Grosse Weine zwischen Alpen und Karpaten

Rotweinregion Carnuntum

Text: Harald Scholl, Foto: ÖWM

Wenn eine Weinregion gerade einmal 906 Hektar Rebfläche vorzuweisen hat, scheint es auf den ersten Blick nicht ganz einfach zu sein, so etwas wie Profil zu gewinnen. Den Winzern in Carnuntum gelingt es mit Gemeinsinn und einem individuellen Weinstil dennoch - dank Böden, die ihren Reiz aus einer geologischen Einmaligkeit ziehen.

Eine gute halbe Stunde Autofahrt von Wien in Richtung Südosten, und schon ist man mittendrin: Es ist nur eine kleine Lücke zwischen den Alpen und den Karpaten, nicht viel mehr als 20 Kilometer liegen zwischen den letzten Ausläufern dieser beiden europäischen Gebirgszüge. Und genau in diesem flachen Stück Land, das sich nach Süden zum Neusiedler See öffnet, liegt das Weinbaugebiet Carnuntum. Diese einmalige Lage zwischen zwei Gebirgszügen plus Wasserspeicher bringt verständlicherweise aussergewöhnliche geologische und klimatische Gegebenheiten mit sich.

So bietet das Carnuntum mit seinen schweren Lehm- und Lössböden einerseits und sandig-schottrigen Lagen andererseits beste Bedingungen für den Anbau diverser Rebsorten. Vor allem Zweigelt und Blaufränkisch fühlen sich hier wohl. Und das pannonische Klima – mit heissen Sommern und kalten Wintern –, die nahe gelegene Donau und der die Temperaturen ausgleichende Neusiedler See sorgen dafür, dass die Trauben beider Rebsorten voll ausreifen. Eigentlich erstaunlich, dass das Potenzial relativ lange nahezu unentdeckt blieb. Die Region gehörte bis 1992 zum Anbaugebiet Donauland, erst mit der Gründung des eigenständigen Anbaugebietes Carnuntum begann der Aufstieg zu einer der führenden Rotweinregionen Österreichs.

Das natürliche Potenzial wusste vor allem die junge Winzergeneration zu nutzen und führte das Gebiet innerhalb kurzer Zeit in den Fokus von Rotweinliebhabern. Modern in der Stilistik, aber eigenständig und der Herkunft verpflichtet, wie die Eigeneinschätzung lautet. 2019 wurde Carnuntum schliesslich der DAC-Status verliehen. Seitdem dürfen nur noch herkunftstypische Weine den Namen des Weinbaugebiets auf dem Etikett tragen. Diese Form des Qualitätsversprechens hat sich in Österreich seit geraumer Zeit etabliert. Zusätzlich setzen die Winzerinnen und Winzer aus Carnuntum künftig auf eine Herkunftspyramide: Die drei Stufen Gebietswein, Ortswein und Riedenwein (= Lagenwein) sollen dem Weinfreund klare Orientierung bieten. 

Einigkeit und Zweigelt machen stark

Vor allem die roten Rebsorten bringen im Carnuntum die bemerkenswertesten Weine hervor, hier vor allem die Zweigelt-Traube. Sie wird auf rund einem Viertel der Rebfläche angebaut, so ausdrucksstark und gleichzeitig frisch wie im Carnuntum gelingt der Zweigelt im Rest von Österreich nur selten. Das hat auch damit zu tun, dass viele Winzer diese typisch österreichische Rebsorte viel zu lange nur als Teil von Cuvées eingesetzt haben. Die sandigschottrigen Böden um Göttlesbrunn bieten der Rebsorte das, was wirklich grosse Weine entstehen lässt. Die junge Generation war von Rebsorte und Weinen so überzeugt, dass sortenreiner Zweigelt unter der Bezeichnung «Rubin Carnuntum» die Vorzüge der Rebsorte aufzeigen sollte. Als die «Rubin Carnuntum»– Vereinigung 1992 gegründet wurde, zeitgleich mit der Etablierung des Anbaugebiets, hatte sie 25 Mitglieder, heute produzieren mehr als 40 Weingüter «Rubin»-Weine. Diese überschaubare Grösse machte es möglich, ein ziemlich anspruchsvolles Qualitätsniveau zu etablieren, regelmässige Verkostungen, Jour fixes und Qualitätskontrollen haben den Ruf der «Rubin Carnuntum» in relativ kurzer Zeit nach oben getrieben.

In der Jugend mit saftiger Frucht und eleganter Struktur schon hochattraktiv, sollte man ein besonderes Augenmerk auf die grossen Jahrgänge legen. Sie schaffen es in der Tat, mit den besten Rotweinen Europas in den Ring zu steigen. Wo immer sich ein Zweigelt Riedenwein aus den Jahrgängen 2015 oder 2017 findet, sollte der geneigte Weinfreund zuschlagen. Und natürlich auch aus dem hoch geschätzten Jahrgang 2019, er sollte sich relativ einfach beim Weinhändler des Vertrauens auftreiben lassen. Das Potenzial dieser Weine ist erstaunlich, bei mehreren Verkostungen vor Ort zeigten sich die besten Weine auch nach zehn oder mehr Jahren in bestechender Form. 


Rote Spitzen-«Carnuntum DAC»

Auf der Reise durch das Carnuntum gab es einige Verkostungen, von denen wir hier einen kleinen Auszug aus den Listen des Autors präsentieren möchten. Da es sich zum Teil um gereifte Weine handelt, sind viele Weingüter auf Anfrage bereit, auch Einzelflaschen aus den Schatzkammern zu holen.

 

Weingut Glatzer

Blaufränkisch Prellenkirchen 2017

17 Punkte | 2021 bis 2030

Ein sehr schlanker, feingliedriger Wein. Dezente florale Noten, rote Beeren, Cranberries, Brombeere. Auch am Gaumen feingliedrig strukturiert, straff, lebhaft, frische Säure. Im Mund wieder ein Hauch wilder, roter Beeren, darunter griffiges Tannin. Hat Zukunft.

12,50 Euro | www.weingutglatzer.at 

 

Weingut Payr

Blaufränkisch Ried Spitzerberg 1ÖTW Prellenkirchen 2017

17.5 Punkte | 2023 bis 2035

Noch verschlossen. In der Nase sehr dicht und dunkel, Heidelbeere, Tabak. Am Gaumen kraftvoll, dunkel, dann Kirsche, Waldboden, enorme Dichte. Famoser Tannindruck, lässt nicht nach, setzt zu. Ein Strukturmonster, das in wenigen Jahren überwältigen dürfte.

39,80 Euro | www.weingut-payr.at 

 

Weingut Philipp Grassl

Zweigelt Ried Schüttenberg 1ÖTW Göttlesbrunn 2018

17.5 Punkte | 2022 bis 2035

In der Nase mit kühler Zurückhaltung. Zwetschge, Kirsche, ein Hauch dunkler Tabak. Im Mund mit Frische, wieder Kirsche, dabei sehr straff und fokussiert. Bleibt stets saftig, feingliedrig, beinahe verspielt. Dabei kraftvoll, mit feinstem Tannin unterlegt. Eleganz, Kraft – und Zukunft!

24,60 Euro | www.grassl.wine 

 

Weingut Gerhard Markowitsch

Zweigelt Ried Kirchweingarten 1ÖTW Höflein 2018

17.5 Punkte | 2022 bis 2035

Offene, einladende Nase, dunkle Beerenfrucht, etwas Menthol, frische Gartenkräuter. Ähnlich zugänglich im Mund, saftige Beeren, wieder die frischen Kräuter. Dabei auf dem Punkt, verbleibt in der Mundmitte, erfrischender Säurezug. Ein grosszügiger Wein.

28 Euro | www.markowitsch.at 

 

Weingut Josef Pimpel

Blaufränkisch Ried Spitzerberg Prellenkirchen 2018

17.5 Punkte | 2022 bis 2035

Enorm dunkle, verschlossene Nase, dunkle Beerenfrucht, Criollo-Schokolade, tatsächlich maskulin. Im Mund überraschend schlank, unter der Frucht mineralisch, fast karg, fordert und reizt gleichermassen. Ein ruhiger, verschlossener Wein, der Aufmerksamkeit verlangt.

16,50 Euro | www.pimpel.com 

 

Weingut Taferner

Blaufränkisch Ried Bärnreiser 1ÖTW Höflein 2018

17 Punkte | 2022 bis 2030

Dunkle Nase, Brombeere, Herzkirsche, Nougat, auch Gewürze. Im Mund mit gewisser Wucht, wieder dunkle Beeren, auch Zimt, Nelke. Konzentriert, viel Saft, Extraktsüsse. Darunter weiches, üppiges Tannin, lässt den Wein viskos fliessen.

22 Euro | www.tafi.at 

 

Weingut Michaela Riedmüller

Blaufränkisch Ried Spitzerberg 2017

17.5 Punkte | 2022 bis 2035

Die typische Nase des Spitzerbergs: kühl, fast unterkühlt, feine Würze, elegante Beerenfrucht. Setzt sich im Mund fort: kühl, perfekt fokussiert, mineralisch ausbalanciert. Dabei enorme Tiefe und Länge. Tendenziell dichter am Burgund als am Burgenland.

26 Euro | www.michaelariedmueller.at 

 

Weingut Artner

Ried Aubühl 1ÖTW Höflein 2018

17 Punkte | 2022 bis 2035

Schon die Nase ist dunkelbeerig, Brombeere, Heidelbeere, auch dunkle Schokolade. Im Mund sehr dicht gewoben, wieder dunkle Frucht, auch eine Spur Holz. Die Tannine ungemein saftig, animierend. Noch hedonistisch überladen, mit der Zeit wird Eleganz folgen.

30,50 Euro | www.artner.co.at