Wie eine Nocturne von Chopin
La Lagune
mit Caroline Frey
Caroline Frey leitet mit sicherer Hand und flinken Fingern Weinbaubetriebe in Bordeaux, der Schweiz, dem Burgund und dem Rhônetal. Ihr Erstlingswerk ist das Cru Classé La Lagune im Haut-Médoc.
Das Klavier ist ein ganz besonderes Instrument. Es verlangt grosse Konzentration, Koordination und regelmässiges Üben. Leider fehlt mir heute die Zeit dazu. Doch während 15 Jahren habe ich täglich mehrere Stunden an meinem Instrument verbracht. «Wer nur von Musik etwas versteht, versteht auch davon nichts», sagte Bernstein treffend. Das gilt auch für den Wein. Wenn man mich fragt: «Ist es nicht schwierig, Wein im Rhônetal, im Burgund, in der Schweiz oder hier im Haut-Médoc zu machen?», antworte ich: Ein Pianist muss auch Chopin, Beethoven oder Bach interpretieren können.
«La Lagune besitzt eine starke Persönlichkeit, gemacht aus Zurückhaltung und natürlichem Charme.»
Caroline Frey
Im Wein wie in der Musik ist Technik nur ein Mittel zur Freiheit. Wer nur an die Technik denkt, wird es nie schaffen, ein Meisterwerk wie die Nocturne von Chopin korrekt und mit Seele zu interpretieren. Im Weinbau bildet die Technik das Fundament, auf das ich mich stütze. Sie gibt mir die nötige Sicherheit. In der Musik, besonders im klassischen Repertoire, empfinde ich ähnliche Vibrationen wie in einem grossen Terroir. Es gibt Stücke, die man immer neu entdeckt, und Terroirs, die man immer wieder neu interpretieren möchte. Man will den Dingen auf den Grund gehen, fragt sich: «Warum bist du, wie du bist?», kriegt doch nie die ganze Antwort und bleibt trotzdem immer eng mit der Partitur, dem Ausgangspunkt verbunden.
Menschen, Lehrmeister spielten eine wichtige Rolle in meinem Leben. Vorab der Önologe Denis Dubourdieu, bei dem ich studierte und mit dem ich zum ersten Mal Wein kelterte. 2002 und 2003 wohnte ich bei ihm und kümmerte mich um seine Güter Reynon und Clos Floridène. Ich lernte unendlich viel dabei. Die technische Seite des Weinbaus, sicher. Doch noch mehr Denis’ Philosophie. Er ermunterte mich dazu, La Lagune zu übernehmen, mit nur 26 Jahren. Wir haben einiges erreicht seither. La Lagune hat, nicht zuletzt dank des biologischen Anbaus, eine besondere Persönlichkeit entwickelt, gemacht aus Zurückhaltung und natürlichem Charme. Wenn ich meine Nase in ein Glas Wein stecke, erwarte ich nicht, dass er mir augenblicklich alles sagt. Ich will ihn nach und nach entdecken. Wie eine Nocturne von Chopin.