Weinviertel
Alles, nur kein Problemviertel
Text: Harald Scholl, Fotos: z.V.g.
Das Weinviertel liegt je nach Ort zwischen 30 und 60 Fahrminuten nördlich der Donaumetropole Wien, also quasi ums Eck. Und trotzdem ist die grösste Anbauregion Österreichs immer noch ein wenig «Terra incognita» für die Hauptstädter. Ein Fehler, denn die Weine aus dem Viertel gehören zum Spannendsten, was das Weinland Österreich zu bieten hat.
Um eine Weinregion im Detail zu verstehen, bieten sich zwei Herangehensweisen an: die faktische und die emotionale. Da der emotionale Zugang der wesentlich unterhaltsamere ist, sollen die harten Fakten gleich zu Beginn abgehakt werden, damit ausreichend Raum für die emotionalen Momente und Begegnungen mit den Winzerinnen und Winzern des Weinviertels bleibt. Das Weinviertel ist die nördlichste und gleichzeitig grösste Anbauregion für Wein in Österreich. Es dominieren sandige Lössböden, teilweise Lehm und Urgestein.
Das Weinviertel ist die trockenste Region in Österreich, maximal 400 Millimeter Niederschlag pro Jahr sind absoluter Tiefstwert in der Donaurepublik. Der fällt auf eine Anbaufläche von 13 857 Hektar, die von rund 3800 Betrieben bewirtschaftet werden. Und mehr als die Hälfte davon ist mit Grünem Veltliner bestockt. Das Weinviertel ist «GV»-Land. Und mehr Fakten braucht es eigentlich auch nicht, um die Region zu verstehen. Viel wichtiger sind die Menschen und ihre Weine, sind die Gefühle, die beim Trinken der Weine entstehen und die das Tun der Weinviertler Winzer bestimmen. Das aktuell emotionalste Thema ist die Trockenheit der Region.
Das zeigt sich sofort, wenn man mit den Winzern ins Gespräch kommt. Praktisch jeder von ihnen fängt sofort nach der Begrüssung an, über das Thema «Boden» zu sprechen. Nicht Trauben, nicht Wein, nicht Märkte – nein, Mikroorganismen, Verbesserung des Bodenlebens, Begrünung, um Erosion zu verhindern, das sind die Themen, die allen Weinviertler Winzern besonders unter den Nägeln brennen.
Philipp Zull
Auch in Schrattenthal sind das Klima und der Boden erstes Thema, Philipp Zull ist seit 2002 auf dem gleichnamigen Weingut verantwortlich. Stück für Stück hat er den Betrieb nach seinen Vorstellungen geformt, ein Jahr lang hat Philipp sogar biodynamisch gearbeitet. Das hat den nachdenklichen Jungwinzer aber nicht wirklich überzeugt, weshalb er bis heute nicht zertifiziert ist.
«Der Veltliner hat’s nicht gern so windig.»
Er will sich die Freiheit nicht nehmen lassen, bei der Suche nach den für ihn sinnvollsten Arbeitsbedingungen. Trotzdem: Herbizide oder Pestizide hat er in seinen Weingärten noch nie benutzt. Und seine Weine? Der Weinviertel DAC Klassik gehört zu den kräftigen Vertretern dieser Gattung, geprägt von saftiger Birnenfrucht, mit der obligatorischen typischen Pfefferl-Note. Ein Ergebnis der alten Rebstöcke, seine Überzeugung: Je älter der Weinstock, desto würziger, pfeffriger wird es im Glas. Das ist deutlich zu schmecken im Grünen Veltliner DAC Reserve Ried Äussere Bergen, der tiefwürzig, fast salzig über die Zunge läuft und immer etwas Zeit auf der Flasche braucht.
Neben den klassischen Veltlinern ist der Chardonnay ein Steckenpferd, das Rebmaterial stammt aus massaler Selektion aus dem Burgund. Philipp hat ihn den biologischen Säureabbau machen lassen, um etwas mehr Cremigkeit am Gaumen zu erhalten. Dennoch ist er eher schlank, nicht üppig im Holz, ganz klar auf Flaschenlagerung ausgelegt. Neben den Weissen sind auch ein paar Rote im Programm, der Zweigelt ist der klassische Speisebegleiter, er hat auch mit Luft ein paar Kanten. Das muss er auch, soll er doch zur deftigen Küche passen. Ähnlich ist auch der Pinot Noir angelegt. Philipp will, dass seine Weine beides können, Trinkspass und intellektuelle Auseinandersetzung gleichzeitig vermitteln. Wer trinken will, hat Spass im Glas, wer denken will, genug zu tun.
Georg Toifl
Nur wenige Kilometer entfernt in Kleinhöflein sitzt der nächste nachdenkliche junge Mann. Georg Toifl wäre gar nicht dran gewesen, den elterlichen Betrieb zu übernehmen, der grössere Bruder sollte, wollte aber nicht so richtig. Er hat seinem kleinen Bruder das Feld überlassen und ist Steuerberater geworden. Hinter dem Anwesen zeigt der jetzige Chef eine Wiese, auf der er ein neues Betriebsgebäude entstehen lassen möchte.
«Lagenweine müssen lagerfähig sein.»
Und wer mit dem sehr fokussierten jungen Mann spricht, gewinnt die Überzeugung: Er wird! Beeindruckend sind vor allem die Lagenweine im Programm. Der Grüne Veltliner Ried Wolfsthal 2018 ist noch eine Fassprobe, er riecht nach dem Einschenken ein wenig nach Reduktion, ist spontan vergoren und wird unfiltriert gefüllt. Das ist ein echtes Maul voll Wein, hat viel Druck, zeigt engmaschige Struktur und viel Tiefe, mithin alle Merkmale eines ausdrucksstarken Weins mit Potenzial. Zu schmecken im derzeit im Verkauf befindlichen Jahrgang 2017: Wieder diese kantig-dominante Struktur, da werden keine Kompromisse gemacht. Rauchige Würze prägt den Wein, er ist kühl, karg und sehnig.
Ein gleichzeitig zeitgemässer, vom Stil her, wie auch zeitloser Wein, im Hinblick auf seine Zukunft – zum Weglegen schön. Dass die Lagen um den Ort Kleinhöflein das Potential für lagerfähige Weine haben, zeigt der 2010er Weissburgunder Ried Seeleiten. Der erste Jahrgang, den Georg Toifl selbst verantwortet hat, belegt immer noch, wohin er will. Der Wein wurde im neuen Holz ausgebaut, was kaum mehr zu spüren ist. Die Rebsorte ist praktisch nicht zu erkennen, da ist kein vordergründiger Charme, er ist kein Schmeichler, hat dafür ganz klare Linien, ist getragen von Säure, Salz, zupackendem Mundgefühl. Er wirkt immer noch sehr jung und schlank. Ein typischer Cool-Climate-Wein.
Hans Setzer
Holz ist auch Hans Setzer vom gleichnamigen Weingut im südlich gelegenen Hohenwarth ein Dorn im Auge. Denn gerade bei ihm ist das Reifepotential der Weine Programm. Aus seinen besten La gen gibt es in der Schatzkammer noch viel zu entdecken. Flaggschiff im Betrieb ist der Grüne Veltliner Ried Laa «8000». Ein Hektar, 8000 Rebstöcke. «Wie in Burgund…», sagt Setzer nicht ohne Stolz. Die Pflanzung musste er vor über 20 Jahren gegen den Vater durchsetzen, heute sind beide froh über den Weinberg.
Die hohe Pflanzdichte zwingt die Wurzeln der Reben in die Tiefe. Das sorgt nicht nur für mehr Mineralität im Wein – es hilft auch bei Trockenheit. In der Tiefe findet sich immer noch ein wenig Feuchtigkeit. Die Ried Laa sieht auch in Hitzejahren wie 2018 immer gesund und vital aus. Die Pflanzdichte, zusammen mit extrem viel Kalk im Boden, ergibt beim «8000» einen Weisswein von Format. Und ebenso wichtig: kein Holz! Niemals. Denn Holz gibt immer Aroma ab, beeinflusst den Wein. Deshalb werden die Spitzenweine alle im Stahl ausgebaut. Hans Setzer will einfach, dass die Böden im Glas auftauchen. Auch deshalb vergären die Weine spontan und machen keine malolaktische Gärung. Die Säure soll im Wein bleiben. Das Ergebnis dieser Massnahmen: Bei den jüngeren Jahrgängen wie 2017 oder 2016 zeigt sich im Mund: «Salz trifft Honig».
«Kein Holz! Niemals. Denn Holz gibt immer Aroma ab, beeinflusst den Wein.»
Das ist beinahe mächtig, hat sehr viel Druck und noch mehr Länge. Der Wein schafft die Verbindung von Fülle am Gaumen und schlanker Struktur. Das ist eigentlich ein Widerspruch, den der «8000» aber locker hinbekommt. Es ist wirklich ein Ausnahme-Veltliner. Das belegen auch die älteren Jahrgänge wie 2010: Auch in diesem Teil des Weinviertels war es ein schwieriges Jahr, das macht dem Wein aber nichts aus – der Weinberg hilft sich selbst. In der Nase saubere Reife, Honig, der aber schnell verfliegt.
Der Wein muss dekantiert werden, er verändert sich massiv mit Luft. Da ist sehr vitale Frische, es wird mit jeder Minute lebendiger im Mund, der Wein krabbelt wie ein Käfer über die Zunge, bleibt mineralisch-würzig trotz der Cremigkeit am Gaumen. Darunter liegt immer diese feine Säureader, die den Wein unerhört lebendig wirken lässt und dafür sorgt, dass er mit grossen Schlucken getrunken wird. Was für ein Vergnügen!
Monika und Helmut Taubenschuss
Eine feste Adresse für erstklassige Weine ist das Weingut Taubenschuss in Poysdorf. Eines der grösseren und bekannteren der Region, vor allem in Österreich, wohin rund 85 Prozent der Weine verkauft werden. Aussenstehende sollten sich also selbst dort hinbemühen. Das lohnt sich für mehr als nur für den Wein – das Weingut ist ein kleines Kunstwerk, mit viel sehenswerter Kunst im Hof und in den Gebäuden.
Das grosse Gemälde der Hauptdarsteller der legendären «Kottan ermittelt»-Kriminalklamotte ist den Besuch allein schon wert. Aber im Mittelpunkt stehen die Weine. Das Sortenspektrum ist ziemlich gross, auch das eine Folge der Direktbelieferung der Kunden. So findet sich ein interessanter Sauvignon Blanc im Programm. Die Rebsorte ist eigentlich in der Steiermark anzutreffen, aber überzeugt auch hier im Weinviertel mit satter Frucht, ist wirklich reif, da ist nichts Vegetatives oder Grünes, wenn, dann eher reife Paprika.
Der Wein liegt lange auf der Vollhefe, das bringt Cremigkeit am Gaumen. Ein idealer Partner bei Tisch, ein Merkmal der Weine aus dem Hause Taubenschuss. Besonders stolz ist Helmut Taubenschuss auf den Grünen Veltliner aus der Ried Tenn, DAC Reserve. Auch hier hat der Wein viel Zeit auf der Hefe gelegen, das sorgt für das cremige Gefühl am Gaumen.
Dabei ist der Wein kühl im Charakter, da ist viel Mineralität im Mund, Pfeffer und auch eine Spur Salz. Ein hervorragendes Beispiel für die Komplexität, die Grüner Veltliner haben kann. Natürlich braucht auch er Zeit, um sich zu entwickeln. Was dann aus dem Wein werden kann, zeigt der Weissburgunder Selection 2013. Üppig, dicht, mit enormem Extrakt, dabei trocken mit weniger als drei Gramm Restzucker. Da finden sich im Geschmack Persipan, Mandel und eine Spur neues Holz. Wieder ist da diese fulminante Struktur am Gaumen und wieder ist da keine Spur von Eile geboten. Er hat die Zukunft noch vor sich – und ist damit ein Wein, so typisch wie das Viertel, aus dem er kommt.
Johannes Hofbauer-Schmidt
Wenn man schon in Hohenwarth ist, kann man auch gleich die Strasse hinauf bei Johannes Hofbauer-Schmidt hereinschauen. Er ist in der achten Generation als Weinbauer auf dem Hof der Familie tätig, auf rund 15 Hektar eigener Rebfläche. Wie nahezu überall im Weinviertel hatte man früher gemischte Landwirtschaft, mit Ackerbau und diversen Nutztieren. Heute ist man komplett auf Weinbau spezialisiert.
Und da auf eine kleine Besonderheit namens Roter Veltliner. 40 Hektar dieser Rebsorte stehen rund um den Ort, in Gesamtösterreich sind es nicht einmal mehr 200. Dabei hat diese Rebsorte eine lange Tradition. So soll Kaiser Franz Joseph den Wein aus dieser Rebsorte, ganz besonders zu seinem Tafelspitz, geschätzt haben. In der Jugend ist Roter Veltliner relativ würzig, mit Reife kommen mandelartige Noten dazu. Aber die Rebe ist anspruchsvoll, Johannes Hofbauer-Schmidt sieht die kalkhaltigen Böden um Hohenwarth als idealen Standort für die launische Rebsorte.
Sein Wein hat eine markante Säurestruktur, im Duft zarte Blumennoten und eine eindrucksvolle Länge. Dass der Wein überaus gut reifen kann, zeigen die älteren Jahrgänge. Aufmerksamkeit verdient auch in jedem Jahrgang der Grüne Veltliner Reserve DAC. Mit kraftvollem Druck am Gaumen, einer dichten Textur und dem mineralisch-würzigen Korsett mit definitiv eigenständigem Charakter. Sehr ausbalanciert, nie laut, aber immer nachdrücklich. Ein Wein für den privaten Schatzkeller, von einem jungen Winzer mit Zukunft.
Georg Hugl und Christina Hugl
«Zukunft» – das ist auch ein Stichwort für den letzten Betrieb der Reise. Ein weiterer landwirtschaftlicher Mischbetrieb, der sich auf den Weg gemacht hat. Georg Hugl hatte ihn 1979 von seinem Vater übernommen. Zusammen mit seiner Frau Barbara, die aus der Schweiz nach Österreich kam, wurde der Betrieb umgebaut: Weg mit der Feldwirtschaft, rein in die Weinproduktion.
«Nach dem Motto ‹ganz oder gar nicht› haben wir gleich aus dem besten Stillwein Schaumwein gemacht.»
Und nicht irgendein Wein, die beiden versuchten sich gleich am Schaumwein. Ihre ersten hundert Flaschen wurden aus ihrem besten Stillwein gemacht – nach dem Motto «ganz oder gar nicht». Es hat auf Anhieb funktioniert, wahrscheinlich auch weil die kalkhaltigen Böden rund um ihren Heimatort Stützenhofen perfekt für die Herstellung von Sektgrundweinen sind. Damit war die Weinviertler Sektmanufaktur geboren. 40 Jahre später gehören die Sekte der Hugls zum Establishment des österreichischen Weins, die Palette umfasst alles, was Sekt sein kann.
Frische junge Sekte aus diversen Rebsorten, aber vor allem auch gereifte Jahrgänge. Die Vintage sekte aus älteren Jahrgängen bis zurück ins Jahr 1984 sind noch erhältlich, die Classic-Brut-Reihe gibt aus den Jahrgängen 2011 oder 2008. Dafür, dass diese Serie nicht abreisst, sorgt Tochter Christina, die über die Gastronomie und einen Aufenthalt in den Niederlanden zum Wein gefunden hat.
Nach einer kurzen Station auf dem elterlichen Weingut ist die ehemalige Weinkönigin mit ihren eigenen Sekten erfolgreich auf dem Markt. Vor allem mit ihren Pet Nats sorgt Christina für Aufsehen, gerade bei jungen Weintrinkern ist dieser «Ur-Sekt» gerade sehr angesagt. In Berlin oder Wien finden sich die beiden fröhlichen Sprudler der umtriebigen Jungwinzerin auf vielen Weinkarten, kaum eine Messe oder Präsentation, auf der man Christina nicht antrifft. Und da sage noch einer, das Weinviertel sei ein wenig verschlafen. Ausgeschlafen trifft es wohl eher.
Christoph Bauer
Noch ein paar Worte zu den Rotweinen: Sie geraten im Grüner-Veltliner-Land gerne ins Hintertreffen – völlig zu Unrecht. Denn das kühle Klima lässt gerade bei ihnen lang vermisste Qualitäten entstehen. Kühle, geradlinige Weine, ohne laute Fruchtdominanz, Weine zum Entdecken, zum Philosophieren. Vielleicht war das auch ein Beweggrund, die Winzerverbindung «Nordwein» zu gründen. Hebenstreit ist dort ebenso Mitglied wie sein Kollege Christoph Bauer aus Jetzelsdorf. Der schon länger kein Geheimtipp mehr unter Rotweinfreunden ist.
2008 hat er den Betrieb vom Vater übernommen, seit 2015 arbeitet er biologisch zertifiziert. Mit dem, was seine 20 Hektar an Trauben erbringen, spielt der Mann mit dem ansteckenden Lachen gerne ein wenig. Da tauchen viele Selektionen und Ausbauarten auf, mal mit, mal ohne Schwefel, mal mit, mal ohne Maischegärung, mal auf der offiziellen Weinkarte, mal nur in Kleinstmengen und auf Anfrage. Wein mit Entdeckungspotential. Das gilt weniger für den Zweigelt Privat, der auch international zu den gefragten Vertretern der Rebsorte gehört. Mindestens so spannend aber das Gegenstück am anderen Ende der Qualitätsskala, der Blaue Portugieser. Eine Rebsorte, die zu Unrecht (fast) in Vergessenheit geraten ist, in klimatisch fordernden Jahren wie 2018 aber ihre Stärken ausspielen kann: trinkbare, leichte Rotweine mit Struktur und keine rot-marmeladigen Monster.
Da ist das kühle Klima des Nordens ein echter Vorteil. Wenn es halt nur ein wenig mehr regnen würde. Andererseits: Solange sein Grüner Veltliner privat wie im Jahrgang 2016 derart faszinierend gerät, was soll da schon passieren? Aktuell ist der Wein voll mit Aromen, mit Quitte und kandierter Orangenschale, zeigt feine Würze auf cremiger Textur und einen nahezu ewig langen Nachhall. Es zeigt sich einfach immer wieder: Das Reifepotenzial der Weinviertel-Weine ist sträflich unterschätzt.
Georg Weinwurm
Dass vor allem junge Weine gefragt sind und das Reifepotenzial nur wenige Weinfreunde innerhalb Österreichs interessiert, spürt man auch am anderen Ende des Weinviertels, im äussersten Osten, an der Grenze zur Slowakei. Hier bearbeitet Familie Weinwurm 30 Hektar Weinberge. Die Kundschaft kommt zu 60 Prozent aus Österreich – und verlangt vor allem die jungen Weine. Das macht Winzermeister Georg Weinwurm nicht immer wirklich glücklich, denn das Potenzial seiner Weine kann sich so nicht zeigen.
Bestes Beispiel dafür: der Glücksmoment, ein Zweigelt, der als Grüner Veltliner seine Karriere begann. Grossvater Anton Weinwurm war nämlich davon überzeugt, genau den zu pflanzen, als er in den 50er Jahren zum Spaten griff – der Irrtum als Ausgangspunkt einer Erfolgsgeschichte. Denn die roten Sorten haben das Weingut bekannt gemacht. Auch deshalb wohl der eigenwillige Name des Zweigelt. Um Irrtümer geht es heute natürlich nicht mehr, eher um Herausforderungen. Wie im Jahr 2018, es war heiss wie noch nie, vor allem um die Säure musste Georg Weinwurm regelrecht kämpfen. Das hat sich gelohnt, der Grüne Veltliner DAC 2018 ist ein saftiger Typ geworden, mit viel Druck am Gaumen.
Nach der Handlese Ende September wurde die Maische fünf Stunden stehen gelassen und sanft pneumatisch gepresst, spontan im Stahltank vergoren bei 17 bis 18 Grad Celsius. Herausgekommen ist ein Wein in funkelndem Strohgelb mit zarten Grünreflexen, mit einer feinen Frucht, erinnernd an Stachelbeere, Birne. Die Mineralik des Bodens schwingt immer mit, er ist frisch und elegant. Ein Wein mit Zukunft, wenn man ihn lässt. Und damit ein Wein, so typisch wie das Viertel, aus dem er kommt.
Manfred Hebenstreit
Im äussersten Nordwesten des Weinviertels herrschen bisweilen raue Bedingungen. Es geht ein kühler Wind, der aus dem Waldviertel herüberkommt, im Sommer wird es heiss, Regen ist auch ein seltener Gast. Kein idealer Rahmen für den Weinbau, andererseits soll die Rebe ja leiden, um wirklich grossen Wein zu produzieren. Kann sie haben, denkt sich Manfred Hebenstreit aus Kleinriedenthal.
Seine Weine wachsen auf 20 Feldstücken, wie die Parzellen genannt werden. Es hat keine Flurbereinigung gegeben hier am Schatzberg, die einzelnen Anbauflächen sind klein und verstreut, trotzen aber mit kleinen Hecken dem Wind. Hier bekommt man ein wenig den Eindruck vom Weinberg im sonst relativ flachen Weinviertel. Vielleicht zieren auch deshalb die Geländeprofi le die Etiketten des Weinguts. 18 Hektar bewirtschaftet Hebenstreit, elf davon sind mit Grünem Veltliner bestockt – der Ried Fuchsenberg ist ein erstes Highlight in der Kollektion. Perfekt als Begleiter zum Essen, weil weder dominant, noch beliebig. Im Mund zart salzig, hat er eine würzige Basis, die am Gaumen haften bleibt. Das zeigt sich beim 2017, erst recht beim Jahrgang 2013. Blitzsauber die Reife, da stört keinerlei Petrol das Aroma.
Man denkt an Blütenhonig, alten Apfel, alles getragen von vitaler Säure. Gibt wenig Wein, der für unter zehn Euro ab Weingut so viel Potential hat. Die Steigerung ist der Grüne Veltliner DAC Reserve Ried Schatzberg 2017. Er zeigt, was mit alten Reben und geringem Ertrag möglich ist. Von der Struktur ist das dichter an einem Rotwein wie etwa Pinot Noir als an einem Weisswein. Das hat mineralische Tiefe, viel Würze, ein dichtes Korsett, das die Spannung im Mund hält. Und das kann wunderbar reifen, vor allem wenn man sich den 2010er vor Augen hält. Ein schwieriges Jahr im Weinviertel, aber der Wein zeigt Reife ohne jede Firne, wieder diese Struktur, die ganz deutlich an Pinot Noir erinnert. Vielleicht liegt es daran, dass der Geheimtipp im Hause Hebenstreit tatsächlich der Pinot Noir ist. Feingliedrig, leise, zarte Frucht, etwas Unterholz. Einfach zu trinken und hat doch Tiefe, die es mit jedem Schluck neu zu entdecken gilt. Der 2007er ist aktuell ein kleines Wunder aus dem Norden.