Drei Leben, ein Glas Rotwein

Weinmacher mit Doppelrolle

Text: Eva Maria Dülligen, Fotos: Daniel Schneider

Was haben eine medizinische Fachangestellte, eine Justizvollzugsbeamtin und ein ehemaliger Jugend-Fußballtrainer gemeinsam? Dass alle drei nach getaner Arbeit gern ein Glas Rotwein aus dem Ländle genießen, beantwortet diese brisante Frage nur zum Teil.

Es kommt nicht alle Tage vor, mitten in einem Interview zu erfahren, dass es sich um eine Mitarbeiterin im Strafvollzug handelt, die da gerade Fragen zum Wein beantwortet. So schnell erfasst der Verstand zunächst nicht, wie Önologie und Weinbau mit der Betreuung von Inhaftierten zusammengehen: «Auf der gefängniseigenen Staatsdomäne Hohrainhof können sich Insassen in den Weinbau einbringen», erklärt die gelernte Winzerin ­Karolin Bubeck. «Das ist ein Schritt in Richtung Arbeitsleben nach der Entlassung.» Ob sich die Männer in Freiheit weiterhin Weinlese oder Kellerarbeit widmen, ist nicht bekannt. Fest steht, dass sich ­Karolin Bubeck dem Wein verschrieben hat. «Ich bin in dritter Generation bei einer Genossenschaft. Mein Großvater war Vorstandsvorsitzender der Fleiner Weingärtner. Wein war immer im Hintergrund.» Auch Britta Kunkel arbeitet für eine Genossenschaft und parallel dazu in einem ganz anderen Metier. Auch in ihrem Leben spielt Wein eine zentrale Rolle: Ihr Großonkel war Kellerdirektor in der Württembergischen Weingärtner-Zentralgenossenschaft, ihr Vater leidenschaftlicher Hobbywinzer und ihr Opa schenkte Britta den ersten Weinberg. Bevor sie das geschäftliche Ruder der WG Sternenfels 2019 übernahm, ließ sich die heute 44-Jährige zur Fachwirtin für ambulante medizinische Versorgung ausbilden: «Das Thema Medizin hat mich immer schon fasziniert. Und was ich über Praxismanagement und Personalführung gelernt habe, kann ich gut als Geschäftsführerin in der WG anwenden.» Werner Bender war derjenige, der das Thema «Weine in 0,75-Liter-Mehrwegflaschen» in Deutschland angestoßen hat: «Es hat dreieinhalb Jahre Schweißarbeit gekostet, bis die Wein-Mehrweg eG gegründet wurde.» Ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen, sei bei wiederverwendbaren Weinflaschen eine echte Herausforderung gewesen. Eigentlich stand der Geschäftsführer der Heuchelberg Weingärtner in jungen Jahren vor der Wahl, entweder ein Sportstudium oder ein Studium der Weinwirtschaft aufzu-nehmen. Gott sei Dank hat die Vernunft gesiegt.


Karolin Bubeck

Ein klitzekleines bisschen eingeschüchtert ist man schon, wenn man ­Karolin zum ersten Mal begegnet. Mit stattlichen 1,85 Metern überragt sie sogar die meisten Männer ihrer Umgebung. Auch sonst zeigt die 40-Jährige klare Präsenz: als Gemeinderätin von Flein. Als Aufsichtsratsvorsitzende einer Genossenschaftskellerei. Und als Justizvollzugsbeamtin bei der Staatsdomäne Hohrainhof. Ob es da einen Link gäbe zwischen ihrer Liebe zum Wein und dem Job im offenen Vollzug? Das richtige Stichwort für die gelernte Winzerin: «Der Hohrainhof ist das einzige deutsche Weingut, das sich im Besitz eines Gefängnisses befindet. In dieser Außenstelle entsteht auf zehn Hektar Bio-Wein im Knast, und der ist richtig gut», lacht Karolin.

«Beim Weinbau hat man immer den besten und den schwierigsten Partner: die Natur!»

Es sei eine sinnvolle Übergangsstation für die Insassen, in Weinberg und Hofladen zu arbeiten, bevor es zurück ins Leben außerhalb der Mauern geht. Ihre eigenen Trauben – Lemberger, Samtrot, Riesling und Weißburgunder – liefert Karolin in dritter Generation an die Genossenschaftskellerei Heilbronn: «Die Genossenschaft ist ein Teil von mir, jedes Mitglied besitzt Anteile – ein erfolgreiches Geschäftsmodell, vor allem in diesen stürmischen Zeiten.» Denen begegnet die Naturfreundin nicht nur beim Gletscherski am österreichischen Kitzsteinhorn, wo sie die schwarze Piste «Black Mamba» hinuntersegelt, sondern auch bei Wanderungen durch die Alpentäler oder den Nordschwarzwald. Direkt nach ihrer Ausbildung reiste Karolin nach Neuseeland, um in Nelson auf dem Weingut Seifried ein Praktikum zu machen. Bei Weinlese, Mostverarbeitung und Vermarktung habe sie dort viel Knowhow abgeschöpft und eingebracht. «Ich habe Neuseeländer kennengelernt, die haben ihre Insel nie verlassen und waren die glücklichsten Menschen der Welt.»


Mein Wein

Dieser Riesling stammt aus einer Weinbergparzelle, die von Schafen «gemäht» wird: in der Nase frisches Heu und Schlagrahm, am Gaumen Birnen-Fruchtfleisch und Limone, weiche Textur, trockene Süße. Passt zu gegrilltem Fisch.

Genossenschaftskellerei Heilbronn eG
2023 «Mähwerk» Riesling
5,77 Euro
wg-heilbronn.de


Vita

Name Karolin Bubeck

Funktion Technikerin für Weinbau & Önologie

Alter 40 Jahre

Familie Verheiratet, zwei Kinder

Ausbildung Nach der Winzerlehre qualifizierte Karolin sich zur Technikerin für Weinbau & Önologie. Seit 2009 arbeitet sie als Justizvollzugsbeamtin und ist seit 2023 Aufsichtsrätin der WG Heilbronn.

Genossenschaft Die Genossenschaftskellerei Heilbronn ist mit ca. 1400 Hektar die größte deutsche Einzelgenossenschaft. Auf 16 Einzellagen wachsen etwa 65 % Rot- und 35 % Weißwein.


Werner Bender

«Wenn ich mit dem alten Porsche-Bulldog Trauben anliefere, habe ich die Lacher auf meiner Seite», sagt Werner Bender. Nicht nur, dass der Ackerschlepper von 1961 de facto ins Museum gehört: «Die Hinterräder des Porsche-Traktors sind kleiner als die Vorderräder von modernen Schleppern.» Trauben liefert Bender mittlerweile nur noch an, um seinem Cousin unter die Arme zu greifen. Vor sechs Jahren hat er seine Parzellen mit Trollinger, Lemberger und Samtrot verpachtet. Als Geschäftsführer der Heuchelberg Weingärtner eG ist Werner Benders Terminkalender eng getaktet: Strategieentwicklung, Kalkulation von Kosten oder Sortimentsplanung. Ein wenig nos­talgisch klingt der 55-Jährige dennoch, wenn er auf die Zeit im elter-lichen Weinberg zurückblickt: «Ich wurde schon als Baby im Kinderwagen durch die Rebzeilen gefahren und spüre bis heute tiefe Verbundenheit mit dem Weinbau.» Werner Bender erkannte zu Beginn der 1990er an der Fachhochschule Heilbronn, dass sich Liebe zum Wein und dessen professionelle Vermarktung ideal kombinieren lassen.

«Machen ist wie wollen, nur viel krasser!»

Mit seinem Abschluss zum Dipl. Betriebswirt der Weinwirtschaft legte er bereits damals den optimalen Grundstein für eine Karriere in der Weinbranche, die ihn nach einigen Stationen 2014 in die Geschäftsführung der Heuchelberg Weingärtner führte. Als Vorstand der Wein-Mehrweg eG investiert er zudem viel Herzblut für die neue 0,75l Wein-Mehrweglasche. Auszeiten nimmt der ehemalige Jugend-Fußballtrainer sich zum Beispiel an jedem 5. ­Januar. Dann wird mit der damaligen Fußballjugend im Weinberghäusle richtiger Hüttenzauber veranstaltet. «Unter anderem auch mit Sauvitage vom Heuchelberg in der 0,75-Liter-Mehrwegflasche», so der leidenschaftliche Fußballfan.


Mein Wein

Dieser Sauvitage zeigt schöne Fruchtigkeit: Pfirsich, Nektarine, Aprikose, Melone. Milde Säure, charmanter Aufbau. Im Dialog mit Meeresfrüchten, Fisch, Gemüse oder hellem Fleisch ist er Gesprächspartner auf Augenhöhe.

Heuchelberg Weingärtner eG
2023 Sauvitage | Move For Nature
5,89 Euro
heuchelberg.de


Vita

Name Werner Bender

Funktion Geschäftsführer

Alter 55 Jahre

Familie Verheiratet, ein Sohn

Ausbildung An der Fachhochschule Heilbronn absolvierte der Diplom-Betriebswirt sein Studium der Weinwirtschaft mit Schwerpunkt Marketing.

Genossenschaft Mit 100 Jahren Erfahrung haben die Heuchelberg Weingärtner das Ziel, jedem den passenden Wein zu bieten. Dabei pflegen sie ebenso die Tradition, wie sie auch innovativen Ansätzen gegenüber aufgeschlossen sind. Mit ihren sehr vielfältigen Produkten schaffen sie Anlässe, erzählen Geschichten, wecken Emotionen und bieten dabei höchsten Genuss.


Britta Kunkel

«Nach dem Schulabschluss fragte ich mich, wo meine Karriere hingehen soll», erinnert sich Britta Kunkel. Wie so oft half der Zufall. Denn bei einem Hausarzt-Besuch erfuhr sie, dass eine Stelle in der Arzt-praxis frei war. Bis heute übt sie den Job als medizinische Fachangestellte mit Hingabe aus, legte einen weiteren Karriereschritt zur Fachwirtin für ambulante Medizin nach und leitet «ganz nebenbei» die Weingärtnergenossenschaft Sternenfels. Dass die 44-jährige Mutter von Zwillingen alles unter einen Hut bekommt, verdankt sie zwei Faktoren: Sie arbeitet drei Vormittage in der Praxis. Und die WG Sternenfels, wo sie sich nachmittags engagiert, hat mit 40 Mitgliedern und zehn Hektar eine überschaubare Größe. Über ihre eigenen sieben Ar mit Lemberger sagt sie: «Für mich ist das eine romantische Fläche, die ich allein bearbeite. Dann dünge ich den gesamten Weinberg mit Eselsmist in Eigenregie.» Gemeinsam angepackt wird bei den Weingärtnern selbstredend, wenn Projekte wie der Sauvitage anstehen.

«Beim Trollinger Marathon in Heilbronn mitzulaufen, ist für mich das spannendste Sporterlebnis im ganzen Jahr.»

Die neue Anlage für den Piwi wurde 2022 realisiert. Britta begeistert sich für den ersten Jahrgang 2024: «Das ist ein richtig guter Jungwein. In der ersten Auflage haben wir 800 Liter davon produziert.» Auf ihr Engagement geht es zurück, dass der von einem Mitglied angepflanzte Merlot in ein neues Produkt der WG floss. Mit der Rosé-Cuvée aus Trollinger, Lemberger und Merlot ist laut der Geschäftsführerin ein wunderbarer Sommerwein entstanden. Auch dem Trollinger in der Ein-Liter-Flasche verhalf sie mit einem selbst entworfenen Etikett unter dem Titel «Sofawein» zu erhöhter Beachtung. Zur inneren Balance findet die sportliche Geschäftsfrau etwa beim Trollinger Marathon in Heilbronn: «21 Kilometer unter dem Motto einer meiner liebsten Rebsorten.»


Mein Wein

Wir haben hier einen rubinrot leuchtenden, sehr bee­rigen, würzig frischen Wein mit den Aromen von Cassis und feiner Süße. Frischer Trollinger in Harmonie mit gehaltvollem Lemberger. Passt perfekt zu schwäbischen Spätzle mit Soße.

Weingärtnergenossenschaft Sternenfels e. G.
2022 Trollinger-Lemberger
5,10 Euro
wg-sternenfels.de


Vita

Name Britta Kunkel

Funktion Geschäftsführerin

Alter 44 Jahre

Familie Verheiratet, zwei Kinder

Ausbildung Am Anfang ihrer Karriere stand die Qualifikation zur medizinischen Fachangestellten. Eine Weiterbildung zur Fachwirtin für ambulante Medizin folgte. Seit 2019 leitet sie als Geschäftsführerin die Geschicke der WG Sternenfels e. G.

Genossenschaft 1950 gegründet, wird in der Weingärtnergenossenschaft Sternenfels auf rund zehn Hektar Rebfläche ökologisch orientiert angebaut.