Cabernet, Merlot und Co.
Mein Weinweekend Bolgheri
Foto: Linda Vukaj
Nachdem Marchese Incisa della Rocchetta in diesem kleinen Dörfchen an der toskanischen Küste 1942 internationale Rebsorten gepflanzt hatte, entwickelte sich Bolgheri in den 1980er Jahren zur Avantgarde im damals angestaubten Italien. Heute produzieren dort mehr als 70 Winzer Weine aus Cabernet, Merlot und Co. Aber nicht nur deshalb ist Bolgheri eine Reise wert.
1200 Gäste unter freiem Himmel auf der Zypressenallee, bekocht und am Tisch bedient vom Team des Florentiner Chefkochs Guido Guidi. Da meinte es selbst der Wettergott gut und sandte die Regenwolken erst am nächsten Morgen.
Das Galadinner des Anteprima-Events Bolgheri DiVino wurde Anfang September zum dritten Mal unter freiem Himmel auf der Viale dei Cipressi abgehalten. Die Winzer von Bolgheri bewirteten dabei ihre Gäste auf der in diesem Fall für den Verkehr gesperrten Zypressenallee, die Bolgheri mit der Via Aurelia verbindet, und schenkten neben den aktuellen Topweinen auch manche ihrer gereiften Raritäten aus. Gefeiert wird nämlich gerade der 40. Geburtstag des Winzerkonsortiums. Unter den ältesten Weinen waren daher auch ein eleganter Ornellaia 1998, ein kraftvoller Grattamacco 1998 und ein Sassicaia 1995 – um nur einige zu nennen.
Dass selbst im fernen Kalifornien ein Sassicaia geschätzt wird, bewies 2004 der Film «Sideways»: Als der weinbegeisterte Protagonist Miles seine Angebetete, eine Sommelière, fragt, was sie zum Wein gebracht hat, antwortet sie: «Ein 88er Sassicaia.» Kein Petrus oder Lafite, auch kein Brunello oder Barolo, sondern ein Wein von der toskanischen Küste, der bis 1993 nur als Tafelwein abgefüllt wurde!
Dem Sassicaia aus Bolgheri eilt seit seinem Erscheinen 1968 ein legendärer Ruf voraus: Schliesslich war er einer der ersten Supertoskaner, jener italienischen Weine aus internationalen Rebsorten, im kleinen Holz gereift, die viele Bordelaiser alt aussehen liessen. Und mit dem Sassicaia begann der Boom der Maremma, der wuchtig-warmen Weine von der toskanischen Küste, die sich heute mit Weinen aus Kalifornien und Australien messen. Solche Vergleiche liegen dem Sassicaia fern: Sein Schöpfer, Mario Incisa della Rocchetta, wollte mit ihm einen «noblen» Wein kreieren, einen Monolithen im Stile der grossen Weine des Bordelais. Schon 1942 pflanzte er deshalb Cabernet-Sauvignon-Trauben auf seiner Tenuta San Guido bei Bolgheri an. Zuerst für den eigenen Gebrauch, ab 1968 dann auch in Flaschen gefüllt für den Verkauf. Baron Philippe de Mouton-Rothschild befand den Sassicaia schon in den 1970er Jahren für «gut», aber etwas «farouche» – «wild». Diese Wildheit ist dem Wein bis heute geblieben. Marchese Nicolò Incisa della Rocchetta, der Sohn Marios, sieht den Sassicaia als zeitlosen, aber keinesfalls als «mumifizierten Wein», erklärte er einmal in einem VINUM-Interview: «Auch der Stil des Sassicaia ändert sich mit der Zeit, aber wir haben die Trauben immer aus den gleichen drei, vier Rebbergen bezogen, nie einen neuen hinzugefügt, sondern nur die bestehenden erweitert.» Dadurch ist die Grundzusammensetzung des Weines bis heute dieselbe geblieben – viel Cabernet Sauvignon und wenig Cabernet Franc.
Der Sassicaia ist bis heute kein hochgezüchteter Kunstwein, der durch Extrakt und Dichte blendet. Marchese Nicolò: «Unser Keller ist sehr einfach eingerichtet. Wir verarbeiten dort nur die Qualität, die aus dem Weinberg kommt, und verändern sie nicht. Sassicaia ist ein reines Produkt des Terroirs: ein eleganter Wein, der reifen muss.»
Denn ein Sassicaia braucht Zeit. Zeit, im Keller seine Balance zu finden, und Zeit, sich im Glas zu entwickeln. Seine Farouchesse, die ihn in jungen Jahren umgibt, wird dann geglättet, seine kantigen Tannine werden abgeschliffen. Ein Sassicaia aus grossen Jahren erreicht oft erst nach zehn, 15, auch 20 Jahren sein Maximum: Dann betört er mit seinen Noten von Cassis, Eukalyptus und Schwarztee – und zählt mit seiner noblen Eleganz zum Besten, was Italien zu bieten hat. Aber längst sind viele Weingüter aus dem Schatten der Tenuta San Guido getreten: Zu den Pionieren Ornellaia, Grattamacco, Le Macchiole oder Michele Satta haben sich Dutzende andere gesellt, viele auch aus anderen Teilen Italiens. Denn Bolgheri ist noch immer eine Boomzone. Die Lage an den kilometerlangen Sandstränden der Riviera degli Etruschi hinter Pinienwäldern und in der Nähe sowohl von den kleinen Dörfern in den Hügeln als auch von den von Natur umgebenen Colline Metallifere lockt inzwischen nicht nur weininteressierte Touristen in die Alta Maremma.
Aber natürlich ist Bolgheri vor allem wegen des guten Essens – einem Mix aus mare e terra – und der Getränke eine Reise wert. Das beginnt im historischen Borgo von Bolgheri selbst und führt über das mittelalterliche Hügeldörfchen Castagneto Carducci bis nach Donoratico, dem Ferienort am Meer mit seinen Fischrestaurants am weissen Strand.
Und auch nur ein paar Kilometer entfernt liegt das Hafenstädtchen San Vincenzo, von dem man hinter den Wellen des Tyrrhenischen Meeres Elba und die Inseln des Toskanischen Archipels erblickt. Hier war einst mit dem «Gambero Rosso» und seinem Chefkoch Fulvio Pierangelini einer der Pioniere der regional beeinflussten Haute Cuisine Italiens tätig.
Das «Gambero Rosso» gibt’s schon lange nicht mehr, aber Fulvios Sohn Fulvietto führt heute hier das «Il Bucaniere» mit saisonaler Küche und mediterranem Lebensgefühl – mit Terrasse über dem Meer und eigenem Strand.
Essen und Trinken
Von Fischküche über toskanische Spezialitäten bis zur Grillkunst eines Dario Cecchini – für jeden Geschmack ist etwas dabei.
Küche mit Strand - Il Bucaniere
«Il Bucaniere di San Vincenzo» ist das Restaurant von Fulvietto Pierangelini, dem Sohn des legendären Küchenchefs Fulvio Pierangelini, der in San Vincenzo einst das «Gambero Rosso» bewirtschaftete. Fulviettos Küche folgt einem einfachen Ansatz, der ganz auf Kochmethoden und Kontrasten basiert und sich auch auf weniger noble Fischarten und den Fang des Tages fokussiert. Bolgheri-durchsetzt – aber nicht nur – ist die facettenreiche Weinkarte. Unbedingt reservieren, damit man einen Platz auf der Terrasse mit Blick auf das Meer ergattert, und die Badehose nicht vergessen: Der Strand unter der Terrasse gehört zum Lokal.
ristoranteilbucaniere.com
Bester Fisch - La Tana del Pirata
Man kann natürlich auch den ganzen Tag im Liegestuhl am hauseigenen Strandabschnitt verbringen, aber dann verpasst man das Beste an der «Tana del Pirata»: den Blick aufs Meer von der Terrasse und die Fischküche der Familie Olmi. Dazu gehören raffinierte Primi wie die Spaghetti und Maltagliati, aber auch Secondi wie Dorade und Trüffel, nicht zu vergessen die Meeresfrüchte-Cruditrè und die hausgemachten Desserts. Hervorragend ist die Weinkarte mit Weinen aus Bolgheri und darüber hinaus, aber auch manchem gut gewählten Champagner.
latanadelpirata.com
Tagliata und Tramonto - Il Macello di Bolgheri
Omar Barsacchi und Dario Cecchini haben sich gefunden: Der Koch aus Bolgheri und der Metzger aus Panzano machen im «Macello» gemeinsame Sache und tischen mit Blick auf Reben und in der Ferne dem Meer vor allem Toskanisches und Fleisch in vielerlei Form auf: Als Antipasto gibt’s unter anderem Tatar und Vitello tonnato, dann eine hausgemachte Lasagne und schliesslich vor dem Dessert zweierlei Tagliata und ein Peposo. Das alles zu einem unschlagbaren Preis: 50 Euro für das Degustationsmenü, inklusive Hauswein, Espresso und Amaro.
Ilmacellodibolgheri.it
Übernachten
Fast für jeden Geschmack findet man an der Riviera degli Etruschi Unterkünfte – ab und zu direkt beim Winzer.
Tombolo Talasso Resort Wellness ohne Stress
Nahe dem Strand von Marina di Castagneto Carducci steht das «Tombolo Talasso Resort», umrahmt von einem uralten Park mit Pinien. Es verfügt über einen hauseigenen Strand, nur wenige Meter vom Resort entfernt inmitten der Tomboli, den für diese Zone typischen Sanddünen. Die Zimmer, Junior Suiten und Suiten bieten Blick auf das Meer oder auf den Park. Das Thalasso-therapie-Zentrum offeriert verschiedene auf den Gast zugeschnittene Behandlungen, die orientalische Methoden mit modernen Therapien kombinieren.
Residence Hotel Campastrello Sport - Inmitten der Reben
Die Familie Scaramuzzi war mit dieser grünen Oase mit grossem Pool, Fussballplatz und Restaurant ein Pionier des Tourismus in Bolgheri und hat auch das Galadinner auf der Viale di Bolgheri mitinitiiert. Wer Ruhe und Erholung in einem fast familiären Ambiente und in Schlagdistanz zu Weingütern und Strand sucht, ist hier richtig. Im angeschlossenen Restaurant kann man dann noch einen Negroni geniessen oder sich durch einige Klassiker der traditionellen toskanischen Küche kosten.
campastrellosport.it
Castello di Bolgheri - Unter den Zypressen
Castello di Bolgheri, einer der renommiertesten Weinproduzenten des Anbaugebietes, nennt auf seinen ausgedehnten Besitzungen nahe der pittoresken Zypressenallee und inmitten der Rebberge Bauernhöfe sein Eigen, die man tage-, wochen- oder monatsweise buchen kann. Jedes Appartement ist komfortabel ausgestattet und ein idealer Ausgangspunkt für Erkundungen des Gebietes, der Weiler Bolgheri mit seinen Restaurants und Bars ist zu Fuss erreichbar.
castellodibolgheri.com