feinhefe auf einen mineralischen, hochwertigen Silvaner-Jahrgang 2018. Auch die Bayerische Landesanstalt für Weinbau in Veitshöchheim probierte mit dem Jahrgang 2017 und Silvaner erstmals Muschelkalk aus. Hausherr Dr. Hermann Kolesch zieht Zwischenbilanz: «Das Material ist vielversprechender als Granit.» Und deutlich preisgünstiger.
Einer, der gleich auf zwei Stein-Hochzeiten tanzt, ist der Steirer Stefan Krispel aus Hof bei Straden im Vulkanland. Er startete 2007 mit Basalt. Darauf lässt Vater Toni schon seit etlichen Jahren köstlichen Speck vom Wollschwein reifen. In den massiven Weinbehältern mit 350 bis 450 Liter Fassungsvermögen legte Krispel Weissburgunder, Grauburgunder und Sauvignon Blanc. Längere Maischegärung ist nach seinen Erfahrungen notwendig. Zu einem stimmigen Endprodukt trägt bei, dass Basalt Gerbstoff aus dem Wein zieht. All das dauert, auch weil die Weine nach einem Jahr im Stein noch ein Jahr ins Holz und vor der Füllung in Stahl gelegt werden. Inzwischen arbeitet Krispel zudem mit Granit. Nur ist die Konstellation inzwischen anders als früher. Die niederbayerische Firma Steinfass zog sich aus dem Geschäft mit Granit-Behältern zurück und offeriert nur mehr Restbestände, wenn gewünscht auf Leihbasis oder mit einer Monatsmiete.
Neue Strategie
Den Zeiger in die «Steinzeit» gedreht hat eine neu gegründete Aktiengesellschaft namens Granbarrel mit Sitz in der Schweiz und Teilhabern in Österreich. Deren Strategie ist es, Erzeugern Granitbehälter zur Verfügung zu stellen und dann die Weine (und wohl bald noch Brände) als Natursteinprodukt «an qualitätsbewusste Premiumkunden» zu verkaufen, exklusiv und weltweit. «Der Ausbau der Weine wird überwacht», informiert Verwaltungsrat Klaus J. Aumayr, Österreicher mit Sitz in St. Gallen. Über hundert grosse Granit-Behälter hat man bereits vergeben, vorwiegend in Österreich. Die Preise der Weine mit einheitlicher Ausstattung werden in Absprache mit den Weinerzeugern festgelegt. Die Winzer haben die Möglichkeit, die Weine teilweise selbst ihren Kunden zu offerieren. Mit dem Weinverkauf wurde Ende 2018 gestartet. Eine Vorprobe für VINUM mit 2017er Weinen aus Österreich liess nebst bereits erstklassigen Ergebnissen aber auch erkennen, dass sich einige Erzeuger in einer Lernphase befinden und noch etwas üben müssen, um ihre Weine auf ein überzeugendes Niveau zu bringen.
Hinsichtlich der Rebsorten gibt es bislang keine Prioritäten beim Ausbau im Stein-Behälter. Weissweine werden aber von den Erzeugern bevorzugt, für Rote gibt es noch wenig Erfahrungen. Die Österreicher sind mit Granit sehr aktiv, zum Beispiel Marlies Müller-Grossmann aus Furth-Palt im Kremstal. Die Kontrolle des Weines beim Ausbau funktioniert wie bei der Vinifikation im Stahl oder im Holzfass.