Birte Jantzen über versnobbte Winzer

Rufen Sie mich nicht an!

Text: Birte Jantzen

Das Schönste ist, den Leser mit auf Reise nehmen zu können. Besonders, wenn man über wundervolle Weinregionen und Winzer schreibt, egal ob bekannt oder nicht. Dem Journalisten stehen die Türen eigentlich immer offen. Oder doch nicht? Wenn Winzer zu Snobs werden!

Da war dieser Anruf bei einem französischen Starwinzer, dessen Weine locker über hundert Euro kosten. Ob man nicht eine Reportage machen könne, mit Porträt und Hintergrundwissen. Die Antwort war nicht wie gewöhnlich ‘Gerne, aber wir sind so gefragt, es kann etwas dauern’. Die Antwort war: ’Nein, wozu denn? Unsere gesamte Produktion ist bereits im voraus verkauft.’ Bei einem anderen hiess es: ‘Wir kommunizieren ganz generell nicht über unsere Arbeit oder unsere Weine.’ Mir wäre jedesmal beinahe der Telefonhörer aus der Hand gefallen.

Legenden brauchen Wort und Schrift

Stellen wir erst einmal klar: solche Absagen sind eher die Ausnahme. Den meisten Winzern ist bewusst: so toll Wein auch sein kann, der Weinliebhaber geniesst ihn einfach ganz anders wenn er mehr über ihn weiss. Ganz zu schweigen vom Vorteil, dank spannender Weinguts- und Winzergeschichten Kundenloyalität aufzubauen. Legenden brauchen Wort und Schrift. Von allen landwirtschaftlichen Produkten ist Wein das saisonalste, das faszinierendste, das emotionalste und das einzige, welches ein sexy Scheinwerferlicht auf eine harte, handwerkliche Arbeit wirft die nur einmal im Jahr Früchte trägt. Selbst zwischen Weinliebhabern denen Geologie in der Schule egal war wird über Terroir bis ins kleinste Detail diskutiert. Hinzu kommt, dass Weinregion zumeist wunderschön sind und gastronomisch viel zu bieten haben. Wein ist eben ein landwirtschaftlicher Kommunikationsglücksfall. So etwas gibt es weder in der Welt der Kartoffeln noch der Viehzucht. In einem Zeitalter, wo alles immer virtueller, schneller und abstrakter wird, bietet Wein eine erfrischend langsame, geerdete Wirklichkeit.

Insgesamt erinnert mich die Art der oben zitierten Absagen an den famosen Satz des französischen TV-Sternchens Nabilla: ‘Wie bitte, du bist ein Mädel und benutzt kein Shampoo?’ Es gibt Selbstverständlichkeiten, die offensichtlich nicht selbstverständlich sind. Für mich als Weinjournalistin sind Absagen irrelevant denn mal ehrlich, an sehr guten Winzern und Arbeit fehlt es Weissgott nicht. Meine Frage ist eher: Was ist dies für eine snobistische Einstellung gegenüber dem Kunden, der die Weine teuer ersteht und gerne mehr über sie erfahren möchte? Einem Kunden, der nicht mal eben schnell selbst beim Weingut vorbeischauen kann, geschweige denn empfangen wird, denn zumeist sind Besuche gerade auf den bekanntesten Weingütern häufig unmöglich. Einem Kunden, der selbst bei manch weltbekanntem Winzern zum Teil lediglich eine grottenschlechte Webseite ohne jegliche Informationen findet, wenn überhaupt, und der sich dementsprechend nur über journalistische Arbeit auf dem Laufenden halten kann um mehr über seine Lieblingsweine und Jahrgänge zu erfahren?

Wein verliert gerade den Anschluss

Manch erfolgreicher Winzer findet anscheinend, dass seine alleinige Aura und gut gefüllte Auftragsheftchen ausreichen. Was den Kunden anbelangt: nach mir die Sintflut solange gezahlt wird. Aber falls es noch nicht bemerkt wurde: Wein verliert insgesamt gerade den Anschluss, weltweit. Selbst wenn Spitzenweine zur Zeit noch faszinieren, sind sie kein Garant für ewig gut gefüllte Weingutskassen. Zu denken man bräuchte keine Kommunikation ist zu kurz gedacht und man sollte nie vergessen: bis auf sehr seltene Ausnahmen geht es im Leben eines jeden Weingutes mal auf und mal ab. Erfolg ist - leider - kein Dauerzustand. Wer also meint er bräuchte kein Sympathiekapital, ist über kurz oder lang Verlierer. Zumal Wein für die überwältigende Mehrheit eine ganz entscheidende Qualität hat: Wein wird nicht alleine getrunken, sondern wird geteilt. Und jeder Weinliebhaber mag vor seinen Bekannten mit Wissen und Geschichten glänzen - selbst diejenigen, der sich nur für Statussymbolweine interessieren.

Fazit: Liebe Starwinzer, gebt den Journalisten ein bisschen von eurer Zeit. Vergesst den Erfolgssnobismus. Euer Job ist es, tolle Weine zu produzieren. Unser Job ist es, den Leser mit auf Reise zu nehmen und ihm eure wundervollen Geschichten und Weine zu erzählen. Am Ende gewinnt der Weinliebhaber. Es ist, ganz profan gesagt, ein Positivsummenspiel, auf welches man ganz zwanglos gemeinsam das Glas heben kann. Prost!

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