KULINARIK
Weinvariationen zu: Kürbis!
Text: Ursula Heinzelmann, Fotos: Manuel Krug
Kürbis? Sie denken an süsssauer Eingelegtes, Kinder in Hexenkostümen und kitschigorange Deko und sind als Weinfreund beinahe schon am Umblättern? Doch halt, Kürbis geht auch ganz anders und hat unglaublich viele weinaffine Seiten zu bieten.
Allerdings möchte er dafür in der Küche in anderen Varianten auftreten als an Halloween. Wenn die Kids in der Nacht vom 31. Oktober in grullerdings möchte er dafür in der Küche in anderen Varianten auftreten als an Halloween. Wenn die Kids in der Nacht vom 31. Oktober in gruseligen Verkleidungen durch die Strassen ziehen, ist Jack O’Lantern, der ausgehöhlte und beleuchtete Kürbis mit dem Grinsegesicht, natürlich mit dabei. Laut einer irischen Legende war Jack O. ein verlogener Trunkenbold, der selbst den Teufel hereinlegte, indem er ihn auf einen Baum lockte und dann ein Kreuz in den Stamm ritzte, so dass der Höllenfürst gefangen sass. Als Jack O. starb, fand er weder im Himmel noch in der Hölle Aufnahme und musste
unablässig zwischen beiden hin und her irren. Dieses finstere Schicksal rührte den Teufel wiederum, und er gab Jack O. ein Stück glühende Kohle als Licht in der Dunkelheit, das in einer ausgehöhlten Rübe steckte. Klar, dass sich mit einer solchen Laterne Geister vertreiben lassen, was besonders in der Halloween-Nacht wichtig ist, wenn der Winter den Sommer ablöst und die Toten zurück ins Leben drängen. In der Folge mutierte die Rübe der Legende zum Kürbis, aber es erscheint wie ein letzter Racheakt des Teufels, dass die beliebteste Kürbissorte zum Aushöhlen und Schnitzen hierzulande der grosse, wässerig schmeckende Gelbe Zentner ist. Der taugt nämlich eher für Gärtnerrekorde und wird durchs süsssaure Essigbad weder spannender noch weintauglicher. Doch die Ökobranche hat auf ihrer ständigen Suche nach neuen «alten» Gemüsesorten längst für Kürbisvielfalt gesorgt: Hokkaido, Muskatkürbis, Butternut, Sweet Dumplings, Chioggia... Deren Fleisch ist wesentlich «dichter» und «konzentrierter» (klingt das nicht bereits nach Wein?), und es gibt wirklich beinahe nichts, was sich damit nicht anstellen liesse.
Schneller Kürbis mit Lammnierchen und Nebbiolo
Zuerst einmal ganz einfach, ganz schnell: Hokkaido in Spalten schneiden (mit der Schale, die lässt sich hier nämlich mitverspeisen), entkernen, salzen, pfeffern, grosszügig mit Olivenöl beträufeln und ab in den Ofen. 20 Minuten Zeit, um salatiges Grünwerk als Kürbisbegleitung vorzubereiten, ein paar Lammnierchen kurz und rosa zu braten und vor allem, um eine Flasche Wein zu öffnen: am liebsten Nebbiolo aus dem Norden des Piemont, aus Gattinara oder Ghemme, weil er die fruchtige Seite des ansonsten erdverbundenen Wesens unserer orange leuchtenden Freunde unterstreicht. Auch gut: kraftvoller Portugieser aus Rheinhessen oder der Pfalz. Als Nächstes selbstverständlich Risotto. Je zur (Gewichts-)Hälfte geschälten Kürbis in kleinen Würfeln und Reis mit Schalotten anschwitzen, mit Weisswein ablöschen, mit Gefl ügelbrühe angiessen, rühren, angiessen... Sie wissen schon. Salz, ein wenig Thymian, und dann: kein Parmesan, sondern Castelmagno. Der höhlengelagerte piemontesische Rohmilchklassiker lässt sich einfach zwischen den Fingern zerbröseln und ergibt ein leichteres, lebendigeres Risotto als die übliche Umami-Bassstimme des Parmesans. Jedenfalls wenn er jung ist und quarkigbröckelig schmeckt – dann passt Arneis ins Glas oder auch Verdicchio, die diese Beschwingtheit mittragen. Gereifter Castelmagno, der sich unter der Rinde bereits zaghaft zu bewegen beginnt, drängt den Kürbis geschmacklich und texturell etwas in den Hintergrund, und der Wein braucht hier breitere Schultern, um ihm wie ein Bodyguard schützend zur Seite zu stehen. Ein Sprung über die Kontinente: Südafrikanischer Pinotage der kräftigeren Art nimmt sich des Risottos aufs Beste an, weil er süsse Fruchtfrische mitbringt, aber auch würzige Tiefe und einen Hauch Bitternis.
Aber bleiben wir in Italien: In der Lombardei, genauer gesagt in Mantua, wird Kürbispüree mit Amaretti und gehackter Mostarda gewürzt und in Eiernudelteig gehüllt, mit Parmesan bestreut oder – grossartig – mit Salbeibutter serviert. Besonders in letzterer Variante ist das der richtige Moment, um nach gehaltvollem Grünen Veltliner, Savagnin aus dem Jura, Viognier von der nördlichen Rhône oder Grauburgunder der konzentrierten Art zu greifen, aus dem Elsass, vom Kaiserstuhl oder aus Oregon. Und selbstverständlich kann Kürbis auch richtig süss, nicht zuletzt für den traditionellen Pumpkin Pie zu Thanksgiving, dem amerikanischen Erntedankfest am vierten Donnerstag im November. Dafür das in grosse Würfel geschnittene Kürbisfleisch entweder über Dampf garen oder mit Alufolie abgedeckt auf einem geölten Backblech im Ofen backen. Dann von der Schale schneiden und pürieren, mit Ei, einem Schuss Kokosmilch und wenig Zucker mischen, mit Limette, Salz, Zimt, Ingwer, Piment und Vanille würzen und auf Mürbteig backen. Je intensiver das Kürbisfleisch, desto besser der Pie – und desto charaktervoller darf auch der Wein dazu sein. Eine saftig-kräftige Riesling-Spätlese wirkt am eingängigsten, eine gereifte Riesling-Trockenbeerenauslese verleiht der Begegnung VIP-Status, während zehn Jahre alter Marsala für Grandezza und Noblesse sorgt. So geht Kürbis.
DIE WEINE
Drei Varianten - die Wahl liegt bei Ihnen, je nach Lust, Wetter und Laune.
Riesling Muenchberg 2014
André Ostertag
Epfig, Alsace (F)
13,5 Vol.-% | 2016 bis 2024
Der Grand Cru Muenchberg im nördlichenElsass liegt regen- und windgeschützt, Kieselsandstein und vulkanische Sedimente im Boden tun ihr Übriges: Selbst in schwierigen Jahren wie 2014 sind dort solche dichten, von tiefer Frucht geprägten Weine möglich. Mit unaufgeregter Noblesse nimmt sich die reife Säure belebend der Aromenfülle auf dem Teller an und betont das Gemüsige statt das Üppige.
Grauburgunder Meersburger
Sängerhalde Drei Lilien 2014
Robert und Manfred Aufricht
Meersburg, Bodensee (D)
13,5 Vol.-% | 2016 bis 2022
Barock und grazil zugleich: auf über 450 Metern gewachsen, mit Blick auf die Alpen am anderen Seeufer. Unterstrichen von ein wenig neuem Holz und Spontanvergärung verweist er einerseits auf den Kaiserstuhl und das Elsass und bringt doch andererseits im Nachhall eine feine Säure ins Spiel. Grosser Wein zu grosser Küche, der zu Pilzen und Kräutern seine ganze Würze zeigt.
Pinot Noir
Marion’s Vineyard 2013
Schubert Wines
Wairarapa, Martinborough (NZ)
14 Vol.-% | 2016 bis 2024
Aussergewöhnlich vielschichtige Aromen von roten Kirschen, von frischem Kirschpüree bis hin zu Amarenasüsse und insgesamt wahrhaft betörend, da dies alles von einer ermunternden Säure getragen wird. Äusserst diskrete Gerbstoffe (trotz vollen Einsatzes von Barriques, ein Drittel davon neu) wirken strukturierend und lassen den Wein der Fülle auf dem Teller uner schrocken entgegentreten.