Wirtschaft
Die Botschafter des Genfer Weingebiets
Fotos: Régis Colombo/diapo.ch, Laura Hänni, Siffert/weinweltfoto.ch
Ein Grossteil der im Kanton erzeugten Weine findet in der Metropole Genf seine Abnehmer. Dennoch strecken einige Winzer ihre Fühler auch in andere Regionen der Westschweiz und auch in Richtung Deutschschweiz aus. Wir begleiteten diese «Apostel» der Genfer Weine auf ihrer Tour durch die Eidgenossenschaft.
Arvinis
Les Vallières
1995 gründeten Nadège und Philippe Fehlmann in Morges eine Messe für Weine aus aller Welt, die nach und nach immer mehr Zulauf bekam. Nach 22 «fetten Jahren» an der Côte folgten zwei etwas schwierigere Jahre in Montreux, wohin die Messe nach dem Abriss der SBB-Hallen in Morges umgezogen war. Anfang November 2019 richtet der neue Veranstalter Palexpo Genève die Arvinis im Rahmen der Automnales erstmals in Genf aus. «Wir gehören zu den Stammausstellern der Arvinis und haben schon alle Teilnahmeformen ausprobiert, als Mitaussteller, am Stand von Les Vins de Genève und mit einem eigenen Stand. Auch bei der ersten Messe im Palexpo haben wir unseren eigenen Stand», erklärt André Serex, der gemeinsam mit seinem Vater Louis den 15 Hektar grossen Familienbetrieb bewirtschaftet. Das Weingut nimmt an den meisten Aktionen des Amts zur Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse des Kantons Genf und an vielen anderen Messen teil. Auch in der Deutschschweiz und im Kanton Freiburg, «wo zwar nicht viel Wein angebaut wird, viele Leute aber gerne Wein trinken». Auf Les Vallières beschloss man sogar, sich ausschliesslich der Kundenwerbung ausserhalb der Kantonsgrenzen zu widmen und den Verkauf in Genf Vertretern zu überlassen. Für die Arvinis machen André und Louis Serex natürlich eine Ausnahme! «Schwierig einzuschätzen, was von dieser ersten Messe in Genf zu erwarten ist. Genaueres dazu können wir erst Mitte November sagen. Doch eins ist sicher: Der Erfolg hängt weitgehend von der Werbung ab und auch davon, an welche Zielgruppe sich die Messe im Palexpo richtet.»
Jura
La Devinière
«Da mein Deutsch eher mittelmässig ist, beschloss ich vor 25 Jahren, mich auf eine französischsprachige Region zu konzentrieren, in der kein Weinbau betrieben wird.» Heute stehen in Willy Cretegnys Terminkalender vier Veranstaltungen im Nordwesten der Schweiz: die Vinorama in Delémont, der Biomarkt in Saignelégier, die Foire du Jura in Delémont und die Moutier Expo. «Wir haben dort viele Stammkunden. In diesen ländlichen Gegenden kaufen die Leute ihren Wein auf der Gewerbeausstellung oder der alljährlichen Messe. Diese Kunden sind für uns sehr wichtig, da sie regelmässig bestellen. Einige kaufen seit 1994 jedes Jahr bei uns Wein», erklärt der Winzer aus Satigny, der seine Präsenz seit zwei Jahren noch verstärkt. «Mittlerweile machen wir monatliche Lieferungen. So können wir unsere Weine sogar gezielt für besondere Anlässe, etwa Geburtstage oder Hochzeiten, liefern und auch an Restaurants, unter denen wir immer mehr Abnehmer finden», freut sich der Winzer, der als einer der ersten auf biologischen Rebbau umgestellt hat. Für die Offenen Weinkeller holt Willy Cretegny seine Kunden jedes Jahr mit einem Bus aus dem Jura in das Genfer Weingebiet, «das dort kein klares Image hat».
Salon Suisse des Goûts et Terroirs
Domaine La Printanière
«Wir beteiligen uns seit mehreren Jahren am Genfer Stand auf der Messe Goûts et Terroirs», berichtet uns Céline Dugerdil. Durch die Teilnahme an Messen ausserhalb des Kantons könne La Printanière seinen Kundenstamm diversifizieren, was gerade für mittlere Weingüter enorm wichtig sei. Deshalb ist La Printanière auch auf der Vinorama in Delémont sowie auf dem Wyschiff vertreten. «Die Besucher von Goûts et Terroirs sind Weinliebhaber und Feinschmecker. Sie kommen auf die Messe, um Wein zu bestellen. Natürlich ist die Stimmung am Abend lockerer. Da feiert man schon mal ein bisschen. Auch das gehört zu einer Messe. In den letzten sechs Jahren konnten wir einen guten Zuwachs verzeichnen, auch wenn die Wachstumskurve heute etwas abflacht.» Auf die Frage, welches Image Genfer Wein bei den Besuchern des Salon Suisse des Goûts et Terroirs hat, antwortet die Winzerin aus Avully: «Genfer Wein ist in Bulle seit Langem präsent. Wir versuchen, vor allem Spezialitäten in den Vordergrund zu rücken, die es in anderen Regionen nicht gibt, wie etwa L’Esprit de Genève, unsere durch und durch Genfer Assemblage. Ferner konnten wir feststellen, dass die Kunden jenseits des Röstigrabens andere Erwartungen haben. In der Deutschschweiz bevorzugt man internationale Rebsorten wie Chardonnay und Sauvignon Blanc und auch Rotweine aus Barrique-Ausbau.»
Expovina Primavera
Domaine des Champs-Lingot
«Die Expovina Primavera findet in einem geschmackvoll renovierten Industriegebäude in Zürich statt. Ein sympathisches Ambiente, das viele, vor allem junge Besucher aus der Stadt anzieht. Das schlägt sich allerdings nicht unbedingt auf die Verkaufszahlen nieder, denn manche Besucher kommen nicht unbedingt in der Absicht, etwas zu bestellen, sondern nur, um ein Glas Wein zu trinken», so Claude‑Alain Chollet, der bereits seit zehn Jahren nach Zürich reist. «Mein Weingut befindet sich in Anières, am Ende des linken Seeufers. Wir können also gar nicht anders, als auf unsere Kunden im wahrsten Sinne des Wortes zuzugehen, sei es in der Romandie oder sogar in der Deutschschweiz», betont der Winzer, der im Jahr 2000 den fünf Hektar grossen Familienbetrieb übernommen hat. «Es ist schwierig, die Besucher von Weinmessen als Kunden zu binden. Wenn man bereits ein einziges Mal nicht an der Messe dabei ist, wenden sich diese Käufer schnell an andere Aussteller. In der Deutschschweiz kommt noch hinzu, dass die meisten Aussteller im Gegensatz zu Arvinis und Barkavins keine Winzer sind, sondern Händler und Importeure ausländischer Weine. Zugegeben, das erweist sich für die Winzer und Selbsteinkellerer aus der Schweiz manchmal auch als Vorteil, denn sie fallen regelrecht auf unter den zahllosen Weinen aus der ganzen Welt», führt der Winzer aus, bevor er uns mit seinem Motto «global denken, lokal trinken» verabschiedet.
Mémoire des Vins Suisses
Domaine Grand’Cour
Dem Mémoire des Vins Suisse sind 56 Winzer angeschlossen, die von Journalisten ausgewählt wurden. Ziel der «Schatzkammer des Schweizer Weins» ist es, das Alterungspotenzial der Schweizer Weine hervorzuheben. Zu dem exklusiven Club gehören auch drei Genfer Erzeuger: Marc Ramu vom Clos des Pins, Emilienne Hutin vom Domaine Les Hutins und Jean-Pierre Pellegrin, der bereits von Anfang an mit dabei war. «Das Mémoire wurde 2002 ins Leben gerufen, doch für mich begann alles bereits 1994. Der spätere Mitgründer des MDVS Stefan Keller suchte Westschweizer Weine, die die damaligen Standards übertrafen. Seine Wahl fiel auf den Petite Arvine von Marie-Thérèse Chappaz, Le Brez von Raymond Paccot und meinen Grand’Cour, damals eine Assemblage aus Cabernet Franc und Gamaret.» Die Schweizer Neuzüchtung wurde bald durch Cabernet Sauvignon und eine Spur Merlot ersetzt, doch der Genfer Winzer knüpfte enge Kontakte zu Zürcher Fachleuten. «Unsere ersten Expeditionen in die Deutschschweiz waren kein Spaziergang. Wenn die Deutschschweizer ‹Gamay› hörten, winkten sie gleich ab. Lange Zeit warben wir hauptsächlich mit Peissy oder Dardagny, zwei hübschen Dörfern am Genfersee, die mit einem y enden wie Féchy und Perroy. Heute ist das alles ganz anders. Genf hält viele Trümpfe in der Hand, vor allem wenn sich die Region auch an Projekten ausserhalb des Kantons beteiligt, die das Image aller Schweizer Weine verbessern.»
Berner Weinmesse
La Cave de Genève
La Cave de Genève ist die Visitenkarte des Genfer Weingebiets. Mehr als ein Drittel aller Weine des Kantons werden hier erzeugt. Es gibt kaum ein wichtiges Event, wo ihre Vorzeigemarken Baccarat, Trésor und Clémence fehlen. «In den vergangenen Jahren waren wir in Basel, Bulle, Sankt Gallen und Bern präsent. 2019 werden wir uns verstärkt auf die Berner Region fokussieren», erklärt Elisabeth Ottiger, die für die Messen in der Deutschschweiz verantwortlich ist. So nimmt La Cave de Genève dieses Jahr zum Beispiel an der Berner Weinmesse teil. «Wir verfügen in der Hauptstadt bereits über eine etablierte Kundschaft. Bern gehört zu den Deutschschweizer Regionen, in denen Genfer Weine besonders geschätzt werden. Das «Opage» betreibt hier ein sehr aktives Marketing.» (Vgl. Genfer Weinpassion auf Seite 36.) Auf die Frage nach dem Kundenprofil in der Deutschschweiz beschreibt Elisabeth Ottiger einen relativ ausgewogenen Mix aus «ziemlich bewanderten Weinclubmitgliedern und weniger versierten Interessenten, die fasziniert die Rebsortenvielfalt im Genfer Weingebiet und das ungeheure Innovationspotenzial der Genfer Winzer entdecken».
Wyschiff
Cave des Bossons
«Mein Vater, Eric Leyvraz, war immer auf dem Wyschiff in Basel – einer schwimmenden Weinmesse in mehreren Städten der Deutschschweiz, die ausschliesslich Schweizer Erzeugern vorbehalten ist. Als ich das Gut übernahm, beschloss ich, an den Wyschiffen der ‹internationalen› Städte teilzunehmen, also Zürich, Basel und Bern. Da ich nicht sonderlich gut Deutsch spreche, beschränke ich mich auf Städte, wo man entweder Französisch oder Englisch spricht», gesteht Laure Leyvraz lächelnd. «In Basel zum Beispiel gehören zu unseren besten Kunden viele amerikanische Expats, die bei Novartis arbeiten.» Insbesondere die schöne Atmosphäre auf diesen Schiffen gefällt der Winzerin aus Satigny. «Die Besucher sind extra gekommen und haben Eintritt gezahlt – sie haben ein wirkliches Interesse an Wein.» Sie schätzt auch den persönlichen Kontakt, denn auf dem Wyschiff kann sie sich Zeit nehmen und auf die Besonderheiten der Weine von Cave des Bossons eingehen. «2018 war ich zum ersten Mal auf dem Wyschiff in Zürich, wo ich vorher keinen einzigen Kunden hatte. Nach zwei Tagen verzeichnete ich schon zwölf Bestellungen, bemerkenswert auf unbekanntem Terrain.»