Tourismus & Reisen
Die unerträgliche Leichtigkeit auf 40 Hektar
Text: Eva Maria Dülligen, Fotos: z.V.g.
Eigentlich gehört die diesjährige Bundesgartenschau in Heilbronn mit 40 Hektar eher zu den kleineren BUGAs. So war dieser Event in Hamburg, Stuttgart oder München mehr als doppelt so groß. Doch bekanntlich ist es weniger die Größe, die es macht: Die geschichtsträchtige Stadt am Neckar hat nicht nur blühendes Leben in die 40 Hektar eingebettet, sondern ihren Fokus hier gleichzeitig auf Nachhaltigkeit und eine Stadt der Zukunft gelegt. Kunst, Kultur & Kulinarik sind wie selbstverständlich in die Bundesgartenschau hineingewachsen.
Zu behaupten, man würde eine andere Welt betreten, wäre zu kurz gegriffen. Die ehemalige Gewerbebrache zwischen Alt-Neckar und Neckar-Kanal hat sich in eine kleine Galaxie verwandelt. Aber bevor die Brache zum botanischen Wunderland wurde, musste zunächst mal der kontaminierte Boden von Öl, Schrott oder Bomben aus dem 2. Weltkrieg befreit werden. Alles in allem mehrere hundert Tonnen. Insgesamt 600 000 Kubikmeter Boden wurden – seit dem ersten Spatenstich im Jahr 2013 – innerhalb des Geländes bewegt. Das entspricht laut BUGA-Management einer LKW-Schlange von Köln bis nach München. In puncto erneuerbare Energien oder Biodiversität kann die BUGA bereits mit der EMAS-Zertifikation für geprüftes Umwelt-Management aufwarten.
Neupflanzungen von 960 Waldkiefern und Eichen und ein temporär angelegter Wald mit 1700 Pappeln, die später als Energiepflanzen verwertet werden, bilden eine Seite der szenischen Blickfänge. Eine weitere ist die Inszenierung des Wassers: angelegte Seen, Sandstrände, ein Steg aus Bongossi-Holz, ein kleiner Yachthafen, verschiedene Wasserschauspiele sind nur einige der thematischen Anlaufpunkte. Die können ihr Flanierfinale etwa an der Strandbar, der Hafen-Lounge oder der Genussmeile haben. Es verteilen sich 14 verschiedene Foodstätten über die Open-Air-Ausstellung.
Der Rebensaft spielt bei der sechsmonatigen Ausstellung nicht weit vom Heilbronner Zentrum freilich mit. Nicht nur in der Weinvilla, wo Riesling, Lemberger & Co. von lokaler Winzern sowie der ansässigen Weingärtnergenossenschaft über die Gaumen gleiten, sondern gleichwohl als angelegter Weingarten inklusive Wengertshäusle, die dem Besucher hautnah den Weinbau vermitteln. Eine Rekordzahl lauert in der 5000. Exakt so viele Spektakel finden während der 173 Tage in den Garten- und Parkanlagen statt.
Eine der ersten Geigen spielt beim Kulturprogramm die Musik: für Liebhaber von Rock und Pop über solche, die Soul, Funk oder Electronic favorisieren, bis hin zu Klassik-Fans. Wer außer Chillen, Zen-Meditation und Tai Chi auch Bouldern an Kletterwänden zu seinen Lieblings-Aktivitäten zählt, wird hier ebenso glücklich wie Blumenkinder: 23 Blumenschauen, 18 Garten-Kabinette, essbare Gärten, schwebenden Baumschulen, bionische Pavillons – von knalligen Frühlings- blumen bis in die exotische Pflanzenwelt kann man in die bunten Ozeane eintauchen. Um zu verhindern, dass Sie in den groß angelegten Angeboten zwischen dem 17. April und dem 6. Oktober 2019 ertrinken, haben wir die Abenteuer schon mal vorsortiert.
Inzwischenland und Wohnen 4.0
Tipp 1
Das Inzwischenland steht für ein experimentelles Stück Land, das nach der Veranstaltung zurückgebaut wird, Blumenmeere, Hafenpromenade und vieles andere dagegen überdauert das sechsmonatige Groß-Ereignis. Von Pappeln eingefasst, betritt man im Inzwischenland 18 Themengärten. Etwa den «Pilzgarten», in dem mannigfaltige Kultur- und Wildpilze aus Holzstämmen schießen: bei Kochshows mit Meisterköchen sollen Pilze und Heilkräuter einfließen.
Der «Rosengarten» prahlt mit 8000 Exemplaren, deren Duft jeden umhaut. Ein Teil besteht aus Prachtrosen, ein anderer erinnert an eine Dünen-Landschaft, in dem die dornigen Diven von Sand und Gräsern umgeben sind. Nachdem man alte Obstsorten gekostet, die Laute von Bienen samt Audiofiles aufgesogen, beim «Weinbeitrag» regionale Rebsorten probiert und sich über die Funktion von Trockenmauern und Rosenstöcken im Weinberg schlaugemacht hat, geht es weiter zum Hafenpark am westlichen Rand des Geländes. Dessen Höhe erlaubt den Blick über das von Weinbergen umgebene Heilbronn. Ein Picknick zwischen Eichen und Zierkirschen mit der Aussicht auf Kilianskirche und Wartberg macht fit für den nächsten Stopp, «Wohnen 4.0». In dem Projekt sind Urbanität und Natur verschmolzen.
Bereits 800 Menschen leben in futuristischen Gebäuden inmitten der grünen Mini-Stadt am Fluss. Wie sich das Leben im neuen Stadtquartier Neckarbogen anfühlt, erfahren die Besucher bei der integrierten Stadtausstellung. Das höchste Holzhybridhaus Deutschlands mit gemeinschaftlicher Dachterrasse zum Chillen und Grillen fesselt nicht minder als Muschelkalkplatten und Black Box Gardening im Innenhof oder die Energieversorgung mit Blockheizkraft. Willkommen in der Science-Fiction-Stadt!
Der passende Wein
2017 BUGA Sonderedition, Sauvignon Blanc QbA trocken
Alles andere als eine Fruchtbombe, sondern ein Touch von Stachelbeere umschlungen von Lorbeerblatt. Die Special Edition «BUGA» hält neben diesem Sauvignon Blanc auch Trollinger, Lemberger und Riesling bereit. Allesamt schön gemacht, doch der Sauvignon mit wunderbar integrierter Säure und langem Nachhall war Favorit.
Preis: 10,– Euro | www.wg-heilbronn.de
Strandbar und Riesendrachen
Tipp 2
Nur wenige hundert Meter von der BUGA entfernt, bekommt man in der City von Heilbronn eigentlich alles: von der Perlhuhnbrust bis zum Running Sushi. Aber wer lieber im floralen Universum bleibt, kann an 14 verschiedenen Ess-Stätten Zwischenstopp einlegen. Gleich im Fruchtschuppen befindet sich die «Markthalle». Mit über 900 Sitzplätzen und riesigen Holzterrassen finden in der Markthalle auch große Gruppen Platz und Leckeres auf dem Porzellan.
Im «Bootshaus», kann sich das Publikum mit Blick auf die historische Wilhelmsschleuse an Fisch, frisch aus dem Räucher-Ofen, oder Spaghetti alle vongole vergnügen kann. Den Cocktail in der einen Hand, ein Stück Flammkuchen in der anderen und beide Füße im Sand holt sich der Besucher in der «Strandbar» Urlaubsgefühle ab. Die laden die Akkus für den Kunstkonsum auf.
Denn: 24 Skulpturen internationaler, nationaler und regionaler Künstler begegnen einem über das gesamte Gelände verteilt. Unter dem Motto «Transformation einer Stadtlandschaft» haben etwa die US-amerikanische Künstlerin Alice Ayock oder der Deutsch-Niederländer Ewerdt Hilgemann sich mit Form, Zeit und Raum auseinandergesetzt und verfremdete Materialien inszeniert. Auch andere internationale Bildhauerinnen wie Carole Feuermann und Laura Ford stellen hyperrealistisch das Spannungsfeld von Natur und Kultur dar. Monumentale Skulpturen wechseln mit temporären Objekten, bunte Drachen mit erleuchteten Figuren. Man begegnet den Kunstwerken vom «Stadtdschungel» im Eingangsbereich bis zu den Ufern des Neckars. Parallel zum Kunstgenuss findet man bei Angeboten von Yoga, Tai-Chi, Fitness-Workout und Steilwand-Klettern zum physisch-spirituellen Gleichgewicht.
Der passende Wein
Triebwerk, Riesling 2017 Premium
Zurückhaltend in der Nase und ein weiches Gaumen-gefühl. Durch lange Reifung – teils in Edelstahl, teils in Holz – hat sich ein schönes Gleichgewicht von Süße, Säure und Trockenheit herausgefeilt. Zitronendrops mit einer Bitter-Lemon-Note und im Abgang eine Ahnung von Karamell. Elegante Mineralität.
Preis: 16,90 Euro | www.triebwerk-heilbronn.de
Party, Pop und Pink Flamingo
Tipp 3
Zwar ist die BUGA kein Musik-Festival, doch auf die Ohren gibt es hier Rhythmen für jeden. Acid-Jazzer Joo Kraus begleitet als einer der besten Trompeter Deutschlands die Cool Jazz Sängerin Malia. Das Mainzer Trio «Dynarchy» heizt mit elektronischem Sound ein. Und «Cris Cosmo» bringt das Auditorium dazu, mit einem Mix aus Dancehall, Latin und Reggae die Socken durchzutanzen. Selbst Special Guest Max Mutzke legt sich Open Air ins Zeug. Ska, Sweet Soul, Folk und Indietronic repräsentieren sich live auf einer überdachten Bühne, vor der 3000 Menschen Platz finden. Eine Woodstock-Show lässt Flower-Power Feeling aufblühen und das Atomic Brick Orchestra führt die Rockoper «The Wall» auf.
In den Köpfen der Blumen-Schöpfer gibt es keine Mauern: Im alten Fruchtschuppen kennt die Phantasie nationaler Floristen-Teams keine Grenzen und zeigt dies zwischen dem 17. April und dem 6. Oktober mit 23 einander abwechselnden Blumenschauen in zwei Hallen. Blumiges Arrangement meats Video-Installation, der Event «Pink Flamingo» erzeugt via zart-rosa Blüten Assoziationen zur Mode der Achtziger.
Knallige Frühlingsblumen und exotische Pflanzen umschmeicheln das Auge bei der Schau «Yolo». Japanische Blumenkunst wird bis in den letzten Fruchtknoten unter der Parole «Ikebana» zelebriert. «Ikabana» heißt «Weg der Blume». Dieses hübsche Sprachbild passt zu der Reise durch Blumenmeere, zu Kletterfelsen und Wassershow, zu Europa-Minigärtnern und Robotic Garden.
Der passende Wein
Fleiner Kirchenweinberg Karmeliter, Rosé-Sekt Extra Dry
Orange und Rosa in der Farbe. Leichte Dattelakzente in der Nase und hauchfeines Raucharoma, in dem bei intensivem Reinriechen Rosenblätter hinzukommen. Angenehm sanft am Gaumen. Rohmilchkäse mischt sich ein. Ein Best-Price-Sekt. Sehr erotisch-exotisch. Ein schwäbischer Schampus. Fein strukturiert und ebenso subtil moussierend.
Preis: 7,50 Euro | www.wg-heilbronn.de