Bischöfliches Weingut Rüdesheim


Halbgott mit PS

Text: Eva Maria Dülligen, Fotos: Jana Kay

Ob man getauft sein muss, um auf einem bischöflichen Weingut zu arbeiten, der Papst gern Riesling trinkt oder die Tropfen von kirchlichen Rebfeldern anders schmecken, sind berechtigte weltliche Fragen. Diese und andere werden im Folgenden nach bestem Gewissen beantwortet.

Das Epizentrum des Rieslings liegt in den Augen von Peter Perabo im Rheingau. «Der Rheingau ist achtzig Prozent Riesling», sagt der 56-jährige Kellermeister, und der sei auch die Triebfeder gewesen, zum Bischöflichen Weingut Rüdesheim zu wechseln. Bevor er die sieben mit Riesling bestockten Hektar und die zwei mit Pinot Noir übernahm, war er Meister über die Fässer im benachbarten Weingut Krone. Hier lag und liegt der Brennpunkt auf Spätburgunder, keine Rebsorte zwar, der er abgeneigt sei, aber sein Herz schlage definitiv für die weisse Königsdisziplin. Schon allein deswegen, weil er mit dieser Sorte aufgewachsen ist, er aus der Riesling-Region Lorch stammt, wo bereits der Grossvater einen kleinen Weinberg besass. Die schweisstreibende Arbeit in dessen Steillage verhagelte ihm aber zunächst gründlich die Lust am Weinbau. Schreiner wollte er deshalb werden, Lautsprecherboxen aus Holz hobeln, wäre da nicht seine Staub-Allergie gewesen. Die brachte ihn glücklicherweise zurück zum Wein, zu einer Lehre beim Staatsweingut Assmannshausen und von dort zum renommierten Weingut Krone. «In dem zum Weingut gehörenden Hotel ‹Zur Krone› konnte ich mich durch das gesamte Burgund probieren – von Château de Meursault bis zur Domaine Romanée Conti. Es war phänomenal. Es gab, ohne Witz, sogar Champagner von Pol Roger im offenen Ausschank».

Als das Bischöfliche Weingut Rüdesheim ihn abwerben wollte, konnte der gelernte Winzermeister nach zwölf Jahren im Weingut Krone trotz alledem nicht widerstehen. Zu gross die Verlockung, völlig frei arbeiten zu können, über die besten Parzellen der Einzellagen rund um Rüdesheim zu verfügen – einer übersichtlichen Hektaranzahl auf dem besten Terroir für Riesling. Aber «hätten die gar keinen Pinot gemacht, wäre ich nicht eingestiegen», sagt Perabo. Einfach ist es nicht, es dem gebürtigen Rheingauer recht zu machen. Mit hellwachem Blick begegnet er jedweder Form der Einmischung. Zum Beispiel bei der Stellenausschreibung vom Bistum Limburg für die Kommunikationsarbeit. Wenn Silke Trick, die heutige Geschäftsführerin, ihm beim Einstellungsgespräch vor sechs Jahren nicht in den Kram gepasst hätte, hätte er seine Konsequenzen gezogen. Die diplomierte Ökonomin arbeitete lange in einer Medien-Agentur. Als Nichte eines Winzers reizte sie das Produkt «Wein», weil es für sie ein ganz besonderes ist. «Jedes Produkt ist vermarktbar, aber Wein ist jedes Jahr anders», sagt sie. Das T-Shirt mit dem Aufdruck «Jesus drank Riesling», das ich trage, findet sie cool, und die 38-Jährige denkt gleich darüber nach, wie man es im Marketing-Konzept unterbringen kann.

Mit 80 PS durch die Weinwelt

Wir stehen im Ur-Kloster Hildegards von Bingen, abgefackelt im 30-jährigen Krieg, 1680 wieder aufgebaut. «Von Bingen ist für mich die erste Feministin auf deutschem Boden», so Perabo. «Ob sie den Weinbau vorangetrieben hat, weiss ich nicht. Ihre Gebeine jedenfalls liegen in der Sankt Hildegard-Kirche nebenan». Am Ende des Reifekellers plätschert Wasser aus einem Drachenmaul. Ein Künstler aus dem Westerwald installierte den Brunnen mit Lichteffekt in den 1980ern. Schutzpatron vom Bistum Limburg, der Heilige Georg, sticht mit einem Schwert in den Nacken des Ungeheuers. Symbolisch für dessen Blut läuft Quellwasser in ein Auffangbecken. Christliche Symbolik interessiert den Önologen nicht sonderlich. Sein Augenmerk richtet sich auf den Ausbau von Riesling und ein bisschen Pinot Noir. Bis zu 15 Jahre alte Fässer von Hösch aus dem rheinland-pfälzischen Hackenheim lassen viele seiner Weine auf ihren Höhepunkt reifen. Zehn Stückfässer für Riesling, zwei Halbstück für Pinot und darüber hinaus 25 medium geröstete Barriques aus burgundischer Allier-Eiche für beide Rebsorten umfasst das historische Kellergewölbe. Seine Lagen-Rieslinge kommen verstärkt ins Doppelstück, mehrfach belegt, so dass nur eine Ahnung von Holz am Gaumen entsteht.

Den kirchlichen Kontext im Rücken zu haben, ist für den Mann mit italienischen Wurzeln ein öffentlichkeitswirksamer Faktor – «bischöfliches Background-Marketing» nennt es das Weingut-Duo. Die beiden haben die Marke «Bischof-Wein» eingeführt, «Episcopus» ist einer davon. Er ist eine Anspielung auf den ehemaligen Bischof von Limburg, der zig Millionen Euro für eine bischöfliche Immobilie verschleudert hat, die bis heute kaum genutzt wird. «Ich wusste genau, wie der ‹Bischof› schmecken sollte», sagt er. «Ein Sponti aus Toplagen in Rüdesheim und Rebanlagen, die bis zu 60 Jahre alt sind.» Australische, dänische, fernöstliche und schweizerische Kunden sind ganz versessen auf die Flasche mit feuerrotem Etikett. Das «I» in «Episcopus» wird sinnbildlich von einem goldenen Krummstab dargestellt. So was zieht. Fürs Foto-Shooting holt der Kellermeister seine BMW aus der Garage, ein kleiner Kraftakt, das Motorrad die Stufen hinunterzuhieven. Die Fotografin gibt Anweisungen: «In der Bewegung verharren, damit keine Unschärfe reinkommt, die Motorradlichter voll aufblenden und jetzt in die Kamera gucken!» Perabo in Lederjacke agiert, als hätte er nie etwas anderes getan. Lieber hätte er auf seiner 900er Ducati Königswelle zwischen den Fässern posiert. Doch das Oldtimermodell mit Kickstarter ist gerade in Reparatur. Wann immer er zwischen der Arbeit Zeit findet, brettert er durch die Weinregion. Allerdings etwas weniger wild als vor 25 Jahren. Da hatte er in der Nordschleife vom Nürburgring einen schweren Unfall mit einigen Rippenbrüchen. 

Peter Perabo und Silke Trick sind ein himmlisches Gespann

Bis zu 1600 Euro werden im Rheingau für Spitzenlagen wie etwa Rüdesheimer Berg Schlossberg oder Erbacher Marcobrunnen je Hektar jährlich bezahlt. Einen Bruchteil davon gibt das bischöfliche Weingut für südlich exponierte Einzellagen wie «Berg Roseneck» und «Berg Schlossberg Katerloch» an die Kirchengemeinden. Die Kirche hat Flächen von Lorch bis Hochheim, die meisten sind an ortsansässige Winzer verpachtet. Perabos Filetstücke werden von ihm so sorgfältig gepflegt wie seine Oldtimer. 2016 versuchte er ohne Herbizide auszukommen, doch das Jahr war zu nass. Dieses Jahr gelang es zu achtzig Prozent ohne Chemie, wobei auch 2017 mit seinem feuchten Klima ein schwieriges Jahr werden wird. Seit zehn Jahren wird kein Mineraldünger mehr eingesetzt. Wie in Trier steuert man Richtung ökologischer Anbau. «Was setzen Sie anstelle von mineralischem Dünger ein, Pferdemist?» Peter Parebo zippt den Reissverschluss seiner Lederjacke auf und schmunzelt: «Nein, Pinguinkacke.»

«Wo aber der Wein fehlt, stirbt der Sinn des Lebens»

Berg Schlossberg Ehrenfels
Riesling 2015

17 Punkte | 2017 bis 2026

Ein sündhafter Tropfen mit sorgfältig integriertem Säurerückgrat. Der Riesling aus einer Steilstlage mit rotem Schiefer und Taunusquarzit pustet schon im Duft würzig-mineralische Rasse raus. Den Gaumen bespasst er mit Grapefruit und Nuancen von Fleur de Sel. Kaum ein anderer Riesling des Weinguts war derart kompatibel zu Speisen – von Antipasti bis zum Schweinebraten.

Preis: 16,50 Euro

A Priori
Riesling 2016

16 Punkte | 2017 bis 2021

Transparent in der Farbe. Viel Mineralisches im Bouquet. Deutliche Kräutertöne, Estragon und Basilikum. So klettert der «A Priori», zu deutsch «vor jeder Erfahrung», vorurteilsfrei in die Nase und bestätigt sich am Gaumen mit mineralischer Würze. Zur pikanten Salsiccia gibt sich der knochentrockene 2016 mild und federt die Schärfe durch ausgeprägte Säure ab.

Preis: 7 Euro

Berg Schlossberg Katerloch
Riesling 2016

16.5 Punkte | 2017 bis 2025

Mittleres Gold mit grünlichen Reflexen. Klare Pfirsich-Akzente, die sich kurz darauf mit Wiesenkräutern und frischer Minze verbinden. Sehr animierend im Duft. Trockene Säure am Gaumen, die langes Reifepotenzial erahnen lässt. Hauchzarter Schmelz. Eine winzige Andeutung von reifender Ananas tritt hinzu. Im Finish präzise und mineralisch.

Preis: 16,50 Euro 

«Maischegärung»
Riesling 2016

15.5 Punkte | 2017 bis 2020

Der Tiefgoldene lässt Anklänge von Traubenhaut in die Nase klettern. Feiner Schmelz auf der Zunge, der von purem Zitronensaft durchtränkt wird. Knackige Säure, animierender Trinkfluss in Balance zwischen trocken und gelbfruchtig, Meersalznuancen mischen sich unter. Ein sauguter Aperitif, der aber auch als Begleiter zu Pulpo-Salat und gegrillten Gambas eine gute Figur hinlegt.

Preis: 13 Euro 

«Episcopus»
Riesling 2015

16 Punkte | 2017 bis 2022

Wiesenkräuter und Eukalyptus bestimmen den ersten Dufteindruck des «Bischofs». Daneben legen sich Mandarinen-Zeste und gehobelte Grapefruithaut. Am Gaumen folgt Tropenfrucht in Form von reifender Ananas. Cremige Textur mit feinem Säurebogen. Noch im embryonalen Stadium, aber schon ausgewogen, mit einer eleganten Textur. Zeigt Länge und verspricht ein gutes Reifepotenzial.

Preis: 14,80 Euro

Pinot Noir 2013

17 Punkte | 2017 bis 2024

Mit Minze veredelte Waldbeeren in der Nase, intensives dunkles Waldbeerkonfit. Weiche Textur, packendes Gerbstoffgerüst. Fordernd in seiner Struktur. Deutlicher Burgund-Charakter. Feine Röstaromen. Mineralisch reife Herzkirschen im Abgang. Dem gereiften Parmesan aus der Basilikata nahm der Pinot die Schärfe und kitzelte braunen Rohrzucker heraus.

Preis: 26 Euro

Rüdesheim Berg Rottland
Riesling Beerenauslese 2011, 375 ml

17 Punkte | 2017 bis 2024

Mein Gott, was für eine Offenbarung! Waldhonig, Brioche, kandierte Zitrusfrucht, Sultaninen, der gesamte Garten Eden in einem Glas. Der Extraktsüsse begegnet eine honig ummantelte Säureader. Kann es mit jedem Sauternes aufnehmen. Galanter Begleiter von säuerlichem Ziegenfrischkäse, weniger geeignet zu süssen Desserts.

Preis: 32,50 Euro

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