«Was für ein Jahrgang!»
Weinguide: Rote Begeisterung
Text: Harald Scholl, Verkostung: Harald Scholl und Nicole Harreisser, Fotos: gettyimages /Yamada Taro, VINUM, z.V.g.
«Was für ein Jahrgang!» liesse sich die Verkostung der Rotweine aus dem 2021 zusammenfassen. Die jetzt in den Handel kommenden Reserve-Qualitäten glänzen nahezu durchweg mit früher Trinkfreude und bestem Potential. Das gilt für Blaufränkisch, Zweigelt und Cuvées gleichermaßen. Kurzum: 2021 ist grossartig für alle Weinfreunde, die Wein in erster Linie trinken und nicht nur sammeln wollen.
Der Erntebericht des österreichischen Weinbauverbands zum Jahrgang 2021 liest sich durchaus beeindruckend. Es wird konstatiert, dass die Nächte bereits Mitte September recht kühl wurden, was für ein deutliches Gefälle zwischen Tages- und Nachttemperaturen bedeutete. Das sorge für Vitalität in den Rotweinen. Die Reberkrankungen Oidium, Peronospora und unerwünschte Botrytis-Nester hatten unter diesen Bedingungen keine Chance, und in einigen Gebieten sollen altgediente Weinbauern und Weinbäuerinnen versichert haben, noch nie zur Lesezeit so schönes, vollkommen gesundes Traubengut gesehen zu haben. Aus den wichtigsten Weinbauorten des Burgenlandes und der Steiermark hörte man zudem, dass die Hauptlese noch nie so rasch und in einem Zug abgeschlossen werden konnte. Beste Voraussetzungen also für grossartige Weine. Und dennoch schienen einige Experten nicht völlig überzeugt, frei nach dem Motto «Zu schön ist auch nix». Das hat sich nach der Verkostung von 150 Rotweinen aus den wichtigsten roten Rebsorten des Landes nicht halten lassen. Besonders auffällig war die durchgehend blitzsaubere Frucht der Weine, allesamt strahlten sie regelrecht aus dem Glas, zeigten sich zugänglich, offen und bereits heute in einem frühen Genussfenster. Ein Jahrgang, wie geschaffen für all jene Weinfreunde, die Weine nicht für die jahrzehntelange Reife im heimischen Keller kaufen, sondern bereits heute Spass am Wein haben möchten.
Trotzdem darf man die Langlebigkeit der Weine nicht unterschätzen. Gerade die Blaufränkisch und Cuvées zeigten interessante aromatische Tiefe und konturgenaue Struktur. Alles am rechten Platz, könnte man sagen, da störte kein Fehlton des Traubenmaterials. In einigen Weinen waren sicher noch die geschmacklichen Spuren des Ausbaus zu erkennen, vor allem der Einsatz von kleinen Holzfässern blitzte immer wieder einmal durch. Das sollte mit ein paar Monaten der Reife vorübergehen, nur weil die Weine schmecken, muss man sie jetzt noch nicht zwingend trinken. Die Schönheit der Rotweine aus 2021 resultiert auch aus der grossen Harmonie, die sie auszeichnet. Und was heute harmonisch und ausbalanciert ist, wird in der Zukunft nicht aus dem Leim gehen. Was sich allerdings mit Sicherheit sagen lässt: Wer Interesse an den besten Weinen hat, sollte sich beeilen. Österreichs Weine sind nicht nur im Heimatland gefragt, gerade die aussereuropäischen Märkte haben die Klasse der Weine aus Blaufränkisch, Zweigelt und Pinot Noir erkannt.