Reisen und Genuss • Dossier Österreich 2023

Wandern durchs Wein-Märchenland

Text: Eva Dülligen; Fotos: Burgenland Tourismus / stills&emotions, Neubauer

Das Burgenland ist so rot wie Schneewittchens Mund und so edelsüss wie ihre Küsse. Verspielte Leichtigkeit hingegen versprühen die Weiss- und Roséweine: Auf rund 11 800 Hektar bringen die besten Winzer hier vom Terroir geprägte Meisterwerke hervor. An 300 Sonnentagen, geprägt durch pannonisches Klima, kann man Burgen, Heurige und Weingüter ansteuern. Wir zeigen ein paar Wege auf.

Mittelburgenland

Blaufränkischland

Sagt Ihnen Sbulzina x Weißer Heunisch etwas? Nein? Blaufränkisch umso mehr? Dann willkommen im Mittelburgenland. Eins vorweg, bevor wir uns per Radl auf den 40 Kilometer langen B40 Rotweinweg machen: Alle Winzer hier nennen ihr Weinanbaugebiet «Blaufränkischland». Start- und Landepunkt der Rundtour ist Deutschkreutz, das in Spucknähe zur ungarischen Grenze liegt. Das prächtige Stadtschloss, 1625 von Graf Paul Nadasdy im Stil der italienischen Renaissance erbaut, ein Museum zu Ehren des österreichisch-ungarischen Komponisten Carl Goldmarkund das Weingut Gesellmann heissen unsere Adressen in der Marktgemeinde. «Des san Weine, die schnalzen», kommentiert Albert Gesellmann seine Verkostungsreihe. Aus der tritt der 2020er Blaufränkisch Creitzer besonders hervor. Weichselkirsche, Edelholzwürze und ein salzig- mineralischer Abgang kennzeichnen den Reserve-Wein. Gesellmanns Gewächse werden auf 50 Hektar seit 2015 biozertifiziert angebaut. Nächster Stopp ist Raiding, ein Weinort, der bis 1921 – wie das ganze Burgenland – zu Ungarn gehörte. Selbstredend lassen wir es uns nicht nehmen, den Bösendorfer Flügel eines der berühmtesten Klavier-Virtuosen der Welt im Blauen Salon des Geburtshauses von Franz Liszt zu streicheln. Doch das Mekka der regionalen Rebsorte wartet, also radeln wir durch die sonnige Hügellandschaft gen Horitschon und biegen ab in den Blaufränkisch Weg. Vorbei an 13 Infotafeln zum hiesigen Weinbau geht es 2,2 Kilometer durch die Lagen von Horitschon. Auf der Aussichtstreppe gönnen wir uns einen Blick über die Horitschoner Rieden. «Das Blaufränkisch» in Deutschkreutz beschliesst die Runde, wo wir uns zu in Buttermilch mariniertem Backhendl mit Erdäpfelsalat einen Zweigelt Reserve vom Weingut K+K Kirnbauer genehmigen.

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Rosalie

Rosé aus Rosalia

Das Baby unter den burgenländischen Weinbaugebieten ist 241 Hektar klein. 2018 feierte es Geburtstag, als es von der Grosslage in eine DAC-Herkunft befördert wurde. Geologische Ablagerungen eines Urmeers und pannonisches Klima bilden ein Terroir, das würzige Rotweine und finessenreiche Rosés entstehen lässt. Wir nehmen die abgespeckte Runde des Radwanderweges B32, rund 58 Kilometer von und zurück nach Bad Sauerbrunn unfern der ungarischen Grenze. Im Rosarium der Kurstadt geniessen wir ein duftendes Farbenbad mit 1300 Rosenstöcken aus mehr als 300 Sorten. Angefüllt mit den Eindrücken des gartenarchitektonischen Juwels fahren wir südlich über die Erdbeergemeinde Wiesen weiter durch den Naturpark Rosalia-Kogelberg mit dem Ziel Pöttelsdorf im Wulkatal. Gut, dass wir den Tipp, im «Stegschandl» eine Brotzeit zu nehmen, beherzigt haben: Im Innenhof der ehemaligen Scheune macht der Genuss eines «Wiaschtl-Burgers» Lust auf etwas kräftig Rotes. Also gibt’s zum Laugenweckerl mit Hausbratwürstel eine barriquegereifte Cuvée namens A Fescher Kampel. Die Begeisterung für die wiederbelebte Heurigentradition ist hier überall spürbar. Das erfahren wir auch im Genussheurigen unserer nächsten Adresse, dem Rosé-Betrieb Lassl in Sigleß, den wir durch die Sommerfrische der pannonischen Tiefebene anradeln. «Die kühlen Nächte an den Ausläufern der Alpen bringen saftige Frische in unsere Rosés», erklärt Herbert Lassl und reicht uns einen Spiess, auf dem süsse Erdbeeren und Rohschinken stecken. Der lachsfarbene Blaufränkisch aus der Ried Steinbüschel kontert mit leichtfüssiger Dichte. Gemeinsam mit Lassl und seinem 2020er Blaufränkisch besiegeln wir den Tag mit Blick bis zum Neusiedlers See aus dem Oktaeder, zweier auf die Spitze gestellter Pyramiden mitten in der Ried Himmelsleiter.

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Neusiedlersee

Zweigelt mit Seeblick

Wer ganz narrisch auf Zweigelt ist und sich gern Seeluft um die Nase wehen lässt, bekommt auf der 20 Kilometer langen Tour von Gols über Podersdorf am See nach Illmitz das Gesamtpaket. Ach ja, als flüssiges Schmankerl erhält man am Ziel noch einen weltberühmten Süsswein mit Herkunft. Das Weinbaugebiet östlich des Neusiedler Sees zählt mit rund 6000 Hektar zum grössten Gebiet mit Weinen einer geschützten Herkunft im Burgenland. Um den grössten Steppensee Mitteleuropas herrscht im Sommer heisses, trockenes Klima. Das lässt Wanderherzen bis zum Hals schlagen. Wer Anhänger vielschichtiger Rotweine mit Aromen von dunkler Beerenfrucht und Kräuternuancen ist, startet etwa im Golser Weingut Heinrich, deren rubinroter Zweigelt aus 2018 Waldbrombeere mit feiner Pfeffrigkeit verschmilzt. Das Winzerpaar Heike und Gernot erzeugt terroirgeprägteWeine nach biodynamischer Methode. Nach einem Abstecher ins hiesige Weinkulturhaus, dessen barocke Mauern eine Vinothek mit 400 Kellerschätzen birgt, wandern wirgen Podersdorf. In dem Seebad nimmt uns der zwölf Meterhohe Leuchtturm am Hafen – bekannt durch die TV-Serie «Der Winzerkönig» – in Empfang. Der Ort ist ein Juwel für Wassersportler. Auch für Naturfreaks, denn die Gemeinde liegt mitten im Naturpark Neusiedler See. Freunde der Brettljause müssen hier nicht lange suchen. Ein Tipp: Wir kehren bei Fabian Sloboda ein, der nebst seinem Heurigen, ein Weingut und eine Vinothek führt. «Unsere Weine sind sortentypische, experimentelle Weine wie der «Wellentänzer», den wir in einer eigens konstruierten Boje im See gelagert haben», sagt er und serviert Kraftlackl und Käferbohnensalat. Dann geht es über traumhafte Naturpfade zu den bekanntesten edelsüssen Weinen der Welt. Im Weinlaubenhof Kracher am Zielort Illmitz kommen wir in den Genuss, den Zweigelt als Trockenbeerenauslese zu verkosten:kandierte Orangenzesten, rauchiges Karamell – durchzogen von einem Limonenfaden. Mehr braucht es heute nicht.

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Leithaberg

Weinjuwelen aus Urgestein

Leithaberg zählt zu den ältesten Weinbauzonen weltweit. Funde von Traubenkernen in einem keltischen Hügelgrab lassen sich bis 800 v. Chr. zurückdatieren. Auf 2875 Hektar gedeihen heute Rebsorten von Chardonnay bis Blaufränkisch. Muschelkalk verleiht subtile Salznoten, Schiefer das nötige Rückgrat. Einer der bekanntesten Orte dieses sonnenverwöhnten Gebiets heisst Rust, wo Familie Triebaumer ihre weltberühmten edelsüssen Weine vinifiziert. Um einen Hauch Leithaberg einzuatmen, nehmen wir den 7,3 Kilometer langen Weinlehrpfad inmitten der Joiser Weinberge. An zehn Stationen erfährt man alles zur regionalen Weinbaugeschichte an den Hängen des Leithagebirges.

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Steirer Samma

Ganze 5086 Hektar teilen sich drei steirische DAC-Weinbaugebiete. Allen gemein sind herkunftstypische Gewächse aus hohen Lagen, eine enorme Dichte an Genussbetrieben und Landschaften zum Niederknien. Auf welchen Pfaden Sie das Mekka ostalpiner Terroirweine und Buschenschankkulinarik für sich erobern können, haben wir in den drei Gebieten eruiert.

Weststeiermark

Auf den Spuren des Schilchers

Nichts liegt näher am Wegesrand unserer 38 Kilometer langen Rundtour als der Schilcher. Auf ihren rund 640 Hektar nämlich dominiert in der Weststeiermark unangefochten der Blaue Wildbacher. Dennoch ist das Gebiet weniger rot als pink. Denn aus der Rotweinrebsorte wird überwiegend Rosé erzeugt: der berühmte Schilcher. Seine pointierten Fruchtaromen rangieren von der Himbeere bis zur Johannisbeere und werden von rassiger Säure umspannt. Zwar polarisieren das oft grasig-würzige Bouquet und das kernige Säuregerüst, aber mit dem Qualitätsschub der letzten Jahre zeigt die Schilcher-Erfolgskurve gen steirischem Winzerhimmel. Dieses Aushängeschild der an Slowenien grenzenden Region werden wir jedenfalls mehr als einmal verkosten. Von der Weinbaugemeinde Wies am südöstlichen Rand der Koralpe lenken wir unsere E-Bikes in Richtung Genusstour mit 14 kulinarischen Vorzeigebetrieben. Zu denen gelangt man durch spezielle Hinweisschilder. Freilich können wir nicht über ein Dutzend Feinschmecker-Adressen auf den Spuren der Genusstour «Radelikat» aufzeigen. Besonders haften geblieben ist das Kernöl-Fenster. Den Familienbetrieb mit Hofladen und eigenem Kürbisfeld umgibt eine Naturlandschaft, die wirkt, wie gemalt. Barbara Safran gibt uns eine kleine Einführung in die Produktion ihres Kürbiskernöls: «Wir vermarkten nur, was wir selbst geerntet haben.» Die Steierin vertraut nicht sonderlich auf Zertifikate, dafür die Laufkundschaft umso mehr auf die stabile Qualität ihrer kaltgepressten Öle. «Wissen S’, die Ölmühlen hier können zehn Prozent andere Öle beimischen, das muss net deklariert wern», sagt Frau Safran und reicht uns ein in Kürbiskernöl getränktes Stück Holzofenbrot. Zu Vogerlsalat mit dem Öl passe am besten ein Schilcher, verabschiedet uns die Kürbisbäuerin. Mit zwei tiefgrünen Flaschen im Gepäck sausen wir zur besten Schilcher-Stätte weit und breit. Luise Jöbstl, Grande Dame des Schilchers, hat eine Verkostung mit Käsebegleitung vorbereitet. «Wir waren die ersten vor 30 Joan, die einen weissen Schilcher vinifiziert hoam», verrät sie. «Die andern Winzer hoam uns nur b’lächelt.» Jetzt bleibt ihnen das Lachen wohl im Halse stecken, denn die weiss gekelterten Blauen Wildbacher aus Gneis-Schiefer- und Mergelböden gehen runter wie Butter.

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Südsteiermark

Das magische Dreieck

Im Osten durch die Mur begrenzt, im Süden durch die slowenische Grenze und im Westen durch die Weststeiermark: Die Südsteiermark, in Form eines spitzwinkligen Dreiecks, geht auf 2788 Hektar steil mit ihrem Sauvignon Blanc. Ein Viertel der Rebfläche ist mit dieser Weissweinrebsorte bestockt. Nachvollziehbar also, dass wir den 11,4 Kilometer langen Wanderweg Nr. 4 auf einem der bekanntesten Sauvignon-Blanc-Weingüter der Südsteiermark bei einem Glas desselben starten. «Von Gamlitz kommend führt die Route direkt an unserem Hof vorbei», so Willi Sattler, Winzer des 36 Hektar grossen Bio-Weinguts samt Haubenlokal und Geniesserhotel. Zur Stärkung für die rund dreieinhalbstündige Wanderrundroute entlang des Steinbachs verlegen wir uns auf Sattlers deftige Eigenkreationen im Wirtshaus: kross-saftiges Steinbuttfilet mit garteneigenem Gemuüe und hernach hausgemachte Terrine vom Vulkanland-Schwein. Den Wein dazu gibt’s glasweise, so dass wir nicht umhinkönnen, zitrusfruchtigen Morillon, wie hier der Chardonnay genannt wird, und seidigen Sauvignon Blanc aus der Ried Kapellenweingarten zu bestellen. Weiter geht’s südwestlich zum Sernauberg durch Wiesen, Wälder und Weingärten inmitten des Naturparks Südsteirisches Weinland. Infotafeln am Wegesrand erlauben Einblicke in die Tier- und Pflanzenarten am Sernauberg, seine Geologie und Spannendes rund um den hiesigen Wein. Die sanfte Topografie sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier Weine mit knackiger Frische entstehen. Auch das paradiesische Klima, das von Hochdruckgebieten des Adriatischen Meers profitiert, tut der Lebendigkeit der überwiegend weissen Sorten auf Muschelkalk, Mergel und Schiefer in bis zu 600 Metern Seehöhe keinen Abbruch. Dass der südsteirische Sauvignon Blanc mit denen aus dem Loire-Tal und Neuseeland mithält, davon kann sich der Genusswanderer im Weingut Jöbstl oder im Buschenschank «Adam Schererkogl» überzeugen.

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Vulkanland Steiermark

Tanz auf dem Vulkan

«Wenn’s es ali hobts, bleibts liaba dahoam.». Wir jedenfalls haben es nicht eilig. Und dass wir nicht daheim geblieben sind, hat sich schon angesichts der 19,7 Kilometer Rundwandertour mitten im Vulkanland Steiermark gelohnt. Muschelkalkböden verwöhnen hier Weissburgunder und Sauvignon Blanc. Mengenmässig steht Welschriesling an der Spitze, aber auch Freunde des Traminers und des Grauburgunders kommen hier auf ihre Kosten. Gleich das erste Weingut im idyllischen Wallfahrtsort Straden haut uns aus den Wanderlatschen. «Unsere Arbeit in kleinen Weingärten am Steilhang ist beschwerlich genug. Trockenheit, Frost und invasive Pflanzenarten setzen noch einen drauf», sagt Christoph Neumeister und giesst einen 2018er Grauburgunder aus der Ried Saziani ein. Zarter Blütenduft und gelbe Steinfrucht steigen in die Nase. Balance und würzige Frische streicheln den Gaumen. Auf 30 Hektar wird bei den Neumeisters vom Morillon bis zum Sauvignon Blanc biologisch angebaut. Wir haben etliche Topspots vor der Brust, also steuern wir durch ein sanftes Hügelmeer nordöstlich gen Aussichtswarte Frutten Gießelsdorf, wo es sich in 40 Metern Höhe wie heute bei Märchenwetter bis hinein nach Kroatien blicken lässt. Am Rosenbergl vorbei kehren wir hungrig im Genussgut Krispel auf Kalbsbries mit Morcheln ein, packen Krispels Verhackert und Hauswürstl vom Wollschwein in die Radltaschen und stiefeln weiter, um unsere Gaumen mit den Riedweinen des 30 Hektar Weinguts Frauwallner zu benetzen. Auch hier spielen vulkanische Verwitterungsböden den Weinen in die Karten: Blauer Burgunder von der Ried Bach mit rauchigen Aromen zieht einem die Schuhe aus. Doch wir müssen heim nach Straden, da wartet ein warmes Bett im Weingartenrefugium Rosenberg.

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