Kochen und Essen zu Weinen aus dem Ahrtal
Das Ahrtal: Sauerbraten, Reibekuchen...und so viel mehr!
Text: Ursula Heinzelmann; Foto: StockFood / Klaus Arras, gettyimages / MichaelMajor / Julio Ricco / Mariha-kitchen / Maria Kochetova
Wildromantische Flusslandschaft, zerklüftete Felsformationen, atemberaubend steile Rebterrassen mit sattgrünen Wäldern und Kräuterwiesen – so wird ganz zu Recht das Ahrtal beschrieben, wo seit langem der Spagat zwischen Tagestourismus und Weinqualität zu bestaunen ist.
Wie in anderen Weinregionen, die von steilen, über Flussufern aufsteigenden Hängen geprägt sind – grosse Teile der Mosel, dem Rhein oder Neckar, um in Deutschland zu bleiben –, gab es lange Zeit an der Ahr einfach keine Alternativen zum Wein. Trockenmauern aufzuschichten, Reben zu pflanzen, zu pflegen, die Trauben zu lesen und die schwindelerregend steilen Hänge hinauf und hinab zu schleppen, war elende Plackerei, rang aber diesen Flächen zumindest etwas ab, das sich konsumieren und mit dem sich handeln liess.
«Beim Spätburgunder geht es um die Quadratur des Kreises: viel Frucht, aber kein Kitsch, viel Säure, aber nicht sauer – wir wollen möglichst viel Weinberg zeigen.»
Benedikt Baltes, Weingut Bertram-Baltes, Dernau
Vor 50 Jahren orientierte man sich dabei an anspruchslosen Touristen, doch inzwischen herrscht Qualitätsbewusstsein: Die Winzerschaft, die sich heute in den Steilhängen abplagt und sich mit steigenden Temperaturen und immer unregelmässigeren Niederschlägen konfrontiert sieht, hat längst begriffen, dass süssliche Weinchen keinerlei Zukunft haben – trotz allem rheinischen Hang zum Optimistisch-Fatalistischen, wo es selbst nach der Flutkatastrophe heisst: «Et hätt noch emmer joot jejange.» («Es ist bisher noch immer gut gegangen.»).
Ob Kelten, Römer und Franken auch so dachten, ist nicht belegt, hingegen aber historisch nachzuweisen ist, dass Erstere bereits weit vor unserer Zeitrechnung an der Ahr siedelten, Zweitere dort (wahrscheinlich vom Mittelmeer importierten) Wein konsumierten, während Letztere ihn vor Ort produzierten. Eine Reihe von Klöstern, aber auch adelige Grundherren besassen in diesem eher unzugänglichen Nebental des Rheins Weinberge als Einkunftsquelle; der Kölner Kurfürst trank Ahrweiler Wein. Dann brachte der Dreissigjährige Krieg Einquartierungen, Plünderungen, Zerstörung und Totschlag mit sich, und Napoleon löste nicht nur die Besitztümer der Kirche auf, sondern liess links des Rheins auch die französische Flagge hissen, so dass der Ahrwein plötzlich in direkter Konkurrenz zu den Weinen Frankreichs stand. «Et bliev nix wie et wor» («Es bleibt nichts, wie es war»): Nach dem Wiener Kongress gehörte die Ahr wiederum zu Preussen, einem guten Absatzmarkt mit Exportchancen – bis Preussen dem deutschen Zollverein beitrat.
«Et kütt wie et kütt» («Es kommt, wie es kommt»), wird so mancher Weinbauer damals geseufzt und sich weiter in den Steilhängen abgemüht haben: Entweder die Keller waren voll, und es mangelte an Abnehmern, oder der Absatzmarkt war gut, aber die Natur weigerte sich zu kooperieren. Mitte des 19. Jahrhunderts waren viele im Ahrtal trotz aller Plackerei so arm, dass manchen die Auswanderung nach Amerika der einzige Ausweg zu sein schien. Andere waren optimistischer und gründeten 1868 in Mayschoss die erste eingetragene Winzergenossenschaft der Welt, der bald weitere folgten. Eine «Versuchsanstalt für Weinbau, Gartenbau und Landschaft» und die staatliche Weinbaudomäne sorgten für Knowhow, der Fremdenverkehr wurde durch Hotels und Kurbäder angekurbelt. Doch mit den Touristen war und ist es wie mit dem Wein: Es sind immer zu wenig oder zu viele… «Wat wellste maache?» («Was willst Du machen?»)
Die unvorstellbare Katastrophe
In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 stieg der Pegel der Ahr innerhalb weniger Stunden durch anhaltende, extrem starke Regenfälle in nie gesehenem Ausmass. Wasser- und Stromversorgung brachen zusammen, Brücken und Häuser wurden von den Fluten mitgerissen, viele konnten sich wie in Endzeitfilmen nur noch in Baumgipfel retten, mussten tagelang und teils vergeblich nach Angehörigen suchen. Der Wiederaufbau dauert an, erstaunlicherweise gibt es trotzdem (guten!) Weinaus diesem Jahrgang, was nicht zuletzt auch solidarischen Hilfsaktionen seitens der Winzer anderer Regionen zu verdanken ist.
Klassische Mariage: Rheinischer Sauerbraten
Im Rheinischen Sauerbraten hat sich die mittelalterliche Vorliebe für süsse, fruchtige Komponenten in herzhaften Gerichten erhalten; Rosinen, Rübensirup und Apfelkraut ergänzen die Essig- und Weinsäure der Beize.
Das harmoniert besonders gut mit Weinen der Sorte Frühburgunder, deren Trauben typischerweise bereits im August gelesen werden müssen und im Glas etwas weicher und üppiger wirken als der Spätburgunder. Deutlich belebender und auffälliger gesellt sich hingegen trockener Riesling zum Sauerbraten, dessen von den Schieferböden geprägte Säure mit der Essigbeize tanzt. Vollends ungewöhnlich dann eine fruchtsüsse Riesling-Auslese: Sie werden überrascht sein.
Frühburgunder begleitet den Sauerbraten unaufgeregt, eher weich und üppig
Trockener Riesling tanzt belebend mit schiefergeprägter Säure zur Essigbeize
Fruchtige Riesling-Auslese gliedert sich überraschend gut ein und sorgt für Schwung
Neue Mariage: Auberginen-Parmigiana
Einer der grossen italienischen Sommer-Klassiker, für den in Olivenöl gebratene Auberginenscheiben mit Tomaten, Mozzarella und Kräutern eingeschichtet und mit Parmesan überbacken werden.
Unbeschwert im Glas dazu einer der vielen trockenen Rosé-Weine der Ahr, bei denen sich zum Spätburgunder häufig Portugieser, Regent, Dornfelder oder Domina gesellen. Weissburgunder wiederum, an der Ahr häufig übersehen und unterschätzt, umarmt zugleich Tomatensäure und laktische Käsekomponenten; er komplementiert die Parmigiana auf erstaunlich seriöse Art und Weise. Wer in der Stimmung für Foodpairing-Experimente ist, serviert einen Blanc de Noir Brut!
Weissburgunder umarmt zugleich Tomaten und Käse und sorgt für eine seriöse Komponente
Trockener Rosé begleitet die Parmigiana als unkomplizierter Allrounder und Sundowner
Blanc de Noir Brut ist ein eher mutiges Pairing, dockt aber gut an die Tomatensäure und die Kräuter an