Kochen und Essen zu Weinen von den Ägäischen Inseln

Ägäische Inseln: Lamm, Zitronen, Oregano...und so viel mehr!

Text: Ursula Heinzelmann, Foto: gettyimages / inaquim

Flecken unterschiedlichster Grösse und Form im weiten Blau des Mittelmeers von Thrakien bis nach Rhodos, zwischender griechischen Ostküste und der Türkei – Ägäis, Sporaden, Kykladen, Dodekanes bilden eine ganz eigene, facettenreiche Welt.

Die griechischen Inseln in diesem nordöstlichen Teil des Mittelmeers sind von sehr unterschiedlicher Natur, manche grün bewachsen und fruchtbar, andere felsig und karg, besonders Santorini und Limnos von vulkanischen Böden geprägt. Niemand scheint sie je genau gezählt zu haben, manche sind bis heute unbewohnt. Dennoch sind diese Flecken im Blau keine einsamen Orte, vor allem wenn man sie mit den abgelegenen Bergdörfern des griechischen Festlands vergleicht. Das Wasser verbindet sie, und die Inseln waren im Laufe der Geschichte nur selten vom Rest der Welt wirklich abgeschnitten, sondern vielmehr Knotenpunkte für die Mittelmeer-Anrainer. Selbst auf den kleinsten, felsigsten und abgelegensten hatte man immer Kontakt zu den Nachbarn: Die Seefahrt gehört zum griechischen Wesen, und die Winde der Ägäis wie der sommerliche Meltemi wehen beständig bis heftig. Wie auf dem Festland war der Kontakt allerdings nicht unbedingt immer freundschaftlich, gelegentlich tauchten die Nachbarn auch in sehr ungelegener Form auf.

«Assyrtiko als fester, rauchiger, trockener Wein aus Santorini ist eine der Rebsorten, die man nie wieder vergisst.»

Jancis Robinson, MW

Die für die griechische Insellandschaft so charakteristischen, malerisch weiss getünchten Gebäude auf den felsigen Klippen, für die Touristen der Gegenwart Symbol für Urlaub, Strand und Ouzo, dienten ursprünglich zum Schutz gegen marodierende Piraten. Minoer aus Kreta, Phönizier aus der Levante, Spartaner, Athener und andere Bewohner des griechischen Festlands herrschten hier in der Antike; in Akrotiri auf Santorini haben Archäologen eine Stadt aus der Bronzezeit freigelegt, deren hoher Lebensstandard zeigt, wie wichtig Handel und Verkehr einst waren; die Insel lag auf halbem Weg zwischen dem Kupferproduzenten Zypern und dem Hauptkupferkonsumenten Kreta.

Wein gehörte damals wie heute zum Alltag – auf manchen Inseln sind es nur ein paar Reben für den Hausgebrauch, auf anderen ausgedehnte, oft terrassierte Hängeund hochgeschätzte, weitgehandelte Tropfen. In Akrotiri hat sich eine Kelteranlage erhalten, der dichtende Bauer Hesiod berichtet im siebten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung von der Weinlese auf Chios. Eine schier unendliche Zahl einheimischer Rebsorten trug und trägt der insularen Vielfalt Rechnung: Allein auf Santorini sind es wohl einst über 60 gewesen, von denen heute noch etwa die Hälfte existieren.

In der Küche entspricht dieser Vielfalt im Glas ein ganzes Kaleidoskop unterschiedlicher kultureller Einflüsse… und doch ist die gemeinsame, griechische Klammer erkennbar: saisonale Zutaten voller Duft und Aroma statt komplizierter Zubereitungen, viel Olivenöl, frische Zitronen und viele Kräuter – auch ohne die Segel zu setzen, lässt sich damit zu den Inselweinen die allgegenwärtige Meeresbrise der Ägäis spüren, riechen und schmecken.

Weinbau ohne Wasser: Die Kouloura

Santorini ist nicht nur eine der kleinsten bewohnten ägäischen Inseln (und eine der touristisch beliebtesten), sondern mit einem mittleren Niederschlagswert von etwa300 Millilitern auch eine der trockensten. Die Aspa genannten Böden der terrassierten Weinberge bestehen vor allem aus schwarzgrauem, vulkanischem Bimsstein und sandigem Staub. Traditionell werden die Rebtriebe daher im zweiten oder dritten Wuchsjahr zur Kouloura geflochten, an Storchennester erinnernde Körbe, die Schutz vor den starken Winden bieten und den Rebblättern ermöglichen, Nachtfeuchte und Morgentau einzufangen. Die Lese ist mühsam, das Ergebnis gering in der Menge, doch von beeindruckender Komplexität: die Vollendung des Assyrtiko.



Klassische Mariage: Gegrillter Fisch mit Zitrone und Olivenöl

Ebenso klassisch wie die weissgetünchten Häuser mit den blauen Dächern ist Fisch vom Grill nach den Meze-Vorspeisen, mit Salz, viel frischer Zitrone und Olivenöl gewürzt.

Malagousia aus Paros – mineralisch, mit vielfältigen Zitrus- und Quittenaromen, frisch, aber nicht schneidend – ist ein dezenter unddoch allgegenwärtiger Begleiter. Ein wenig mutiger und präsenter im Duft ist trockener Moschato, also Muskateller von der Insel Samos, der Zitrone und Fisch mit Rosen umweht… Nochmals deutlich selbstbewusster tritt dann Nykteri auf, der spät gelesene, traditionell ohne Maischestandzeit vergorene, hochkonzentrierte Assyrtiko aus Santorini.

Malagousia aus Paros begleitet den Fisch wohlwollend und gekonnt

Moschato aus Samos fügt den Zitronen eine florale Komponente hinzu

Nykteri aus Santorini macht den gegrillten Fisch zum besonderen Ereignis

Neue Mariage: Cheeseburger

Der Burger-Klassiker zu den Weinen der Ägäis – warum nicht? Auch er profitiert von den kulinarischen Grundsätzen der Inseln: unkompliziert, aber richtig gut.

Ebenso klassisch begleitet ihn Rotwein aus den alten Sorten Monemvasia und Mandilaria aus Paros, dunkelwürzig, kräftig, souverän. Eher belebter geht hingegen Mandilaria-Rosé aus Santorini vor allem auf Pickles und Salat ein, die herben Tannine durch das schnelle Abpressen gezähmt, frisch und doch voller Elan. Ein bisschen verrückt schliesslich – und wert, dazu mit Blauschimmelkäse zu experimentieren! – süsser Moschato aus Samos: überraschend gut.

Rote Cuvées aus Paros sind klassische, dunkelwürzige Begleiter

Mandilaria-Rosé aus Santorini wirkt frischer und belebt, doch herb

Süsser Moschato aus Samos ist gewagt, verrückt und überraschend gut

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