Es ist ein in regelmässigen Abständen auftauchendes Phänomen. Wein als Geldanlage ist für viele ein verlockend klingendes Angebot: Als Flasche, Kiste, Fonds oder inzwischen sogar per Kryptowährung ist ein Investment möglich. Dumm nur, dass es weder Weinfreunden noch Winzern nutzt. Im Gegenteil.
Um gleich dem zu erwartenden Gegenwind selbigen aus den Segeln zu nehmen: Dies wird kein Plädoyer wider die freie Marktwirtschaft. Selbstverständlich soll jeder, dem danach ist, mit dem Verkauf oder Handel von Wein sein Geld verdienen. Das ist im Rahmen der gesetzlichen und fiskalischen Regeln völlig in Ordnung. Dennoch sei die Frage erlaubt, ob es ausser den rein monetären Vorzügen irgendeinen Grund dafür gibt, eine Flasche Wein zu einem Vielfachen des ursprünglichen Preises zu verkaufen. Vor allem die Winzer selber scheinen da immer grössere Zweifel zu haben. Auch wenn es der Eitelkeit anfänglich durchaus schmeicheln mag, wenn ein Wein gesucht und entsprechend teuer gehandelt wird, stellt sich mit der Zeit doch ein gegenteiliges Gefühl ein.
Klaus Peter Keller bietet seinen «G-Max»-Riesling nur in einer Kiste an
Einer der wenigen deutschen Winzer, die über einen echten «Bluechip»-Wein verfügen, ist Klaus Peter Keller. Sein Riesling G-Max erzielt, je nach Jahrgang, auf dem Sekundärmarkt leicht über 2000 Euro pro Flasche, ein Vielfaches dessen, was Keller für den Wein verlangt. Wie schon andere Weingüter vor ihm bietet er diesen Wein ohnehin nur in einer Kiste mit elf anderen Premium-Weinen an. Ein Versuch, den Markt zumindest halbwegs unter Kontrolle zu behalten. Was aber zum Leidwesen Kellers nicht wirklich gelingt. Der G-Max ist auch international einer der wirklich gesuchten Weine geworden. Und damit ein Objekt der spekulativen Begierde.
Es geht überhaupt nicht darum, den Winzern oder Winzerinnen ihre Geschäftsgrundlage zu entziehen. Selbstverständlich und ohne jedes «Aber…» liegt es ausschliesslich in ihrem Ermessen, zu welchem Preis sie ihre Weine verkaufen. Und auch, an wen sie ihren Wein verkaufen. Allerdings zeigt sich, dass sie sehr wohl daran interessiert sind, dass ihre Weine den Weinliebhaber erreichen und nicht den Spekulanten. Wer etwa von der Domaine Rousseau dabei erwischt wird, einen der raren und teuren Chambertin auf dem Sekundärmarkt zu verkaufen, um eine Rendite von (aktuell möglichen) 500 Prozent zu erzielen, ist seine Listung als Kunde des Hauses augenblicklich los. Ungeachtet der Länge der gemeinsamen Geschäftsbeziehung.
Schönste Nebensache der Welt
Ob das Risiko, erwischt zu werden, den Verkaufsgewinn aufwiegt, muss jeder für sich selbst entscheiden, die Haltung des Weinguts ist jedenfalls klar – und sie ist auch nachvollziehbar. Denn die Spekulation mit seltenen Weinen hat – wie sollte es auch anders sein? – zugleich die Fälscher auf den Plan gerufen. Eines ist dabei sonnenklar: Wenn die Margen nicht so verlockend lukrativ wären, hätte etwa Rudy Kurniawan (alias Dr. Conti) sein Fälscherhandwerk nicht so erfolgreich betreiben können. Angestachelt durch seine Gier wurden Weinsammler rund um den Globus geschädigt, der Schaden ging in zweistellige Millionenhöhe. Auch die Weingüter selbst gehören zu den Geschädigten. Denn wer eine der gefälschten Flaschen in gutem Glauben gekauft und nachher getrunken hat, dürfte sich gefragt haben, was daran so einmalig gewesen sein soll. Und hat das im Zweifelsfall auch kundgetan – zum Schaden des Weinguts.
Weine von Rudy Kurniawan (Dr. Conti) könnten bis heute im Umlauf sein
Gefälschter Wein ruiniert das Image des Weinguts, wenn er nicht erkannt wird. Die Behörden vermuten übrigens, dass von Kurniawan gefälschte Weine bis heute in Sammlerkellern liegen. Auch deshalb achten die gesuchtesten Weingüter mit Argusaugen darauf, dass ihre Weine nicht den Sekundärmarkt überfluten, wodurch eine lückenlose Rückverfolgung unmöglich würde.
Nun mag man entgegnen, dass auf diese Art und Weise nur hoffnungslose Weinromantiker argumentieren. Wein ist ein Geschäft, ein Produkt, ein Handelsgut wie jedes andere Ding auch. Etwa Weizen, Schweinehälften oder Computerchips. Das ist im Prinzip sicher richtig, gut finden muss man es aber dennoch nicht. Denn bei aller objektiven Vergleichbarkeit ist Wein doch wesentlich mehr, hat mehr Geschichte, mehr Zukunft, ist als eines der wenigen für den menschlichen Konsum geeigneten Genuss- oder Lebensmittel sogar in der Lage, über Jahre und Jahrzehnte zu reifen. Auch deshalb wäre es zu begrüssen, wenn Wein wieder verstärkt als das wahrgenommen würde, was er wirklich ist. Nämlich nicht als Spekulationsobjekt. Sondern als die wundervollste Nebensache der Welt.