VINUM-Weihnachtsdinner
Man gönnt sich ja sonst nichts…
Text: Ursula Geiger, Fotos: Adrian Ehrbar
Mit Familie und Freunden feiern. Zusammen kochen, essen, lachen, plaudern, auch einmal etwas lauter diskutieren über Gott und die Welt, das ist der Inbegriff schöner Festtage. Ein bisschen Luxus darf schon sein. Zum Beispiel Kaviar und Wodka in der Küche. Diese Mariage hat inmitten dampfender Töpfe ihren ganz eigenen Charme und funktioniert auch ohne Perlmuttlöffel, besonders wenn Gastgeber und Besitzer der Balik-Farm, Peter Rebeiz, zeigt, wie es geht.
Wie es sich anfühlt, Weihnachten zwei Monate vorher zu feiern, um darüber eine Reportage zu schreiben? Sehr gut und ein kleines bisschen verrückt. Man lädt die Gäste ein, plant das Menü, besorgt die Weine für den grossen Abend, holt die Schachteln mit der Weihnachstdeko aus dem Keller und poliert die guten Gläser. Bis dahin ist alles ganz weihnachtsalltäglich, auch wenn es draussen 20 Grad warm ist und die Rosen an der Hauswand üppiger blühen als im vergangenen Hitzesommer. Und ausser der falschen Jahreszeit ist noch etwas anders: Die Feier findet nicht in der guten Stube zu Hause statt, sondern auf der Balik-Farm in der Ostschweiz und ihr Besitzer Peter Rebeiz wird der Gastgeber sein. Auch stehen wir nicht selbst in der Küche: Das Menü wird Margaretha Jüngling kochen. Sie ist in der Pop-up-Restaurant-Szene eine Grösse und bereitet selbst in Eisenbahnwaggons traumhafte Gerichte zu. Für diesen Abend wird sie in der urgemütlichen, liebevoll eingerichteten Küche der Balik-Farm werken. Mit den Töpfen, Pfannen und Geräten, die dort in den Schränken stehen. Wir holen Margaretha am Bahnhof ab. Am frühen Morgen hat sie in Chur auf dem Wochenmarkt alle Zutaten für das Menü besorgt. Weiter geht es mit dem Auto. Die Reise zur Balik-Farm ist ein kurviges Abenteuer. Die Strassen werden schmäler, durchlaufen kleine Weiler und winden sich entlang von Wald, Obstwiesen, Kuhweiden und Feldscheunen. Zum Glück gibt es über dem Toggenburger Himmel Satelliten, die das Navi mit Informationen speisen. Und zum Glück schneit es nicht. Endlich. In Ebersol bei Mogelsberg verweist ein schlichtes Holzschild auf das Ziel. Noch ein kurzer, heftiger Anstieg, dann liegt sie vor uns, die Balik-Farm. In diesem stattlichen Bauernhaus in der Ostschweiz werden also die weltberühmten Lachse geräuchert. Die Geschichte von Lachs, Haus und den Menschen, die darin leben und arbeiten, ist erzählenswert. Gekauft wurde das Anwesen in den 1970er-Jahren von Schauspieler Hans Gerd Kübel und seinem Lebenspartner Martin Klöti als Wochenend-Refugium. Ein Forellenzüchter im Tal fragte bei den beiden an, ob sie kein Interesse hätten, auf dem Hof Forellen zu räuchern. Eine Idee, die Kübel und Klöti auch schon im Kopf hatten. Doch wenn Räuchern, dann sollte es der König der Fische, der Lachs, sein. Bevor das Business überhaupt startete, kam der Zufall ins Spiel. Gerd Kübel hatte ein Engagement für «Nathan der Weise» in Berlin und traf an der Premierenfeier Israel Kaplan.
Appetizer
Flatbread | Sauerrahm | Caviar Prunier | Balik Fillet Tsar Nikolaj No.1 | Mango | Blinis | Caviar Prunier
Cava Pere Ventura, Katalonien (E)
Tresor Brut Reserva
16.5 Punkte | 2018 bis 2019
Strohgelbe Farbe, lebhafte Perlage. Sehr feine Noten von Brioche und frischen, weissen Mandeln. Feine Perlen am Gaumen, leicht honigsüsse, gelbfleischige Frucht. Perfekt zu der Kombination aus Lachs und Mango.
Preis: 13,50 Euro | www.belvini.de
Champagne J. Lasalle, Champagne (F)
Cuvée Préférence Brut
17.5 Punkte | 2018 bis 2019
Der Klassiker zum Flatbread mit Sauerrahm und Kaviar. Schon allein wegen der Cremigkeit am Gaumen und den herrlichen Noten von reifen Birnen. Die leichte Salznote im Finish gibt das gewisse Etwas und frischt keck den Sauerrahm auf dem Flatbread auf.
Preis: 33 Euro | www.hawesko.de
Champagne Georges Laval, Champagne (F)
Garennes Extra Brut
18 Punkte | 2018 bis 2019
Cuvée aus Pinot Meunier, die bestens zu den mit Caviar Prunier gefüllten Blinis passt: Noten von weissen Himbeeren und ein überragend lebhaftes, aber feines Mousseux am Gaumen. Frisch, mineralisch und salzig.
Preis: 55 Euro | www.champagne-characters.com
Die beiden Männer kamen ins Gespräch und Kaplan erzählte seine Geschichte: Von Riga aus versorgte Kaplans Familie den Hof des russischen Zaren mit feinstem Räucherlachs. Bis zur Februarrevolution im Jahr 1917. Das Familienrezept blieb erhalten und Israel war sein Hüter. Er gab das Rezept und die Konstruktionspläne für den original Räucherofen an Gerd Kübel weiter. Am 28. Oktober 1978 reisten Israel Kaplan und seine Frau nach Ebersol, um den Ofen einzuweihen. Die ersten Lachsseiten aus Norwegen wurden geräuchert. Balik heisst auf Russisch übrigens bestes Stück vom Fisch. Die nächsten dutzend Jahre bauten Kübel und Klöti die Produktion aus. In den 1990er-Jahren wollte sich Gerd Kübel anderen Projekten widmen und suchte aktiv einen Käufer für das Unternehmen, der folgende Bedingungen erfüllen sollte: die Liebe zum Produkt, zur handwerklichen Herstellung, zur ländlichen Umgebung im Toggenburg und das Faible für Genuss und Kultur. Mit Peter G. Rebeiz von Caviar House Prunier in Genf zogen sie das grosse Los. Der 1961 in Kopenhagen geborene Peter hat im Familienunternehmen schon als Vierjähriger Kaviar verpackt. Der Stör, der naturhistorisch betrachtet einer der ältesten Fische der Welt ist, faszinierte ihn. 1980 verfeinerte er die Unterteilung der Kaviar-Qualitäten, die bis dahin auf den vier verschiedenen Arten des Störs basierte.
Vorspeise
Kartoffelpüree | pochiertes Ei | Pilzragout mit Kräutern. Die vegetarische Vorspeise mit dem cremig-buttrigen Püree hält sich vornehm zurück und gibt die Bühne frei für eine vielfältige Weinbegleitung.
Weingut Schloss Lieser, Mosel (D)
Brauneberger Juffer Sonnenuhr Riesling Spätlese 2017
18 Punkte | 2018 bis 2032
Kristallklare Rieslingfrucht im Bouquet: weisser reifer Pfirsich, etwas Birne. Was für ein Säure-Süsse-Spiel am Gaumen, erfrischend, geradlinig und unendlich lang. War der Liebling an der Festtafel.
Preis: 18,50 Euro | www.wein-kreis.de
Ramey Wine Cellars, Sonoma County (USA)
Chardonnay Plat Vineyard 2014
17.5 Punkte | 2018 bis 2025
Der Klassiker passt mit den Aromen von vollreifer Frucht (weisse Melone und Birne) und der perfekt integrierten Würze vom Ausbau in der Barrique. Der Schmelz ist dem Ausbau auf der Feinhefe zu verdanken. Passt bestens zum cremig-buttrigen Püree und dem pochierten Ei.
Preis: 55 Euro (2011) | www.weingarten-eden.de
Bodegas Emilio Lustau, Andalusien (E)
Amontillado Dry Los Arcos
18 Punkte | 2018 bis 2019
Was für eine Amour fou! Die Kombination aus Ei und Pilzen rockt hier den Gaumen. Die klassisch nussigen Aromen, das salzige Umami und die Kraft vom Alkohol geben der Vorspeise Tiefe und Würze.
Preis: 17,40 Euro | www.wein-kreis.de
Die Selektionen Royal-Black, Imperial und Almas gehen also auf das Konto von Peter Rebeiz. 1992 übernahm Rebeiz die Balik-Farm. Das gute Quellwasser und die Höhenmeter überzeugten ihn, denn Rauch verhält sich auf 1000 Metern über Meer anders als im Tal und verleiht den Lachsfilets noch mehr Würze und Zartheit. Mit den Jahren positionierte er die Produkte im oberen Preis- und Genusssegment. Heute wird Balik-Lachs von den Gourmets rund um den Globus heiss geliebt und findet Verwendung bei den besten Köchen der Welt. Peter liebt nicht nur Stör, Kaviar und Lachs, sondern auch Musik über alles. Mit Claude Nobbs, dem legendären Gründer des Montreux Jazz Festivals, war er sehr gut befreundet. Heute ist er Vorsitzender des Montreux Jazz Cafés. Rebeiz baute in die Räume der Balik-Farm ein State-of-the-Art-Tonstudio ein. Im Auditorium unterm Dachstock steht ein Steinway-Flügel und es hat dort genügend Platz für Konzerte im kleineren Rahmen. Die Atmosphäre auf der Farm inmitten der Toggenburger Landschaft ist entspannt und gemütlich. An diesem Samstag im Oktober weist nichts darauf hin, dass hier bald rund um die Uhr bester Räucherlachs für Weihnachten produziert werden wird. Vier bis fünf Tage dauert es, bis aus den ganzen norwegischen Lachsen die besten Stücke verpackt sind und auf die Reise in alle Welt gehen. Herzstück der Anlage ist der Original-Räucherofen von Israel Kap lan. Jedes Jahr werden darin etwa tausend Stück Balik Fillets Tsar Nikolaj No. 1 geräuchert. Eine Hommage an Handwerk und Tradition. Dieser Spirit prägt die Balik-Farm ebenso wie die vielen Details. Das kleine Regal mit den Miniatur-Sammeltellern in der Küche, die Bilder mit Appenzeller Volkskunst oder die grosse Kuckucksuhr machen diesen behaglichen Kosmos aus.
Margaretha packt die marktfrischen Zutaten aus, nimmt den Kühlschrank in Beschlag und sucht sich ihre Arbeitsgeräte zusammen. Als Werkzeug hat sie nur ihre Messer bei sich. Geschickt wird die Lammkeule entbeint. Aus gehackten Kräutern, Knoblauch, Zitronenzesten und Olivenöl bereitet sie das Pesto zu und bestreicht damit das Fleisch. Dann macht sie sich mit dem mächtigen La-Cornue-Standherd vertraut. An der Wand darüber ist «König Lachs» auf den Fliesen verewigt und wacht über alles. Mittlerweile füllt sich die Küche: Mitarbeiter der Farm und die guten Geister des Bauernhaus finden sich ein. Laura hilft Margaretha mit dem Herd und holt die Tischwäsche. Nonna Laetizia schaut vorbei. Früher hat sie für Gerd Kübel und Martin Klöti gekocht, später dann für Peter Rebeiz und seine Familie. Laetizia gibt der jungen Köchin Tipps und kommentiert den Gebrauch der Elsässer Baeckeoffe-Terrine aus Steingut für die Lammkeule. Ein Geschenk von Gerd Kübel an sie sei das wertvolle Stück. Die Kartoffeln für die Vorspeise dampfen im Topf, die Rote Bete für den Hauptgang gart im Backofen. Im «Kästnerzimmer», dem Speisezimmer der Balik-Farm, wird die Tafel für acht Personen gedeckt, während die Nachmittagssonne ins Zimmer blinzelt und jeden Fingerabdruck auf den Weingläsern schonungslos offenlegt. Also wird poliert und die Weihnachtsdekoration arrangiert. In der Küche gibt es ein grosses Hallo. Peter Rebeiz, der seinen Lebensmittelpunkt in Genf hat, ist eingetroffen. Nonna Laetizia ist gerührt. Sie hat mit dem Besuch nicht gerechnet. Peter ist zuständig für die Amuse-Bouches. Und dafür braucht es Kaviar, der auf der Farm immer vorrätig ist. Jetzt geht es rund: Laura backt Blinis, Laetizia verarbeitet den Schnittlauch zu feinsten Röllchen, Eier werden gekocht und das Lachsfilet wird geschnitten, jemand entkernt die Mangos. Mitten im Gewimmel trifft Künstler und Multitalent Rolf Knie ein, der gemeinsam mit Peter das Flatbread mit Crème fraîche und Kaviar zubereiten wird.
Hauptgang
Lammgigot | Randen | Chiccorino Rosso Zum zartgeschmorten Lamm aus dem Ofen und zum kräftigen Gemüse braucht es drei Rotweine mit viel Substanz.
Domaine Gilles Troullier, Roussillon (F)
Côtes Catalanes De-Là 2015
17 Punkte | 2018 bis 2022
Der klassische Syrah aus Südfrankreich harmonierte bestens zum kräuterwürzigen Lamm, aber weniger zum leicht röstigen Gemüse: feine rotbeerige Frucht, unterlegt mit Pfefferwürze. Stützende Säure und seidige Tannine.
Preis: ca. 15 Euro | Tel. +33 6 10 57 55 55
Barone de Cles, Trentin (I)
Teroldego Rotaliano Superiore Riserva Masco Scari 2013
17.5 Punkte | 2018 bis 2025
Grossartig, wie der kräftige und würzige Teroldego zu diesem Gericht passt. Die kühle, leicht herbe Frucht am Gaumen passt zur leichten Bitterkeit des Gemüses und das feinkörnige Tannin stützt die zarte Textur des Lamms.
Preis: 20 Euro | www.baronedecles.it
Winzerkeller Strasser, Zürcher Weinland (CH)
Chlosterberg Pinot Noir Grand Cru 2016
18 Punkte | 2018 bis 2028
Andächtige Stille löste dieser Wein bei Tisch aus, so gut mundete er zum Hauptgang: dunkle Frucht, Noten von Herbstlaub, muskulöse Kraft am Gaumen und herrliche Länge.
Preis: 36.50 Franken | www.wein.ch
Zuerst wird aber angestossen auf den Abend, auf die Gäste, auf alle die Menschen, die verrückt genug sind, Weihnachten im Oktober zu inszenieren. Die Schnapsgläser stehen auf der Küchentheke, der Wodka kommt aus dem Eisfach und Peter Rebeiz öffnet die Kaviar-Dose und zeigt, wie es geht: Ein Klacks Kaviar auf die Faust, den Wodka auf ex und danach den Kaviar von der Haut schlürfen. Das Kaminfeuer im «Kästnerzimmer» ist entfacht. In der Küche stehen sie noch immer und probieren das heisse, hauchdünne Flatbread und trinken dazu Cava und Champagner. Draussen geht die Sonne unter. Das Toggenburg versinkt in der Dämmerung. Drinnen in der Balik-Farm klingen Gläser, Lauras Blinis werden mit Kaviar und Sauerrahm gefüllt, gerollt und aus der Hand gegessen. In der Küche wird die Vorspeise angerichtet, nach all dem Lachs und Kaviar wirken das pochierte Ei und die geschmorten Pilze im Ring aus Kartoffelpüree fast wohltuend bescheiden. Die Riesling-Spätlese wird hochgelobt und leergetrunken. Beim Hauptgang ist Peter Rebeiz, der im Keller unter der Küche hauptsächlich Bordeaux und Burgunder lagert, begeistert vom Pinot Noir aus dem Zürcher Weinland zum zart geschmorten Gigot von Margaretha Jüngling. Es wird geplaudert, gelacht und diskutiert. Menschen, die sich vorher nicht kannten, werden zu Freunden. Handy-Bilder und Adressen werden ausgetauscht. Der harte Kern erzählt bis morgens um drei vor dem erloschenen Kaminfeuer. Peters Schatz an Anekdoten ist unerschöpflich und er ist ein unterhaltsamer Erzähler. Dazu gibt es Wein und Zebraplätzchen. Roter Wein und rote Kerzen haben ihre Spuren auf dem Tischtuch hinterlassen. Es wird Zeit, zu gehen. Vor dem Löschen der Lichter werden noch die Gläser abgewaschen. Was sein muss, muss sein. Wir wünschen frohes Fest und ein ebenso herrliches Weihnachtsdinner, wie wir es auf der Balik-Farm geniessen konnten.
Dessert
Quitten-Tarte-Tatin | Sauerrahm | Walnüsse Der Geschmack der goldgelben Herbstfrüchte ist ein wenig herb. Die richtige Dosis Zucker – nicht zu viel – ist wichtig, sonst ringt die Tarte Tatin jede edelsüsse Begleitung nieder.
Obsthof Retter, Steiermark (A)
Edition Wild Sommelier Quitte 2016
17.5 Punkte | 2018 bis 2019
Hervorragende Kombination und eine perfekte Harmonie von Speisen und Wein. Nichts ist zu süss und der Klecks Sauerrahm auf der Tarte wirkt erfrischend.
Preis: 24 Euro | www.obsthof-retter.com
Château Raymond-Lafon, Bordeaux (F)
Sauternes Château Raymond-Lafon 2009
17 Punkte | 2018 bis 2026
Der kräftig-würzige Sauternes hatte Mühe mit dem Sauerrahm, passt aber hervorragend zur feinen Karamellschicht auf den weichen Quitten.
Preis: 22 Euro (0,375 l) | www.ungerweine.de
Oremus, Tokaj-Hegyalja (HU)
Tokaji Aszú 5 Puttonyos 2008
18 Punkte | 2018 bis 2030
Die geschmeidig dichte und süsse Frucht, die Noten von getrockneten Aprikosen und gerösteten Nüssen passen perfekt.
Preis: 53 Euro | www.perbaccowein.de