Travel like a Pro
48 Stunden in Venedig
Text: Christian Eder, Fotos: Sabine Jackson
25 Millionen Touristen besuchen jährlich in Venedig La Serenissima, «die Heitere». Rialto-Brücke und Piazza San Marco zählen zu den Selfie-Hot-Spots Italiens. Aber in der einstigen Kapitale der Dogenrepublik kann man auch abseits ausgetretener Reisegruppen-Pfade und singender Gondoliere noch viel entdecken.
Venedig ist seit jeher Sehnsuchtsort für Reisende aus aller Welt: Das Schippern auf Kanälen, singende Gondoliere, Taubenfüttern am Markusplatz, das Ersteigen des Campanile oder ein Besuch im Dogenpalast sind ebenso Pflicht bei einem Venedig-Trip wie ein 21 Euro teurer Bellini in Harry’s Bar oder ein von Orchestermusik untermalter Caffè Veneziano im Caffè Florian auf der Piazza San Marco. «La Vera Serenissima» erlebt man allerdings erst, wenn man sich auf das Venedig der Venezianer einlässt: idealerweise bei einem Giro d’ombra, einer Runde durch die venezianischen Bars (Bacaro genannt), um Ombra (ein Glas Wein) und Cicchetti (kleine Happen aus Meeresfrüchten, Gemüse oder Wurstwaren) zu geniessen. Fast alle liegen direkt an einem der 175 Kanäle dieser einzigartigen Stadt, die auf 150 Inseln fusst, welche durch 400 Brücken verbunden sind. 1987 wurde Venedig deshalb auch als eine der ersten Städte in Italien in die Weltkulturerbe-Liste der UNESCO aufgenommen. Apropos Kultur: Durch die Kunst- und Architekturbiennale und die alljährlich im Spätsommer stattfindenden Filmfestspiele ist Venezia natürlich ebenfalls eine Reise wert. Cineastisch Interessierte können sich aber auch mit Klassikern wie «Wenn die Gondeln Trauer tragen» oder «Der talentierte Mr. Ripley» oder einfach mit «James Bond» auf die Reise einstimmen: Mr. Bond ist auch der Vesper Martini an der Bar Dandolo im Hotel «Danieli» gewidmet: ein Mix aus Gin, Wodka, Martini Dry und Angostura. Der Drink erinnert an Moonraker aus dem Jahr 1979, in dem Roger Moore im «Danieli» residierte – natürlich mit Blick auf die Lagune. Denn Venedig wäre natürlich nicht La Serenissima ohne seine Lagune und die Inseln: Murano, Burano, San Michele oder Mazzorbo sind zum grössten Teil Naturschutzgebiet und allesamt nur einen Katzensprung mit dem Vaporetto – dem Wassertaxi – entfernt. Jedes mit eigenem Charakter und Flair. Selbst Rebberge findet man nach jahrzehntelangem Niedergang wieder auf den Inseln und in Venedig selbst – wie einst zu Zeiten der Dogen kann man daher heute wieder echten «Vino di Venezia» geniessen.
Tag 1
8 h Dolci zum Frühstück 1
Als Muntermacher locken süsse Versuchungen in der bestduftenden Pasticceria der Lagunenstadt: Alle, von den Biscotti friabili (mürben Keksen) über die Torta del doge bis zu den Bussolai (den traditionellen Gebäckkringeln der Karnevalszeit) oder der Fregolatta (der Krümeltorte), werden jeden Morgen frisch zubereitet und können dann gleich an der Theke zum Cappuccino geknuspert werden. Hausgemachtes Konfekt für die Daheimgebliebenen gibt’s nebenan in der Cioccolateria dal Mas.
Pasticceria dal Mas
Rio Terà Lista de Spagna 149/B, Cannaregio
Tel. +39 041 71 51 01
www.dalmaspasticceria.it
9 h Polpo und Prosecco 2
Der schönste Mercato der Stadt liegt unter Arkaden nahe der Rialto-Brücke: Neben Ständen mit frischem Gemüse, Obst und Pilzen ist natürlich auch der Fischmarkt ein Fixpunkt bei jedem Venedig-Besuch. Nach einem Bummel zwischen den Theken mit den Frutti di mare, Branzino oder Polpo erholt man sich mit Cicchetti und einem Glas Prosecco oder Franciacorta in einem der typischsten Bacaros der Stadt gleich daneben: Al Mercà. Erste Wahl: das Pannino mit dem hauchdünn geschnittenen Prosciutto!
Mercato di Rialto
Calle della Pescaria, San Polo
Di–Sa 7.30–12 Uhr
11 h Maskenball 3
Die Handwerker des Ateliers haben schon Hollywoodproduktionen wie Parnassus und Wild Wild West ausgestattet und auch Tom Cruise und Nicole Kidman trugen in Stanley Kubricks erotischem Thriller Eyes wide shut ihre Masken. Mit Souvenirkitsch hat Francesca Cecamore also wenig am Hut, wenn sie in ihrem Atelier in einer der engen Gassen des Viertels Castello ihrer Fantasie freien Lauf lässt. Ihre Masken findet man natürlich auch am Karneval. Highlight der Saison: Donald Trump.
Kartaruga Venezia
Calle del Paradiso 5756, Castello
Tel. +39 041 241 00 71
www.kartaruga.it
Perfekter venezianischer Aperitivo am Canale Grande und Sterneküche am Markusplatz:
13 h Ein Spritz am Kanal 4
Der perfekte Aperitivo vor einem Pranzo auf einer Terrasse am Canale Grande, einen Steinwurf von der Rialto entfernt, ist ein Spritz Veneziano. Liebhaber wählen allerdings zu Prosecco und Selters gerne statt Aperol den venezianischen Bitter Select oder Campari. Danach empfiehlt Chef Jacopo zum Branzino scotato in crosta di patate (Seebarsch in Kartoffelkruste) einen fruchtigen Bianco aus dem Piave-Gebiet. Detail am Rande: Seinen Ursprung hatte der Spritz im «Gspritzten» der Habsburgermonarchie.
Osteria Bancogiro
Campo San Giacometto,
Ponte di Rialto 122, San Polo
Tel. +39 041 523 20 61
www.osteriabancogiro.it
16 h Röstaromen 5
Den besten Kaffee der Stadt gibt es in dieser kleinen Rösterei am Rande des Jüdischen Viertels: Man kann nicht nur aus einem guten Dutzend unterschiedlicher Bohnen und Blends in Bohnen- oder gemahlener Form zum Mitnehmen wählen, sondern ihn sich auch gleich an der Theke zubereiten lassen. Klassiker: der Cafè Remer, der hauseigene milde Blend aus acht verschiedenen Sorten Arabica. Gegenpart für alle, die es lieber kräftiger wollen: der Forte aus 100 Prozent Robusta.
Torrefazione Cannaregio
Fondamenta dei Ormesini 2804, Cannaregio
Tel. +39 041 71 63 71
www.torrefazionecannaregio.it
20 h Ein Stern am Markusplatz 6
Quattro Atti, vier Akte, nennt der sternbekränzte Küchenchef Silvio Giavedoni sein Degustationsmenü, ein Potpourri von vier mal vier fantasievollen Kreationen. Giavedonis Küche ist von den Gewürzen und der Geschichte der Seefahrerrepublik beeinflusst, die saisonalen Zutaten stammen – wenn möglich – aus der Lagune von Venedig. Das Lokal gehört übrigens zum Imperium des padovanischen Drei-Sterne-Kochs Max Alajmo.
Ristorante Quadri
Piazza San Marco 121, San Marco
Tel. +39 041 522 21 05
www.alajmo.it
Tag 2
Aperitivo mit atemberaubender Aussicht und Lagunenweine auf der Insel Mazzorbo geniessen:
9 h Fare la spesa 7
Den Tag beginnen wir mit einer Shopping-Tour im schönsten Einkaufspalazzo der Stadt, dem einst deutschen Händlern vorbehaltenen T Fondaco dei Tedeschi. Bevor wir uns aber auf Mode von Bottega Veneta oder Schmuck von Tiffany stürzen, gibt es noch einen Muntermacher im Caffè AMO: Im Parterre des Einkaufzentrums wird ein hervorragender Espresso von Giamaica Caffè aus Verona serviert, dazu gibt’s Brioches und zu Mittag raffinierte kleine Gerichte mit frischen Zutaten vom nahen Rialto Markt.
T Fondaco Dei Tedeschi
Calle del Fontego, San Marco
Tel. +39 041 314 20 00
www.dfs.com
11 h Cicchetti auf dem Fass 8
Der berühmteste Bacaro der Stadt liegt an der Ecke gleich neben der kleinen Kirche San Nicola da Tolentino: Mit etwas Glück ergattert man einen Platz an einem leeren Weinfass, auf dem man Pappteller und Wein platziert, alternativ bietet sich die Kirchentreppe nebenan an. Die Preise sind unschlagbar: Krokant-Brötchen mit Salame, Mortadella, Lardo oder auch Caponata für 1 Euro, genauso viel kostet der Glasbecher mit Hauswein – Refosco, Verduzzo oder Cabernet, meist aus dem Veneto. Pflicht!
Bacareto da Lele
Fondamenta dei Tolentini 183, Santa Croce
Tel. +39 347 846 9728
12 h Mit dem Vaporetto in die Lagune 9
Auf der Insel Mazzorbo liegt unser nächstes Ziel: Im Ristorante des Wine Resort Venissa tischen Chiara Pavan und Francesco Brutto Köstlichkeiten wie geräucherten Aal oder Täubchen mit Melanzane und Heidelbeeren auf. Dazu werden die hauseigenen Lagunenweine kredenzt. Tipp: Für 175 Euro pro Person wird man mit dem eigenen Boot direkt am Markusplatz abgeholt, Pranzo inklusive. Man kann alternativ auch mit dem öffentlichen Wassertaxi anreisen und in der kostengünstigeren Osteria Venissa speisen.
Ristorante Venissa
Fondamente S. Caterina, Mazzorbo
Tel. +39 041 527 22 81
www.venissa.it
15.30 h Die Gondelmanufaktur 10
Gondeln gehören zu Venedig wie die Perlen in den Prosecco. Dass die schmucken Barken nicht in China hergestellt werden, versteht sich von selbst: Die traditionelle Gondel ist ein 25 000 Euro teures Meisterwerk aus sieben verschiedenen Holzarten. Einer der besten Gondelschreiner hat seine Werkstatt in San Trovaso, wo in mühevoller Handarbeit die Schiffe entstehen. Das kann man genüsslich bei einem Glas in der Osteria del Squero vom gegenüberliegenden Ufer des Kanals aus beobachten.
Squero di San Trovaso
Fondamenta Bonlini 1097, Dorsoduro
www.squerosantrovaso.com
17 h Bellini mit Aussicht 11
Wahrscheinlich der schönste Aussichtspunkt der Stadt ist die Rooftop-Bar des Hotels «Hilton Molino Stucky» auf der Insel Giudecca, gegenüber der Altstadt: Sieben Stöcke über dem Meer ist auch der beste Ort für einen Sundowner mit Blick auf Lagune und Inseln – entweder mit einem fruchtigen Bellini, einem Aperol Spritz oder einem herzhaften Cocktail wie dem Moroni (ein Negroni mit Tequila statt Gin). Ein Gratis-Wassertaxi-Service bringt uns anschliessend wieder zurück zum Markusplatz.
Skyline Rooftop Bar am Hilton Molino Stucky
Via Giudecca 810, Giudecca
Tel. +39 041 272 33 11
www.skylinebarvenice.it
20 h Cucina Veneziana 12
Der beste Platz für klassische Venezianer Küche: Sarde al Saor (marinierte Sardinen), Fegato alla Veneziana (Leber mit Zwiebeln und Polenta) und Baccalà gibt es das ganze Jahr. Die Moeche, die Lagunenkrebse, werden hingegen nur im Frühjahr gefangen, wenn sie ihren alten Panzer abwerfen und bevor der neue wächst. Dann werden sie frittiert und im Ganzen zu einem Glas Piave-Bianco verzehrt.
Trattoria da Bepi
Cannaregio 4550, SS Apostoli
Tel. +39 041 528 5031
www.dabepi.it