Überraschend kombiniert
Currywurst und Chasselas
Text: Thomas Vaterlaus, Foto: Martin Hemmi
Jeder kennt Geheimtipps beim Kombinieren von Wein und Speisen. Zur deutschen Currywurst serviert Thomas Vaterlaus, Chefredakteur von VINUM Schweiz, einen urhelvetischen Chasselas.
Deutsche und Schweizer harmonieren im Idealfall ganz hervorragend miteinander. Etwa dann, wenn es sich um eine deutsche Currywurst und einen Chasselas (Gutedel) aus dem schweizerischen Waadtland handelt. Diese Mariage hat ohne Zweifel das Potenzial, ein echter CHAD-Land-Klassiker zu werden. Natürlich muss das Thema mit einer gewissen Ehrfurcht be-handelt werden. Schliesslich begegnen sich da zwei nationale Heiligtümer, über die schon unzählige Bücher, plagiatsfreie Doktorarbeiten und flammende Liebeserklärungen verfasst worden sind. Und von beiden, der Currywurst und dem Chasselas, gibt es Hunderte von Interpretationen. Es ist also letztlich entscheidend, welche Currywurst man mit welchem Chasselas kombiniert. In meiner Lieblings-Currywurst-Bude, die eigentlich schon mehr einer Feinschmeckerbar als einer Bude gleicht, besteht die Wurst aus Rinds- und Schweinefleisch, was ihr einen kräftigen, vollen und ausgewogenen Geschmack verleiht. Was die Vermählung mit dem Wein grundsätzlich erschwert, ist die übliche Sauce aus Tomatenmark, Worcestershiresauce und Currypulver. Obwohl diese hier von einem Sternekoch kreiert wurde, der sie mit etwas Orangensaft und Ahornsirup verfeinert hat, ist sie wegen ihrem «Sweet&Sour&Spice»-Touch eigentlich ein «No-go» mit Wein. Die absolute Mehrheit trinkt denn auch Cola oder Bier zu einer klassischen Currywurst. Wenn jemand Wein möchte, empfiehlt der Patron einen kräftigen roten «Roble» aus Navarra mit fast 15 Volumenprozent. Zweifellos kann dieser alkoholpotente Spanier den nötigen Gegendruck zur Sauce entwickeln, doch die Mariage ist eher rustikal denn raffiniert.
In Deutschland galt es eine Zeit lang als hip, nach durchtanzten Nächten den neuen Morgen mit Currywurst und Dom Pérignon zu feiern. Aber glauben Sie mir: Die süss-scharfe Tomatensauce sabotiert die säurebetonte Finesse dieses Edelschäumers auf fast schon grausame Weise. Gewisse Weinfreaks empfehlen restsüssen Riesling, der tatsächlich auf ähnliche Weise mit Süsse und Säure spielt wie die Currywurstsauce auch. Dieser repetitive Ansatz kann durchaus eine gelungene Mariage ergeben, ist aber auch nicht wirklich eine originelle Kombination. Irgendwann hatte ich die Idee, dass ein erstklassiger, traditionell vinifizierter Westschweizer Chasselas eigentlich einen ganz ordentlichen Begleiter zur Currywurst abgeben müsste. Und: So ist es auch! Beispielsweise der 2011er Chemin de Fer Dézaley Grand Cru von Luc Massy. Dieser Wein, der auf Mergel und tonhaltigem Sandstein reift und wie alle grossen Dézaleys den biologischen Säureabbau durchläuft, besticht mit einer eher tiefen Säure und einer samtweichen Textur. Mit diesen besonderen Eigenschaften spielt er den perfekten Gegenpart zur süss-scharfen Sauce. Denn mit seiner ihm ureigenen Milde puffert dieser Westschweizer die Schärfe der Sauce perfekt ab.
Versuchen Sie’s!
Die Speise
Die Currywurst wurde, so berichten einschlägige Quellen, erstmals am 4. September 1949 von einer gewissen Herta Heuwer an ihrem Imbissstand in Berlin-Charlottenburg serviert. Sie ist somit ein Relikt aus der Zeit des Wiederaufbaus. Beim Berliner Original soll es sich um eine gepökelte und leicht geräucherte Brühwurst aus fein gemahlenem Schweine- und Rindfleisch gehandelt haben. Die Version aus dem Ruhrgebiet ist im Prinzip eine kräftige Bratwurst, die nicht gepökelt und geräuchert wird. Heute gilt dieser Wursttyp als Standard. Die dazu servierte Sauce besteht aus Tomatenmark, Currypulver und Worcestershiresauce. Ambitionierte Currywurst-Anbieter setzen sowohl bei der Wurst als auch bei der Sauce auf eigens entwickelte Geheimrezepte.
Der Wein
Der Chasselas (Gutedel) ist der meistangebaute Weisswein der Schweiz. Es gibt ihn heute in verschiedenen Varianten, etwa mit einem Hauch natürlicher Kohlensäure versehen oder mit etwas Restsüsse abgefüllt. Immer mehr Winzer verzichten auch auf den biologischen Säureabbau, um dem Wein mehr Frische zu verleihen. Als besonders guter Partner zur Currywurst zeigt sich aber ein klassischer Dézaley von Spitzenkellereien wie Luc Massy oder Louis Bovard. Diese vinifizieren den «Grand Cru» aus dem Lavaux bei Lausanne mit biologischem Säureabbau und Ausbau auf der Feinhefe. So entsteht ein milder, aber ausdrucksstarker Terroirwein mit mineralischen Komponenten.
Die Mariage
Wer die Mariage zwischen urdeutscher Currywurst und urschweizerischem Dézaley erleben möchte, muss gezielt vorgehen. Schliesslich gibt es schätzungsweise keine einzige Imbissbude im deutschsprachigen Raum, die einen traditionellen Dézaley auf der Karte hat. Man muss die Flasche also schon selber mitbringen. Einfacher ist es, die Currywurst in einer Warmhaltebox mit nach Hause zu nehmen und dort mit einem gut gekühlten (aber nicht eiskalten) Dézaley zu geniessen. Und ach ja: Die Mariage gelingt dann am besten, wenn man sich eine Portion bestellt, bei der die Wurststücke nicht gerade in der Sauce ertrinken...