KULINARIK

Weinvariationen zu: Melone!

Text: Ursula Heinzelmann, Fotos: Manuel Krug

Der Biss in ein grosses Stück Melone, wenn der Saft am Kinn entlangtropft, der feine Duft in die Nase steigt – das ist Sommer! Aber erst, wenn es dazu auch Wein gibt. Schwierig, meinen Sie? Mehr als machbar, finden wir. Besonders, wenn man die Melone mal anders serviert als mit Schinken.

Sie sind sicher botanisch gut unterrichtet und daher nicht überrascht, wenn wir hier in Erinnerung rufen, dass Melonen und Gurken enge Verwandte sind. Uns Weinmenschen interessiert das aus zweierlei Gründen. Einerseits ist da der ganz besondere Duft, mit dem uns beide betören. Chemisch analysiert handelt es sich bei Gurken und Zuckermelonen um (E,Z)-2,6-Nonadienal, ein Aldehyd, das auch Veilchenblätter und Sauerkirschen prägt, während 2,6-Dimethyl-5-Heptenal vornehmlich für die Frische der Wassermelonen zuständig ist. Andererseits ist für die Kulinariker unter Weingeniessern ebenso wichtig, dass Melonen wie Gurken zwar weich werden, wenn man sie im weitetesten Sinne kocht, aber nicht zu Mus zerfallen. Das lässt uns in der Küche (und damit auch im Glas) weitesten Handlungsspielraum.

Melone und Schinken, bewährt und schön und gut – und wunderbar mit einer trockenen Scheurebe von Wittmann aus Rheinhessen. Aber reife, orangeleuchtende Charentais-Melone und einigermassen frische Pélardons, die kleinen runden Ziegenkäse aus den Cevennen im Süden Frankreichs, das ist ein mindestens ebenso feines Geschmackserlebnis, das mit ein paar Tropfen Olivenöl und aromatischem schwarzem Pfeffer auf dem Teller sowie einem Viognier von Stéphane Ogier im Glas noch gesteigert werden kann. 

Bevor wir uns tatsächlich ans Kochen machen, bleiben wir bei der Kombination Melone und Käse, die essenziellen Begleiter zum Rakı. Ja, nein, das ist kein Wein, doch der anisduftende Traubenbrand schmeckt uns manchmal trotzdem, und auch in Anatolien trank man einst mehr Wein. Auch dazu gab es Feta, in Lake gereiften Schafskäse und frische Honigmelone. Wir schenken idealerweise den feinfruchtigen weissen Teneia von Corvus von der nördlichen Ägäisküste der Türkei ein, aus der einheimischen Sorte Çavuş. Wenn der gerade nicht zur Hand und es draussen so richtig heiss ist, dann passt auch der gänzlich unbeschwerte Alento Branco von Adega do Monte im portugiesischen Alentejo. Schneiden wir allerdings Wassermelone in Würfel und machen daraus mit dem Feta, ein paar schwarzen Oliven und gerösteten Kürbiskernen sowie Balsamico und Kürbiskernöl einen Salat, dann darf es auch beim Wein kräftiger sein, und da wir gerade in Portugals wilder, warmer Mitte sind, gefällt uns der sonnendichte und doch nicht schwere Verdelho von Esporão dazu besonders gut.

Essigsauer eingelegte Melone klingt vielleicht ungewohnt, ist aber besonders erfrischend, braucht nur wenige Stunden und macht zusammen mit etwas Chilischärfe aus dem vom Knochen gezupften Fleisch einer gebratenen Hühnerkeule einen sehr beschwingten Mosel-Riesling-Begleiter (vorzugsweise von Martin Müllen vom Trabener Hühnerberg – kein Witz!). Noch ungewöhnlicher ist eingelegte Wassermelonenrinde. Die kocht man in dicken Streifen im essighaften süss-sauren Sud mit Ingwer und Sternanis kurz auf und lässt sie dann über Nacht ziehen. Passt überall, wo sonst Gewürzgurken zum Einsatz kämen, wie zu knusprigem Speck, Fleischkäse und Spiegelei, mit würzigem Silvaner von Jens Bettenheimer aus Ingelheim, nochmals Rheinhessen.

Pürierte Melone auf Seegetier mit Sekt

Wir bleiben beim Ungewohnten, pürieren viel reife Melone, passieren die durch ein feines Sieb zu Saft, den wir mit einem kleinen Schuss Limettensaft abschmecken und mit Gelatine gelieren. Dieses Gelee schneiden oder zerteilen wir mit einer Gabel zu groben Würfeln und packen sie mit frischem Dill auf rohe Austern, betten sie zu gekochtem Hummer oder auch anderem Seegetier. So oder so freut sich das Melonengelee wie auch wir über Schäumendes mit Frucht, aber so gut wie ohne Süsse. Der weissburgunderbestimmte Brut-Reserve-Sekt von Reichsrat von Buhl aus der Pfalz ist da ganz in seinem Element!

Das Melonengelee lässt sich aber natürlich auch mit etwas Zucker und einer Ahnung Maraschino abschmecken und mit frischen Beeren kombinieren – ein Löffel Schlagsahne und ein saftiger Saar-Riesling Kabinett wie der Wawerner Herrenberg von Othegraven, und die Welt ist schön. Frohgestimmt kochen wir dann ein indisches Curry aus nicht zu reifer Wassermelone, mit roten Linsen, Koriander, Kurkuma, grüner Chili und Kokosmilch, und hoffen auf einen kühlen Tag, damit wir einen dunkelfruchtigen, steinig-herben Grenache wie den Secastilla von Viñas del Vero aus Somontano trinken können, ohne ihn vorher auf Eis zu stellen. Und bevor wir uns auf den folgenden Seiten an etwas ganz Besonderes machen, erinnern wir uns nochmals an die Gurken-Verwandtschaft und ein ganz simples Gericht: Schmorgurken. Nicht allzu reife Galia-Melone in kleinfingerstarken Würfeln mit etwas Speck und Zwiebelwürfeln leicht anbraten, salzen, im Wasser ziehen lassen und leise schmoren, bis die Melone weich ist: Schmormelone, zu gebratenen Fleischbällchen aus pikant abgeschmecktem Lammhack – das wird mit dem Lagrein-Rosé der Kellerei Tramin Ihr Lieblingsessen dieses Sommers.

Die Weine

Heida Gletscherwein 2015

Domaine Chanton Visp, Wallis (CH)
2017 bis 2030 | 14,6 Vol.-%

Wie nun genau Heida und Traminer verwandt (oder einfach Synonyme) sind, ist eine komplexe Frage, aber dass sie es sind, wird mit jeder Nasevoll dieses rauchig-speckigen Birnen- und Rosendufts klar. Dicht, lang und von der Bergluft belebt; die Reben wachsen auf 800 Metern in Gletscher(sicht)-nähe, so dass die feine Säure die Alkoholsüsse und Melonensüsse (!) wonnig trägt.

 

Vergelegen Sauvignon Blanc 2015

Somerset West, Stellenbosch (RSA)
2017 bis 2020 | 14,5 Vol.-%

Alles, was Sauvignon Blanc sein kann, ohne sich zu verkünsteln: viel Schwarze Johannisbeeren und Stachelbeeren und Tabakblätter und eine ganz leise Ahnung von einer strengeren grünen Note, die diese reife, dichte Üppigkeit (auch Alkohol – die Sonne von Stellenbosch!) vor dem Zuviel bewahrt und die Melonen ins Frische dreht.

 

Ridge Chardonnay Estate Santa Cruz 2014

Cupertino, Kalifornien (USA)
2017 bis 2024 | 14 Vol.-%

Südlich von San Francisco ist es warm und trocken, aber auf über 700 Metern in den Bergen von Santa Cruz wächst feiner Stoff. Diese Trauben waren keinesfalls überreif, und den warm-röstigen Aromen aus der spontanen Vergärung im Holz und dem biologischen Säureabbau steht viel klare Frische, Frucht und Säure gegenüber – alles zusammen behauptet sich souverän gegenüber der Melone.

Profi-Tipp

Melonen brauchen Wärme, ja sogar Hitze, um voll auszureifen und dabei Süsse, Saftigkeit und vor allem den wunderbaren Duft zu bilden. Sie reifen zwar nach (je wärmer sie gelagert werden, desto schneller), doch je reifer sie geerntet werden, desto aromatischer sind sie. Bei Charentais- und anderen kleinen Zuckermelonen kann man den Reifegrad durch die zunehmende Aromenintensität am Blütenansatz erkennen – also ran mit der Nase! Reife Wassermelonen fühlen sich schwerer an als unreife und klingen eher dumpf beim Klopfen.