Hier fängt der Süden an: Obwohl Südtirol die nördlichste Region Italiens ist, umrahmt von den Dolomiten, so ist das Lebensgefühl eindeutig mediterran. Mit seiner atemberaubenden Landschaft, seinem milden Klima, der feinen regionalen Küche und natürlich dem Wein ist die Region der ideale Urlaubsort für Geniesser.
Ob man sich den Zugang zum Wein in Südtirol erwandern, erradeln oder einfach bei einem Spaziergang erschliessen will, bleibt jedem selbst vorbehalten. Die Angebote für einen aktiven und genussvollen Urlaub am Rande der Dolomiten sind reichhaltig. Wer hier Urlaub macht, kann danach etwas erzählen – und dabei ins Schwärmen geraten.
Direkt zum Winzer fahren
Die Landschaft und ihre Besonderheiten, Winzer, Weine und Gastronomie lassen sich in Südtirol auf vielfältige Weise entdecken. Und weil grundsätzlich niemand über die Weine, die Arbeit dahinter, die Geschichten, kurzum die Weinkultur, besser Bescheid weiss als die Winzer selbst, sollte man den direkten Kontakt mit ihnen suchen. Für praktisch alle Winzerinnen und Winzer ist es selbstverständlich, Besucher zu empfangen. In den kleineren Betrieben wird das von den Familien selbst gemacht, in den Kellereien steht in teilweise atemberaubend gestalteten Räumlichkeiten geschultes Personal bereit.
Verkostungen und Führungen werden fast in allen Betrieben angeboten. Zu beachten ist dabei, dass, je kleiner der Betrieb ist, desto eher sollte man sich frühzeitig anmelden, um am Ende einen authentischen Blick hinter die Rom Kulissen werfen zu können. Ein Erlebnis, das man sich als Weinfreund keinesfalls entgehen lassen sollte.
Südtiroler Weinstrasse entdecken
Zwischen Tälern und Bergspitzen, inmitten von Weingärten, liegt die Südtiroler Weinstrasse im südlichen Teil Südtirols. Belebt von kleinen traditionellen Weingütern, freien Weinbauern und renommierten, modernen Kellereigenossenschaften beeindruckt dieses Gebiet mit einer aussergewöhnlichen Rebenlandschaft. Inspiriert vom mediterranen Flair, stellen die Winzer an der Südtiroler Weinstrasse für die Region charakteristische und dabei individuelle Weine her. Dazu trägt die traditionsbewusste Südtiroler Weinkultur, gekoppelt mit modernsten Kellertechniken, bei. Neben den regionaltypischen Rebsorten wie Vernatsch, Lagrein und Gewürztraminer finden hier auch internationale Sorten ihren Platz: von Weissburgunder über Chardonnay und Sauvignon Blanc bis Merlot.
Fast 3000 Jahre Weinbaugeschichte
Der Wein begleitet die Geschichte und Kultur der Menschen in Südtirol bereits seit fast 3000 Jahren und hat die Entwicklung des Landes entscheidend geprägt. Als die Römer in der Zeit um Christi Geburt in der Region eintrafen, fanden sie eine reichhaltige Weinkultur vor, die von den Ureinwohnern dieses Landstrichs, den Rätern, bereits lange eingeführt worden war. Die Besatzer wiederum entwickelten die Weinherstellung bedeutend weiter.
Um das Jahr 700 erwarben bayerische und schwäbische Klöster erste Weingüter in Südtirol. Die Mönche perfektionierten die Weinbehandlung und führten genauestens Buch darüber. Im Laufe des Mittelalters übernahmen über 40 Klöster aus dem bayerischen und schwäbischen Raum verschiedene Weingüter im Land und befruchteten den Weinbau während einer fast tausendjährigen Epoche.
Mitte des 19. Jahrhunderts war es der Habsburger Erzherzog Johann von Österreich, der dem Südtiroler Weinbau neue Impulse gab. Von ihm stammt unter anderem der Anstoss, Burgunder- und die Bordeauxsorten anzubauen. In dieser Zeit, konkret im Jahr 1872, wurde auch die landwirtschaftliche Lehr- und Versuchsanstalt in San Michele gegründet, die den Weinbau in Südtirol entscheidend prägte. Mit ihr wurden Beratung, Forschung und Ausbildung im Südtiroler Weinbau institutionalisiert und für praktisch alle Südtiroler Bauern verfügbar.
Genossenschaften: Das Rückgrat Südtirols
Rund 20 Jahre später wurde die erste Genossenschaft der Region gegründet, und zwar in Andrian. Es war der Start einer Kellerei-Kultur, die bis heute führend in der Welt ist. Wohl nirgends sonst gibt es heute eine so hohe Dichte an hochwertigen Genossenschaftsweinen wie in Südtirol. Kellereien wie die in Tramin, Terlan oder St. Michael Eppan gehören zu den renommiertesten Weinproduzenten Italiens.
Doch natürlich sind es auch und gerade die privat geführten Weingüter, die die Weinlandschaft in Südtirol prägen. Regelrechte Winzerikonen sind hier zu finden: angefangen bei dem allgegenwärtigen Alois Lageder, der als Erster in den 1980er Jahren mit dem Chardonnay Löwengang einen Südtiroler Weisswein auf die internationalen Märkte brachte. Oder Elena Walch, die als Architektin nach Südtirol kam und sich zur Grande Dame des Südtiroler Weins in der früheren Männerdomäne hocharbeitete. Und wer in Südtirol nach Weinen der wunderbaren Rebsorte Weissburgunder sucht, findet diese in zahlreichen Kellereien.
Anfang des 20. Jahrhunderts standen in Südtirol rund 10 000 Hektar – fast doppelt so viel wie heute – unter Reben, Südtiroler war spätestens jetzt ein Markenzeichen und wurde in praktisch allen grossen Städten Europas getrunken.
Weniger Vernatsch, mehr Vielfalt
Einen grossen Qualitätsschub erfuhr der Südtiroler Wein ab den 1990er Jahren. Damit ging einher, dass der bis dato vorherrschende Anbau der Regionalrebsorte schlechthin, des Vernatsch (in Württemberg auch als Trollinger bekannt), stark reduziert wurde. Dieser hatte seit den 1970er Jahren an Image verloren, weil er in so grosser Menge und einfacher Qualität produziert wurde. Dann dachten die Winzerinnen und Winzer dort um und reduzierten ihn dramatisch.
Im Jahr 2000 waren laut Zahlen von Istat, des italienischen Statistik-Instituts, in Südtirol noch fast 60 Prozent der Rebfläche mit Vernatsch besetzt. Zehn Jahre später waren es noch 18 Prozent, zuletzt gerade einmal acht Prozent.
Jetzt wird er in viel kleinerer Menge, dafür mit mehr Anspruch hergestellt. Beispielhaft dafür stehen engagierte Magdalener Winzer sowie eine junge Generation von Winzern auch vom Kalterersee, die mit der Veranstaltung Kalterersee Anteprima neue Akzente setzen wollen. Wichtiger geworden sind dafür die international beliebten Burgundersorten: Pinot 3 4 Grigio, Pinot Bianco, Chardonnay und Blauburgunder. Ungebrochen ist zum Beispiel auch der Erfolg für Gewürztraminer und Lagrein.
Spitzenwert bei DOC-Quote
Heute werden auf über 98 Prozent der Südtiroler Rebflächen DOC-Weine angebaut – das ist der grösste Wert in ganz Italien. Der italienische Appellationsschutz Denominazione di Origine Controllata (DOC) garantiert, dass die Winzer strenge Vorschriften einhalten, die von den Höchstertragsmengen im Weinberg über die zulässigen Rebsorten bis hin zur Qualität in der Flasche reichen. Die bestehenden Ursprungsbezeichnungen sind Südtirol/Alto Adige DOC und Kalterersee DOC.
Daran erkennt man: Südtirol ist innovativ und denkt vor – aber ohne dabei seine Ursprünge zu vergessen.
Ob Sterneschuppen oder Wanderhütte: Hauptsache, regional. Und das gilt nicht nur für den Wein: Die regionale Küche kann sehr fein sein. In den hiesigen Gourmet- und Sternerestaurants werden vornehmlich regionale Zutaten modern interpretiert, manchmal geht es dort auch sehr italienisch zu. Aber es gibt sie auch noch, die traditionellen Buschenschenken, in denen deftige Klassiker wie Knödel, Gerstensuppe und Schlachtplatte zum neuen Wein gereicht werden.
Oder auch immer wieder ein Genuss: die Hütten, auf denen man nach einer Wanderung ein rustikales Vesper geniesst, mit Tiroler Speck, Bergkäse, Schüttelbrot – und natürlich einem Glas Wein.