Wenn der Wein die Berge erobert

Wallis: Wein und Berge

Fotos: Regis Colombo

RESTAURANT COQUOZ

Wenn der Wein die Berge erobert

Obwohl Reben nie höher als 1050 Meter über dem Meeresspiegel zu finden sind, werden Weine in viel höheren Lagen getrunken, vor allem in den Ferienorten der Walliser Alpen. Unser Dossier über Weine in den Bergen beginnt mit einem Besuch bei Philippe und Alain Gex-Collet, den Eigentümern von Chez Coquoz, einem Restaurant, das seit über sechzig Jahren die Besucher des Gebiets Portes-du-Soleil begeistert.

Das Restaurant Coquoz ist je nach Jahreszeit mit dem Auto, zu Fuss, mit dem Fahrrad, mit Schneeschuhen oder auf Skiern erreichbar. Die meisten Menschen benutzen jedoch sowohl im Winter als auch im Sommer die Skilifte. «Das Restaurant wurde 1951 von meinem Schwiegervater erbaut. Damals gab es keine Strasse, sondern die Zufahrt erfolgte über eine kleine Seilbahn mit 18 Plätzen, die 1939 gebaut worden war», erklärt Philippe Gex-Collet.

Damals wurde der Bau dieses Bergrestaurants als verrückt angesehen. Aber Olga und René Coquoz kümmerte das Gespött nicht. Sie weihten ihr Restaurant mit 80 Sitzplätzen ein und liessen im darauf folgenden Jahr einen monumentalen Kamin bauen, wofür fast 3 Tonnen Gips und 18 Stunden ununterbrochene Arbeit erforderlich waren. Das Werk von Jean Casanova schmückt noch immer das Restaurant, das heute von Alain, dem Sohn von Philippe, und seiner Frau Maryse geführt wird. Im Laufe der Jahre wurde es durch einen Selbstbedienungsbereich, einen Spielplatz und eine grosse Terrasse erweitert. Erstklassige Küche hatte schon immer Priorität für die Familie. Das Haus bietet eine breite Palette an Speisen, darunter Schweinefleischspezialitäten, Fisch- oder Wildgerichte und arbeitet viel mit Pflanzen und anderen essbaren Schätzen aus den Alpen. «Im Winter bewältigen wir an manchen Wochenenden im Restaurant bis zu 400 Gedecke pro Tag», sagt Alain Gex-Collet. An diesen Grosskampftagen werden täglich mehr als 100 Flaschen getrunken. «Nur Walliser Wein», betont das Paar stolz. Die Karte wartet mit etwa 200 verschiedenen Weinen auf. Diese Weinbibel umfasst ganze Seiten nur mit Spezialitäten. So gibt es 25 Variationen der Petite Arvine, der Lieblingsrebsorte der Familie, 15 des Cornalin und etwa 20 des Heida und des Humagne Rouge, aber auch eine Auswahl an Raritäten – Himbertscha, Lafnetscha, Resi, Plantscher oder Durize – sowie Rebsorten von anderswo, die mit Erfolg im Wallis angepflanzt wurden, wie Nebbiolo, Petit Verdot, Chenin Blanc oder Tannat. «Wir haben auch eine Auswahl an offenen Weinen, 3 Weissweine und 3 Rotweine, die im Winter täglich wechselt», fügt Alain Gex-Collet hinzu. Abschliessend erinnert er daran, dass «in der Rhoneebene manche Champéry für ein kleines Dorf am Ende des Tals halten, aber in Wirklichkeit befinden wir uns gegenüber den Ferienorten Avoriaz, Chatel und Morzine und ihren Zehntausenden von Hotelbetten, von denen wir nur wenige Kilometer entfernt sind.»

Praktische Informationen
Restaurant Coquoz | Route de Planachaux 107 |
1874 Champéry | +41 24 479 12 55 | www.restaurant-coquoz.ch


PALP FESTIVAL

Aktuelle Musik – zeitlose Gaumengenüsse

Zeitgenössische Kulturprogramme mit lokalen Gaumengenüssen zu verbinden, das war das Ziel, das sich das Palp vor zehn Jahren steckte. Heute ist dieses Festival eines der wenigen, das nicht aufgrund von COVID-19 ausfallen musste. Wir trafen den Leiter, Sébastien Olesen, dessen Einsatz für die Förderung der Walliser Weine 2019 mit einem Etoile du Valais d’Honneur belohnt wurde.

Vor etwa 10 Jahren schufen Walliser, die ausserhalb des Kantons arbeiteten und gleichzeitig enge Verbindungen zu ihrer Herkunftsregion unterhielten, «eine multidisziplinäre Veranstaltung, die in mehreren Regionen des Kantons stattfindet, darunter auch in den Weinbaugebieten. Seit der ersten Ausgabe haben wir uns stets für die Förderung lokaler Produkte eingesetzt. Sehr schnell wollten wir die kleinen und die jungen selbstkelternden Winzer herausstellen und ihre Produkte an Orten anbieten, wo wir es nicht wirklich gewohnt sind, sie zu finden.» Wenn wir Sébastien Olesen bitten, einen dieser ungewöhnlichen Orte zu nennen, zögert er nicht: «Wir haben ein sehr erfolgreiches Event, die Electroclette, ins Leben gerufen. Wie der Name schon sagt, verbindet dieses elektronische Musik und Raclette. Zu diesem Anlass richten wir eine sehr grosse Bar in Fendant ein, um etwa 20 Produzenten herauszustellen.» Der Leiter des Palp Festivals freut sich, «dass es ihm gelungen ist, den Trend umzukehren. Liebhaber elektronischer Musik sind eher dafür bekannt, Wodka oder Red Bull zu trinken. Bei unseren Electroclette ist der Fendant nicht nur das meistverkaufte Getränk, sondern er ist auch zu einem Wahrzeichen der Veranstaltung geworden. Dadurch konnte der Wein einem viel jüngeren Publikum nahegebracht werden.» Obwohl das Festival eine Partnerschaft mit dem Weingut Jean-René Germanier eingegangen ist, hat dieses keine exklusiven Rechte, «was uns erlaubt,
andere Weine in den Veranstaltungen von Palp anzubieten,
indem wir die Winzer regelmässig wechseln.»

Diese Förderung lokaler Spezialitäten – derzeit werden bei allen Veranstaltungen nur regionale Produkte angeboten – hat Sébastien Olesen 2019 eine Auszeichnung des Branchenverbands Reben und Weine eingebracht. «Das Palp (Akronym für Place à la place, «Platz dem Platz») nahm seinen Anfang auf dem zentralen Platz von Martigny und erstreckt sich mittlerweile über den ganzen Kanton. Im Jahr 2019 begrüssten wir mehr als 30 000 Besucher bei Veranstaltungen von überschaubarer Grösse (im Durchschnitt 1000 Personen)», fährt Sébastien Olsen fort. Er bestätigt, dass 2020 sehr kompliziert war, aber «da wir ein sehr flexibles Modell haben, sind wir eines der wenigen Festivals, die ein Programmangebot beibehalten konnten. Die Grösse der Veranstaltungen wurde auf ein Maximum von 600 Personen, aufgeteilt in Gruppen von 300 Personen, reduziert, und bisher war dies ein grosser Erfolg, da alle unsere kostenpflichtigen Veranstaltungen bereits ausverkauft sind.»

Praktische Informationen
Palp Festival | www.palpfestival.ch


HOTEL BELLA TOLA

Romantik und Tradition

Seit 1859 empfängt das Hotel Bella Tola Gäste, die auf Entdeckung der schönen Bergdörfer des Val d’Anniviers gehen möchten. Anne-Françoise und Claude Buchs-Favre begrüssten uns in dieser historischen Einrichtung, in der Raffinement und typische Walliser Produkte eine perfekte Harmonie bilden.

1996 erwarben zwei Studenten, die sich an der Hotelfachschule von Lausanne ineinander verliebt hatten, das Hotel Bella Tola. «Die Geschichte des Bella Tola deckt sich mit der Geschichte des Tourismus im Wallis. Das Gebäude, in dem wir uns befinden, wurde 1883 erbaut. Bis 1859 gab es im Tal keine Hotels, durchreisende Touristen wohnten beim Pfarrer. Als das Pfarrhaus zu klein zu werden begann, eröffnete der Bergführer Pierre Pont das erste Hotel im Haus seiner Familie», erklärt Claude Buchs.

Die Einrichtung wurde so genannt, weil die Engländer hierher kamen, um den 3052 m hohen Berg Bella Tola oberhalb von Saint-Luc zu besteigen. «Es ist eine leichte Wanderung, man braucht keine bergsteigerischen Kenntnisse oder Ausrüstung und der Gipfel bietet eine aussergewöhnliche Aussicht auf die Alpen.» Während des 19. und eines Grossteils des 20. Jahrhunderts entwickelten sich das Hotel und das Dorf völlig getrennt. «Als wir das Haus übernahmen, trauten sich einige Leute aus dem Dorf einfach nicht hinein», erinnert sich unser Gesprächspartner mit einem Lächeln.

«Heute machen die Schweizer zwischen 50 Prozent und 60 Prozent unserer Gäste aus, und die Leute im Dorf haben keine Angst mehr, ins Restaurant zu kommen.» Im Tzambron, dem «Kaminrestaurant», bilden Käsegerichte und Röstis die Grundlage der Speisekarte, während der Küchenchef des mit 13 Gault & Millau-Punkten ausgezeichneten Chez Ida Fisch aus seiner bretonischen Heimat mit Fleisch von den Schweizer Bergweiden verbindet. «Für die Weinkarte haben wir uns von Anfang an dafür entschieden, nur mit Walliser Weinen zu arbeiten. Wir kennen fast jeden Produzenten von unserer Karte persönlich. » Auf der Karte stehen nicht nur die besten Cuvées aus dem Zentralwallis, sondern den Gästen wird auch die Vielfalt der regionalen Weine näher gebracht, indem - auf Französisch, Deutsch und Englisch - die spezifischen Merkmale jeder Rebsorte erklärt werden. Auf die Frage, wie die Schweizer oder internationalen Gäste auf eine ausschliesslich walliserische Karte reagieren, antwortet Claude Buchs: «In unserer Anfangszeit hatten wir Gäste, die überrascht waren, weder Bordeaux noch Champagner vorzufinden. Diese Art von etwas abfälligen Bemerkungen gibt es gar nicht mehr. Die Menschen sind zufrieden, kleine selbstkelternde Winzer und ihnen nicht bekannte Spezialitäten zu entdecken.»

Praktische Informationen
Grand Hotel Bella Tola & Saint-Luc | Familie Anne-Françoise und
Claude Buchs-Favre | Route principale 8 | 3961 Saint-Luc |
+41 27 475 14 44 | www.bellatola.ch


SCHWEIZERHOF

Der Palast des Dr. Rebe

Der Schweizerhof in Saas-Fee hebt sich durch zwei Dinge von den vielen Konkurrenten ab: ein 1000 Quadratmeter grosses Spa und ein weinliebender Chef. Medy Hischier mit dem Spitznamen Dr. Rebe ist ein Prophet des Bacchus. Er bringt seinen Kunden gerne die Schätze eines Weinkellers näher, der mit dem Besten aus dem Walliser Weinbaugebiet aufwartet.

Der über 100 Betten verfügende Schweizerhof feiert demnächst sein 30-jähriges Bestehen. «Unsere wichtigsten Trümpfe sind unser Wellnessbereich auf 3 Etagen, unser Restaurant und der Wein», erklärt Medy Hischier, der zusammen mit seiner Frau Benita dieses 4-Sterne-Superior-Hotel leitet. «Unser Hauptrestaurant, der Hofsaal, bietet Menüs mit 4 oder 6 Gängen an. Was das Lieblingsrestaurant betrifft, so ist es nur für besondere Anlässe wie Weinproben geöffnet», fährt der Mann fort, den die ganze Region Dr. Rebe nennt. «Seit 38 Jahren bin ich in der Welt des Weins zu Hause. Ich habe eine Ausbildung in Wädenswil gemacht und in jeder Phase meiner beruflichen Laufbahn hat mich eine starke Leidenschaft für Wein beflügelt. Ich verkoste zwischen 1200 und 1800 Weine pro Jahr.»

Medy Hischier beherrscht die Verkostung und Weinherstellung in höchster Vollendung und hat sich die Zeit genommen, für seine Gäste eine Weinkarte zusammenzustellen, die ihm entspricht: «Von den 500 verschiedenen Weinen, die wir im Keller haben, stammen etwa 350 aus dem Wallis. Der Rest kommt ausschliesslich aus Europa.» Beim Einschenken eines Glases Cabernet Blanc aus Sion, eine gegen Rebkrankheiten resistente Sorte, die vom Rebenzüchter Valentin Blattner aus dem Jura (Schweizer Kanton, nicht die französische Region) geschaffen wurde, erklärt unser Gastgeber, dass der Anteil der Weine aus dem Wallis noch zunehmen sollte. «Ich hatte auch versucht, typische Weine aus anderen Weinbaukantonen wie Graubünden, Genf und Tessin aufzunehmen. Ohne grossen Erfolg! Es sei auch darauf hingewiesen, dass ausländische Weine ebenfalls nur einen winzigen Anteil am Umsatz ausmachen. Mehr als 99 Prozent der im Schweizerhof konsumierten Weine stammen von den Hängen des Kantons.»

Unser Botschafter der Weine des Walliser Rhonetals zögert nicht, die Schafe, die ihm verirrt scheinen, auf den richtigen Weg zurückzubringen. «Wenn mich jemand nach einem leichten Gamay zu einem Hirschragout oder einem sehr tanninhaltigen Cabernet Sauvignon zum Fisch fragt, versuche ich, eine passendere Alternative anzubieten.» Und Dr. Rebe wendet die gleiche Strategie bei Cocktail und Spritzliebhabern an: «Wir betrachten den Schweizerhof als Botschafter für die Walliser Weine. Obwohl wir eine gut bestückte Bar haben, die sehr gute Cocktails anbietet, ermutigen wir unsere Gäste immer, einen einheimischen Weissen und wenn möglich einen Petite Arvine als Aperitif zu wählen. Und es funktioniert, denn die beiden mit Abstand beliebtesten Getränke im Schweizerhof sind Wein und Wasser.»

Praktische Infos
Schweizerhof Saas-Fee | Haltenstrasse 10 | 3906 Saas-Fee |
+41 27 958 75 75 | www.schweizerhof-saasfee.ch