World of Champagne 2021 • 6x700: Die grosse Vertikale
Champagner-Vertikale von Jacquesson
Seine Spitzenposition verdankt Jacquesson massgeblich der Cuvée 700. Die Cuvées werden fortlaufend nummeriert, weil sie von Jahr zu Jahr leicht anders geraten. Wie anders, illustriert unsere exklusive Querverkostung.
Das Konzept des Brut sans Année (BSA), der Jahr für Jahr immer gleich ausfallen soll und daher aus Grundweinen mehrerer Jahrgänge assembliert wird, um dem Stil einer Marke gerecht zu werden, ging Jean-Hervé und Laurent Chiquet gegen den Strich. Jean-Hervé: «Wir stellten zwei Tatsachen in Frage. Was nützt es, an Verbesserungen zu arbeiten, wenn der Wein sich doch nie ändern darf? Wenn ein Wein immer gleich munden soll, bedeutet das doch, dass man ihn auch mal schlechter macht, als er eigentlich sein könnte.» Die Brüder entschlossen sich daher, dem Konzept des Brut ohne Jahrgang resolut den Rücken zu kehren und Jahr für Jahr die bestmögliche Assemblage des Weins zu kreieren, der als wichtigste Cuvée die Marke repräsentierte, ohne Rücksicht auf den Stil.
«Selbst uns erstaunt es, wie gut und lange unser wichtigster Wein in der Flasche reifen kann!»
Laurent Chiquet
Doch wenn die Assemblage jedes Jahr etwas anders gerät, muss man sie auseinanderhalten, etwa mit einer Seriennummer. Seit rund hundert Jahren erhält bei Jacquesson intern jede Cuvée – davon gab es jedes Jahr mehrere– eine fortlaufende Nummer. Die erste Abfüllung, die der neuen Philosophie entsprach, basierte auf dem Jahrgang 2000 und trug (immer noch intern) die Nummer 728. Die Unterscheidung war gefunden. Mit etwas Kopfrechnen weiss man leicht, welcher Jahrgang als Fundament gedient hat: Die 730 basiert auf dem Jahrgang 2002, die 743 auf dem Jahrgang 2015. Der Anteil an Reserveweinen beträgt nur rund 20 Prozent. Seit der Cuvée 733 lagert ferner ein kleiner Teil der Produktion (knapp 20000 Flaschen) fünf Jahre länger in der Flasche auf der Hefe und kommt dann als Dégorgement tardif auf den Markt. «Wir haben damit der Klage von Kunden entsprochen, die monierten, die 700 schmecke am besten, wenn sie alle sei», ergänzt Laurent mit einem entwaffnenden Lächeln.
Um zu illustrieren, dass die Cuvée 700 zu den besten Champagnern überhaupt gehört und ein exzellentes Reifepotenzial besitzt, braucht es allerdings keine Vertikalverkostung. Es genügt, unsere Notizen der letzten 20 Jahre zu konsultieren. Was uns an der so munteren wie gar nicht alltäglichen Übung interessierte, war die Frage, wie gross die Stilunterschiede im direkten Quervergleich tatsächlich ausfielen. Erstes Indiz lieferte die Tatsache, dass nicht jeder der beteiligten Verkoster den gleichen Wein zu seinem persönlichen Liebling deklarierte.
Nachfolgend zusammengefasst die Resultate:
6 X 700: Die grosse Vertikale
Cuvée 730:
Basierend auf dem hervorragenden Jahrgang 2002, lieferte diese Cuvée zum ersten Mal die perfekte Illustration dessen, was ein Champagner-Liebhaber von einer Cuvée 700 erwarten durfte und darf. Einen Wein zuerst und erst in zweiter Linie einen Schaumwein. Er besitzt bis heute grosse Konzentration und Fülle, aber auch umwerfende Rasse. Wir schrieben damals: «Mit der Cuvée 730 hat Jacquesson noch einmal einen Schritt weiter in Richtung Eigenständigkeit, Charakter und Ausdruck getan und hat sich damit endgültig den ersten Platz der Champagner für Kenner erobert.»
Cuvée 733 und 733 Dégorgement tardif:
Der Vergleich zwischen der normal degorgierten Cuvée, basierend auf dem Jahrgang 2005, und der fünf Jahre später degorgierten war besonders interessant. Das Jahr ergab kraftvolle Weine, die aber auch eine abweisende Seite hatten. Beide Cuvées besitzen weiter Wucht und Fülle und herrliche Noten von Gebäck. Rolf Bichsel, damals ein grosser Fan der spät degorgierten Ausgabe, mochte die normal degorgierte Cuvée mit ihrem ausgeprägteren Reifefirn fast noch lieber, Barbara Schroeder, Jean-Hervé und Laurent Chiquet stimmten klar für die später degorgierte.
Cuvée 736:
2008, Basis dieser Abfüllung, gehört zu den Spitzenjahren der Champagne. Kein Wunder, dass die 736 durch ihre besondere Komplexität, Rasse, Purezza und perfekte Harmonie aus dem Rahmen fällt, dies bei grosser aromatischer Komplexität. Sie ist kein bisschen müde und verdient heute problemlos 20 Punkte!
Cuvée 740:
2012 ist ein klimatisch komplexes Jahr, dessen Weine jedoch zurzeit geradezu verblüffen. Besonders betörend mit seinen Noten von exotischen Früchten und einem Hauch Backpflaumen, der auf den leicht höheren Anteil an Pinot Noir zurückzuführen ist. So stimmig wie weinig und komplett.
Cuvée 743:
Die aktuell ausgelieferte Cuvée, basierend auf dem Jahrgang 2015. Der bisher gefälligste aller Jacquesson-Weine und der Liebling der Chiquet-Brüder.