
Wein für 2,99 Euro ist (nicht nur) in Deutschland ein Dauerbrenner, und selbst der überzeugteste Weinliebhaber, auch wenn er es vielleicht nie zugeben würde, stösst gerne mal günstig an. Warum das auf lange Sicht leider eine Schnapsidee ist.
Es fängt meist mit Vorfreude an. Freunde kommen zum Dinner, und nun steht man vor dem gut bestückten Weinregal und fragt sich, wofür man sich entscheiden soll: den Wein für 2,99 Euro, den für 9,99 Euro oder den für 29,99 Euro? Und plötzlich denkt man an die Inflation, den Preis der Butter, vielleicht an das neue Auto oder die lang ersehnte Winterjacke, an alles, was man sonst noch so einkaufen muss – und greift zur günstigsten Flasche mit dem witzigen Etikett. Sieht gut aus, man freut sich über das Schnäppchen und vertraut darauf, dass – egal wie billig – weder der Geschäftsinhaber noch der Winzer am Hungertuch nagen müssen. Zumindest was den Winzer anbelangt, ist dies ein Trugschluss, denn: Die Produktionskosten für eine Flasche Wein einfachster Qualität liegen mittlerweile bei etwas über 5 Euro, sowohl in Frankreich wie auch in Deutschland. Und ab hier gilt: je höher der Arbeitsaufwand im Weinberg, desto höher die Produktionskosten. Kosten für Vermarktung und Gewinnmarge sind dabei noch nicht mit eingerechnet. Eine gute Frage ist also: Wie kommt es, dass Wein überhaupt unter Preis verkauft wird?
Die Antwort ist profan: Egal wie argumentiert und begründet wird, dahinter stecken schonungslose Geschäftsstrategien und ein gewisser Grad an Verachtung für Mensch und Umwelt. Es gibt mehr als genügend Erfahrungsberichte von Winzern, denen von Maklern Hemd und Hose ausgezogen wurden und die dennoch keine Wahl hatten, entweder weil gerade der Markt schwierig war, sie keine Alternativen hatten oder weil in der «falschen» Appellation produziert wurde, Stichwort Bordeaux-Bashing. Noch problematischer ist, dass solch niedrige Preise keine Ausnahme sind. Die Statistik des Deutschen Weininstituts belegt: 2023 bezahlte der Verbraucher in Deutschland für eine Literflasche Wein im Durchschnitt 3,78 Euro. Die allermeisten Weinliebhaber wissen eben nicht, wie viel Arbeit hinter einer Flasche Wein steckt, und so kann der Verkäufer richtigerweise davon ausgehen, dass die Preise kaum oder gar nicht hinterfragt werden.
Zumal die Deutschen bedauerlicherweise notorisch dafür bekannt sind, viel Geld für Auto und Haus auszugeben und dann kräftig bei allem anderen zu sparen, im Gegensatz zu den Schweizern und Franzosen, die im wahrsten Sinne des Wortes Wein als «Genussmittel» ansehen und dafür auch gerne mal tiefer in die Tasche greifen. Aber das reicht nicht, um für einen Ausgleich zu sorgen. Resultat: Katerstimmung im Weinberg.
Fair Trade für Wein von nebenan
Die gute Nachricht ist: Eine kleine Geste genügt, um Weingenuss für alle fairer zu gestalten. Gäbe man nur 3 oder 4 Euro mehr aus, also einen vergleichsweise kleinen Betrag, könnten alle Winzer anfangen, von ihrer Arbeit anständig zu leben, Rücklagen zu schaffen und in die Zukunft zu investieren. Also etwas, was sich wohl jeder von seiner Arbeit erträumt. Auch garantiert ein etwas höherer Preis generell eine bessere Wein-Qualität, also mehr Genuss und Freude, denn der Traube konnte in Weinberg und Keller mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Hinzu kommt die Frage des nachhaltigen Arbeitens, des Naturschutzes und der Pflege von Kulturlandschaften. Manch einem ist Nachhaltigkeit egal, und er tut sie als «woke» ab. Das ist zwar gerade in Mode – aber was für ein Irrtum!
Wer billigsten Wein produziert oder wem Wein unter Preis abgekauft wird, dem bleibt nichts anderes übrig, als industriell zu arbeiten, maschinell, in Monokultur und mit Pestiziden, Herbiziden und Mineraldüngern, also in einer Form von Wirtschaft, bei welcher Biodiversität, Biotopvielfalt und zum Beispiel leider auch die Wasserqualität auf der Strecke bleiben. Ganz zu schweigen von monotonen Landschaften, die in Sachen Lebensqualität und Tourismusmagnet auf dem letzten Platz landen. Wein ist halt nicht nur ein Preis, sondern auch gleichzeitig alles, was mit der Produktion einhergeht. Es ist also im Interesse aller, für Wein einen fairen Preis zu bezahlen, das heisst, nicht weniger als 7 Euro für die 0,75-Liter-Flasche. Und ab 10 Euro aufwärts gibt es nicht nur eine lohnenswerte Auswahl fantastischer Weine, sondern auch glückliche, vernünftig bezahlte Winzer und die Perspektive des nachhaltigen Arbeitens.
Kurz gefasst: Fair Trade sollte nicht nur für Produkte aus fernen Ländern gelten, sondern auch für den Wein von nebenan.
Sprechen auch Sie Klartext!
Diskutieren Sie mit - zum Beispiel auf unseren Social Media Kanälen. Sie haben kein Facebook oder Instagram? Dann schreiben Sie uns eine Mail an redaktion@vinum.ch.