Aus dem gleichen Holz geschnitzt

Sociando-Mallet

mit Sylvie Gautreau

1969 kaufte der 2019 verstorbene Jean Gautreau eine Ruine mit fünf Hektar Reben am Ende der Welt und machte daraus eines der bekanntesten Weingüter des Médoc. Seine Tochter Sylvie führt sein Lebenswerk fort.

Ja, ich bin die Tochter meines Vaters. Sociando-Mallet ist Jean Gautreaus Lebenswerk. Nicht einfach, sein Erbe anzutreten. Doch wir sind aus dem gleichen Holz geschnitzt. Wir hatten ein enges Verhältnis. Zu seinen Lebzeiten bin ich in seinem Schatten geblieben. Das hat mich nicht gestört. Bereits einige Jahre vor seinem Tod im Alter von 92 Jahren hat er sich nach und nach aus dem Gut zurückgezogen. Es kam nicht zum brutalen Schnitt. Wir standen uns nie im Weg. Bei den Assemblage-Proben sagte er oft: «Sylvie entscheidet, sie verkostet besser als ich.» Doch seien wir ehrlich: Wir hatten den gleichen Geschmack.

Auf Sociando-Mallet kam er durch Zufall. Mein Vater war Weinmakler. Ein belgischer Kunde bat ihn 1969, ihm einen Besitz im Médoc zu finden. Jean stiess auf Sociando-Mallet. «Ich stand da, wo heute das Eingangsportal ist, vor einer mit Dornbüschen überwucherten Ruine. Ein Sonnenstrahl brach durch die Wolken. Ich sah unten die Gironde und war wie verzaubert», erzählte er. Er kam mit meiner Mutter zurück, die nur den Kopf schüttelte und meinte, er sei völlig durchgedreht. Doch wie immer setzte er seinen Kopf durch. Gérard, ein alteingesessener Winzer, der das Gut wie seine Hosentasche kannte, half ihm beim Wiederaufbau. Zu Beginn zählte Sociando-Mallet fünf Hektar Reben auf einem hevorragendem Terroir, einer tiefgründigen Kieskuppe mit Blick auf den Fluss. Heute sind es 82 Hektar. Ich gebe zu, ich hätte nie so viele Reben zusammengehäuft. Ich bin als Jugendliche oft nach Sociando-Mallet gekommen, auf dem Moped, gemeinsam mit einer Freundin. Wir fachten ein Kaminfeuer an, zerrten eine alte Matratze vor das Feuer… Saint-Seurin de Cadourne ist ein bezaubernder Ort am Ende der Welt, mit dem Fluss, den Reben, den Wäldern und Wiesen. Fast automatisch habe ich unsere weintouristische Infrastruktur ausgebaut, mit Gästezimmern (die Villa Sociando im kleinen Hafen La Maréchale), unserer eigenen Carrelet (Fischerhütte) oder unseren Mietvelos. Jean hat uns verlassen – Sociando-Mallet lebt.