Der Weinbau bewegt sich in die richtige Richtung, keine Frage. Die kontrolliert biologisch bewirtschaftete Fläche wächst, genauso wie der Einsatz erneuerbarer Energien. Es gibt aber Winzer, die hüpfen lieber mit ihren Schafen durch die Reben, als mit Hard Facts über den Absenkungspfad in ihrem Weingut zu informieren. Das ist schade.
«Na, du Kleiner, gefällt es dir in diesem Cabernet-Rebberg?», fragt der Teilnehmer eines nachhaltigen Rebberg-Rundgangs, während er im Serienbildmodus gerade mal geschätzte 25 Fotos vom etwas unbeholfen in die Kamera lächelnden Schaf schiesst, das gleichzeitig seine Frage mit einem herzhaften «Möööö, möööö, mööö…» beantwortet. Es ist immer wieder ein Phänomen, wie es ein paar Vierbeiner in den Reben schaffen, die zweibeinigen Besucher so zu bezirzen, dass diese die Idylle auf gar keinen Fall mit einer kritischen Frage stören möchten. Auch wenn es im beschriebenen Fall durchaus Gründe zu solchen Fragen gäbe.
So sind die hier weidenden Hausschafe ziemlich gross, während die Traubenzone in der betreffenden Parzelle eher tief gehalten ist. Diese Schafe können also nur wenige Monate in diesem Rebberg weiden, sonst würden sie nämlich schlicht und einfach alles wegfressen, was später mal Trauben ergeben könnte. Mit anderen Worten: Die hier präsentierte Form von Schafhaltung in den Reben hat genau betrachtet eigentlich wenig Sinn.
Und einiges weist darauf hin, dass das Ganze womöglich einfach ein Showcase für die Besucher ist, die diesen Rundgang gebucht haben. Interessant ist auch, dass in der von einem Elektrodraht abgegrenzten Parzelle gerade mal 20 Schafe zu sehen sind, während das Weingut im betreffenden Talabschnitt gesamthaft 2500 Hektar bewirtschaftet. Geht man davon aus, dass zur Betreuung von einem Hektar Rebland rund vier Schafe benötigt werden, müssten hier folglich irgendwo noch die restlichen 9970 Schafe zu sehen sein. Aber eben: Wer möchte schon mit solch geradezu ketzerischen Fragen die Idylle stören, in der die gutmütigen Schafe übrigens immer artig für die Kameras posieren?
Storys sind gut, Fakten besser!
Wie heute eine effizient nachhaltige Tierhaltung im Rebberg funktionieren kann, beweist beispielsweise das Weingut Cave du Rhodan im schweizerischen Salgesch. In einer Versuchsanlage werden die resistenten Divico-Rebstöcke so erzogen, dass der Frucht-Trägerdraht 1,3 und der Bewässerungsschlauch 0,6 Meter über dem Boden geführt werden, so dass die bretonischen Ouessant-Zwergschafe, die keine 50 Zentimeter gross werden, das ganze Jahr über frei im Rebgarten weiden können, ohne die Triebe und später die reifenden Trauben erreichen zu können. Es handelt sich somit um einen Rebberg, der sich in Bezug auf Krankheitsschutz und Begrünungsunterhalt weitgehend selber regelt.
In einem zweiten Schritt möchte die Familie Mounir den besagten Rebberg übrigens auch noch mit einem Solarfaltdach ausrüsten, das nicht nur Strom produzieren soll, sondern im Frühling auch als Frostschutz-Massnahme und im Hochsommer als Schattenpanel eingesetzt werden kann. Bezüglich der Schafhaltung sagt Olivier Mounir: «Wir halten gegenwärtig 50 Ouessant-Schafe in den Reben. Heute denke ich, dass dies nur Sinn hat für jene Winzer, die effektiv auch Freude an der Tierhaltung haben. Wenn du 50 Schafe hast, gibt es jeden Tag irgendein Problem, das gelöst werden muss. Der Betreuungsaufwand ist beträchtlich und es braucht alternative Weidemöglichkeiten, etwa im Hochsommer, wenn es den Tieren in den Rebgärten in der Talebene zu heiss wird. Wenn du den ganzen Aufwand kalkulierst, kannst du dir genauso den teuersten und besten Unterstockmäher anschaffen.»
Trotzdem: Die Schafhaltung in Rebgärten nimmt zu. Der Anblick erinnert uns an die guten alten Zeiten der Mischkultur, nach der wir uns heute wieder sehnen. Gleichwohl sollten wir die rosarote Brille ab und zu wieder mal abnehmen. Wenn Sie also das nächste Mal zu einem Rebberg kommen, in dem Schafe weiden, dann schauen Sie doch etwas genauer hin.
Vor allem aber: Lassen Sie sich von den niedlich dahinblökenden Tieren nicht von kritischen Fragen ablenken, etwa bezüglich des Absenkungspfades in Bezug auf CO2, des Verbrauchs von Energie und Wasser, der nötigen Ausgleichsflächen für ein reichhaltiges Ökosystem, des hoffentlich sinkenden Einsatzes von Kupfer im Rebberg oder der Ideen zur Mehrfachverwendung von Weinflaschen. Denn es weist einiges darauf hin, dass die Kreislaufwirtschaft in Verbindung mit der Nachhaltigkeit zum nächsten Trendthema in der Szene avanciert.